Die nächsten Wochen könnten etwas ungemütlich werden für Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Er muss erklären, warum es trotz aller Beteuerungen und Prognosen 2011 wohl wieder einen Rekord beim Neubau von Solaranlagen gegeben hat. Überkapazitäten und Konkurrenz aus China lassen die Preise purzeln. Was auf den ersten Blick positiv ist für die Energiewende, hat einen Haken: Die Bürger kostet das wegen der üppigen Förderung Milliarden.
Allein im Dezember wurden Anlagen mit 3000 Megawatt angemeldet – so viel wie nie zuvor in einem Monat. Im ganzen Jahr 2011 waren es nach Schätzungen der Bundesnetzagentur 7500 Megawatt. Bei voller Sonneneinstrahlung entspricht das immerhin der Leistung von fünf Atommeilern. Mittlerweile gibt es mehr als eine Million Solaranlagen.
Die Verbraucher müssen in diesem Jahr 3,59 Cent je Kilowattstunde über den Strompreis für die Ökoenergieförderung bezahlen. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr macht das etwa 125 Euro pro Jahr aus.
Die Fraktionschefs von Union und FDP, Volker Kauder (CDU) und Rainer Brüderle (FDP), wollen, dass es nicht mehr wird. Sie haben Röttgen bis zum 25. Januar Zeit gegeben, Vorschläge zur Zukunft der Solarförderung vorzulegen. Der Minister will mit der Photovoltaikbranche in der übernächsten Woche beraten, wie es nun weitergehen soll. Er schließt weitere Kürzungen nicht aus.
Röttgen setzt bisher auf einen „atmenden Deckel“. Gibt es eine bestimmte Menge neu installierter Leistung bei Solaranlagen, sinkt die Förderung. Im Januar wurde die Förderung daher um 15 Prozent auf 24,43 Cent je Kilowattstunde Solarstrom vom Hausdach gesenkt. Wohl auch deshalb kam es Ende 2011 noch zu einem solchen Solarboom.
Röttgen wurde wegen der Kürzungen schon als „Totengräber“ der Solarbranche bezeichnet – nun könnte selbst fast eine Halbierung der Förderung seit 2009 zu wenig sein. Denn geht der Zubau so weiter, könnten die Bürger angesichts der Kosten den Sinn der Energiewende infrage stellen. Noch im November ging Röttgens Ministerium von einem starken Rückgang bei neuen Solaranlagen aus. Nun ist die Überraschung groß und dürfte den Konflikt mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) befeuern, der eine Förderdeckelung auf 1000 Megawatt pro Jahr will. Die Solarbranche fürchtet dann einen Einbruch um 90 Prozent.
In Röttgens Haus ist man ebenfalls gegen einen festen Solardeckel: „Weder Verbraucher noch Industrie hätten in Zukunft Planungs- und Investitionssicherheit.“ Auch mehrere Bundesländer sind dagegen. Die Schweiz zum Beispiel setzt hingegen auf ein solches System – alle Interessenten kommen auf eine Liste und können so sehen, ob und wann sie eine Förderung bekommen können. In Deutschland funktionierte etwa bei der Abwrackprämie eine feste Deckelung der Förderung.
Bis zu acht Milliarden Euro an Förderkosten nur für Sonnenstrom sind es 2011 gewesen – dabei steuerte Solarenergie nur drei Prozent des Stroms bei. Zum Vergleich: Rund 5,5 Cent netto kostet die Kilowattstunde Strom – für Sonnenstrom vom Hausdach gibt es 24,43 Cent Vergütung. Die Differenz zum Marktpreis zahlen die Verbraucher per Ökoenergie-Umlage über den Strompreis. Windstrom an Land ist effektiver, hier liegt die Vergütung nur noch bei rund neun Cent.
Da die Förderung gemäß des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf 20 Jahre garantiert wird, können sich bei der derzeitigen Förderhöhe die Kosten pro 1000 Megawatt an neuen Solaranlagen auf zwei Milliarden Euro belaufen, heißt es in Branchenkreisen.
Das Paradoxe: Viele deutsche Solarfirmen profitieren kaum davon, gerade erst meldeten mit Solon und Solar Millennium zwei deutsche Branchenvertreter Insolvenz an.
Konzept gescheitert
Die Sieben-Kilowatt-Dachanlage ist schon für weit unter 15 000 Euro zu haben. Die Förderkürzungen halten mit dem Preisverfall nicht stand. Im Juli gibt es zwar eine Kappung um weitere zwölf bis 15 Prozent – doch reicht das? Denn durch den Boom steigen die Kosten für die Bürger, auch der Hartz-IV-Empfänger zahlt die Renditen der Hausbesitzer mit Solaranlage. „Das Konzept des atmenden Deckels ist gescheitert“, sagt der Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, Holger Krawinkel. Kritiker sagen, Solarenergie bringe in Deutschland mangels Sonnenstunden eher wenig. FOTO: dpa