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WÜRZBURG
Sparpläne bedrohen Dialysepatientin
Von unserem Redaktionsmitglied Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:58 Uhr

Die Krankenkassen sparen bei rund 70 000 Dialysepatienten in Deutschland. Seit 1. Juli zahlen die Kassen nicht mehr rund 520 Euro pro Patient und Woche, sondern einen deutlich geringeren Betrag, der zwischen 400 und 485 Euro angesiedelt ist. „Die Sparmaßnahmen gefährden die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung“, sagt Andreas Bonn, Sprecher des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation e.V. (KfH), das bundesweit etwa 200 Dialysezentren betreibt. Werde die Kürzung, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung ausgehandelt haben, nicht zurückgenommen, seien Einsparungen unumgänglich, so Bonn. Auch wenn das Kuratorium versuchen werde, zunächst bei „patientenfernen Leistungen“ zu sparen, seien doch Einsparungen erstens bei der „Flexibilität im Schichtangebot“, zweitens „im Leistungsangebot etwa bei der Nachtdialyse“ und drittens bei der „sozialen Beratung“ angedacht und möglicherweise unumgänglich.

„Die Leute, die solche Kürzungen beschließen, zerstören Lebensentwürfe.“
Martina Lelito Kitzinger Dialysepatientin

Käme es tatsächlich zu Einsparungen bei der Nachtdialyse, bedeutete das für die Kitzingerin Martina Lelito die Katastrophe. Die 45-jährige Mutter ist seit elf Jahren nierenkrank. Seit vier Jahren muss sie alle zwei Tage zur Blutwäsche nach Würzburg fahren; behandelt wird sie in einem der sieben Nierenzentren, die das Kuratorium in Unterfranken betreibt. Weil Lelitos 20-jährige behinderte Tochter ein Anfallsleiden hat und rund um die Uhr überwacht werden muss, nutzt die Kitzinger Mutter dankbar die vom Würzburger Nierenzentrum angebotene Möglichkeit der Nachtdialyse. „Für uns ist das optimal. Mein Mann ist ja dann nachts zu Hause bei der Tochter; kann auf sie aufpassen.“ Derweil läuft bei Martina Lelito – sieben Stunden jede zweite Nacht – die Maschine, die das Blut reinigt. „Morgens um fünf Uhr ist die Dialyse zu Ende; ich fahr dann heim und helfe meiner Tochter. Sie kann manchmal nicht allein aufstehen“, sagt Lelito. Die ganz große Katastrophe in ihrem an Katastrophen nicht eben armen Leben träte für Martina Lelito dann ein, wenn aus Kostengründen ihr Würzburger Nierenzentrum die Möglichkeit der Nachtdialyse einstellte. „Dann müsste ich ja tagsüber an die Maschine! Und wer kümmerte sich dann um die Tochter? Was soll ich denn dann machen – außer sie ins Heim zu geben?“

Gegenüber dieser Zeitung spricht Lelito aber nicht nur über ihre eigenen Ängste. Ihr ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die etwaige Streichung der Nachtdialyse viele Leben verschlechtern wird, nicht nur ihres. Gerade jüngere Dialysepatienten seien auf die Nachtdialyse angewiesen, um tagsüber arbeiten zu können, sagt sie. Bei der siebenstündigen Nachtdialyse werde das Blut auch optimal gereinigt, weiß Lelito. „Und je jünger die Nierenpatienten sind, umso wichtiger ist, dass sie mit ihrer Krankheit gut leben können. Nachtdialyse – das bedeutet Lebensqualität für uns! Die Leute da oben, die solche Kürzungen beschließen, die haben keine Ahnung, dass sie damit Lebensentwürfe zerstören.“

Dass dann, wenn Einsparungen unumgänglich sind, ausgerechnet an der Nachtdialyse gespart wird, ist wirtschaftlich gesehen logisch: Nierenärzte aus der Region berichten, dass sich die Dialysepauschale aus Kosten für Strom, Wasser, Heizung, Material, Technikerkosten, Raummiete und – vor allem – Personal zusammensetze. Am Personal selbst könne man kaum sparen; die Zeiten, die das Personal arbeite, könne man aber verändern. Nachtzuschläge sind, rein ökonomisch, einsparbar.

Im Moment kann Martina Lelito nachts noch Blutwäsche machen. „Derzeit muss unser Zentrum noch keinerlei Maßnahmen einleiten. Somit bleibt die Nachtdialyse vorerst unangetastet“, teilt Dr. Udo Bahner mit, Leitender Arzt des KfH-Nierenzentrums in Würzburg. Doch Kuratoriumssprecher Bonn, der für alle 200 KfH-Zentren spricht, verspricht die Fortführung der Nachtdialyse für alle Zentren nicht. Er könne auch nicht ausschließen, dass gerade im ländlichen Bereich „punktuell Zentren“ geschlossen werden müssten, so Bonn. Übrigens wird nicht nur im Kuratorium über Sparmöglichkeiten nachgedacht. Auch niedergelassene Nierenärzte aus der Region prüfen Sparvarianten, wie sie bestätigen.

 
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