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Spitzweg – ein Bücherwurm
Nach Cervantes: Don Quijote und Sancho Pansa, rastend, 1875/80.
| Nach Cervantes: Don Quijote und Sancho Pansa, rastend, 1875/80.
Wiedemann Mathias
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:55 Uhr

Am 30. November endet die große Spitzweg-Ausstellung im Museum Georg Schäfer, die 171 Gemälde und Zeichnungen zeigt. Über die Pointenbilder hinaus, die den Künstler so populär machten, lassen sich auch unbekanntere Seiten des Künstlers entdecken. So bieten sich Einblicke in seine Arbeitsweise und seine Vorlieben, zu denen das Reisen, das Zigarrenrauchen, das Rezeptsammeln, die Musik und nicht zuletzt Literatur und Poesie gehören.

Mit dem Bild „Der arme Poet“ machte Spitzweg 1839 den ersten großen Schritt in die Öffentlichkeit. Er schuf ein Inbild des weltfernen, ganz in seiner Kunst aufgehenden Dichters und Denkers. Ähnlich still und leise wie der arme Poet in seiner Dachkammer, aber weit weniger weltfremd, dichtete Spitzweg für sich und die ihm nahestehenden Freunde und Verwandten. Er sah sich selbst nur als einen von vielen „Dutzenddichtern“.

Erst nach seinem Tod gelangten seine gereimten Schöpfungen an die Öffentlichkeit. 1913 veröffentlichte Hermann Uhde-Bernays erstmals einen Teil der Verse. Die Gedichte sind schlicht, oft komisch, sehr anschaulich, manchmal tiefgründig und ein paar von ihnen nur für eingefleischte Bayern verständlich. Das Dichten gehörte jedenfalls zum Tagesablauf des Künstlers; er reimte: „Ich bitt‘, du mußt nun hier vor all’n / Auf jeden Scherz verzichten; / Am Tage nämlich tu ich mal’n, / Und abends tu ich dichten.“

Der Maler verfügte darüber hinaus über eine ansehnliche Bibliothek. 1848 schrieb er aus Freising: „Ich komme mit Büchern an, bei einem Antiquar hier hab ich im Vorbeigehen beyläufig 1/2 Zentner erstanden.“ Seine Regale füllten, wie Wilhelm Spitzweg, der Enkel seines Bruders, erzählte, Erzählungen, Reisewerke und Klassiker, darunter viel von Jean Paul, den der Künstler leidenschaftlich verehrte. Wilhelm berichtet weiter, dass sein Vorfahr abends beim Schein einer grünbeschirmten Petroleumlampe las und in der Literatur Freude und Trost gefunden habe. Man könnte ergänzen: Er fand in ihr auch Motive für seine Gemälde.

Friedrich Schiller lieferte ihm da so einiges: Das Gemälde „Der Astrologe“ ist die humorvolle Interpretation einer Szene aus dem „Wallenstein“. Man sieht den entsetzten Wallenstein durch ein gigantisches Fernrohr in die Sterne schauen, neben ihm den etwas unheimlichen, gespannt wartenden Astrologen Seni. Dieser beschwor seinen Herrn kurz vor dessen Ermordung zu fliehen, da der Planetenstand Unheil ankündigte. Schillers Werk war Mitte des 19. Jahrhunderts sehr präsent. 1855 feierte man den 50. Todestag des Dichters, die Wallenstein-Trilogie wurde am Münchner Nationaltheater gespielt, und Karl Theodor von Piloty erzielte mit seinem großen Historiengemälde Seni vor der Leiche Wallensteins (Neue Pinakothek, München) einen enormen Erfolg.

Machte Spitzweg sich vielleicht sogar über den historistisch-dramatischen Malerkollegen lustig? Er konnte auch anders: In der Ausstellung ist ein zweites kleines Ölgemälde zu Schillers Ballade über die unglückliche Liebe des Ritters Toggenburg zu sehen. Hier zeigt sich der Künstler romantisch und melancholisch. Die Ballade erzählt vom Kreuzfahrer Toggenburg, der seine Geliebte nach langer Abwesenheit im Kloster wiederfindet. Er baut sich eine Hütte, von der aus er das Fenster der Geliebten beobachten kann. Dort wartet er und blickt hinüber. „Und so saß er, eine Leiche, / Eines Morgens da, / Nach dem Fenster noch das bleiche / Stille Antlitz sah.“ Diese anrührende Szene malte Spitzweg ernsthaft und stimmungsvoll.

In seinen späten Jahren beschäftigte den Maler noch einmal Cervantes' Epos „Don Quixote de la Mancha“ (1605/15). Hierzu entstanden mindestens drei Gemälde, von denen eines in der Ausstellung zu sehen ist. Man kann davon ausgehen, dass sich unter den Spitzweg-Gemälden noch einige unentdeckte literarische Motive verbergen.

Vor nicht allzu langer Zeit fand der Kunsthistoriker Ralf Heinrich Arning die Quelle zu „Die Angebetete“. Es handelt sich um eine Verserzählung von August Friedrich Ernst Langbein mit dem Titel „Schön Mühmchen“ aus dem Jahre 1812. Die Geschichte über den unglücklich verliebten Doctor Sebaldus, der sich vor einem jungen Paar lächerlich macht, passte, wie auch Don Quijote, ideal ins Repertoire der Spitzweg‘schen tragikomischen Gestalten.

Konzert & Vorschau

Am Sonntag, 23. November, spielen um 15 Uhr die Charlottenburger Bachsolisten aus Berlin im Museum Georg Schäfer. Das Programm hat sich seit der ersten Ankündigung leicht geändert. Unter dem Titel „Bach und seine Verehrer“ sind zu hören: Johann Sebastian Bach, Triosonate G-Dur, BWV 530 Carl Philipp Emanuel Bach: Triosonate D-Dur, WQ 151 Robert Schumann: Fantasiestücke op. 73 für Violoncello und Klavier Robert Schumann: aus den Kinderszenen op. 15, bearbeitet für Flöte und Klavier Franz Doppler: Nocturne, op. 19 für Flöte, Violine, Cello und Klavier Ludwig van Beethoven: Klavier-Quartett Es-Dur, op.16

Ausstellungsvorschau: 14. Dezember bis 8. März – Geliebte Tyrannin. Mode in Bildern des 19. Jahrhunderts

1. März bis 24. Mai: Johann Wilhelm Schirmer, Biblische Landschaften – das Paradies als ein Frühlingsmorgen. Ausstellung zum Luther-Themenjahr 2015.

Humorvolle Interpretation einer Szene aus dem „Wallenstein“: Der Astrologe (Sternengucker), 1860/64.
Foto: Museum Georg Schäfer | Humorvolle Interpretation einer Szene aus dem „Wallenstein“: Der Astrologe (Sternengucker), 1860/64.
Auch von Schiller inspiriert: Ritter Toggenburg, um 1875 (Ausschnitt).
| Auch von Schiller inspiriert: Ritter Toggenburg, um 1875 (Ausschnitt).
 
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