Stefan Schöner ist krank, wie er selbst sagt. Das „Kreuzfahrtvirus“ habe ihn befallen. Damals, im Jahr 2001, als er mit seiner Frau Helga das erste Mal eine Schiffsreise unternahm. 19-mal war das Paar seither in einem schwimmenden Hotel unterwegs. Man kann also sagen, dass Stefan Schöner ein wahrer Kreuzfahrt-Fan ist. Aber: „Ich bin in gewisser Weise auch ein Spötter“, sagt der 50-Jährige. Skurril und eigenwillig sei das, was er manchmal an Bord erlebt. Seine Erlebnisse und Beobachtungen sind Anreiz für Kurzgeschichten, bereits der dritte Band ist erschienen.
Da wären zum Beispiel die Zuschauer im abendlichen Schiffstheater. Ähnlich wie mit dem viel gescholtenen Handtuch auf der Poolliege werden dort die besten Plätze reserviert. Vielleicht zwei Mitglieder einer größeren Gruppe sind tatsächlich rechtzeitig im Theater, besetzen aber vorsichtshalber die erste Reihe für die ganze Sippe – die dann aber doch nicht auftaucht.
Das Licht geht aus, die Vorstellung beginnt. Die Gelegenheit für alle, die grummelnd weiter hinten Platz genommen haben. „Es ist schon lustig zu sehen, wie dann im Dunklen mehrere Leute gleichzeitig die selben Plätze ansteuern“, findet Schöner. Eine Art blindes Wettrennen, bei dem die Unterlegenen in der Dunkelheit zurück auf ihre miesen Plätze schleichen müssen. „Auf die Plätze“ hat Schöner die zugehörige Kurzgeschichte genannt.
Auf Kreuzfahrten, da herrschten schon ganz eigene Regeln, sagt der Niederwerrner. Neben den Kurzgeschichten verfasst der 50-Jährige ausführliche Reiseberichte und stellt auf seiner Internetseite urlaub-auf-hoher-see.de jedes Schiff detailliert vor. Auch ein Kreuzfahrt-Krimi ist mittlerweile erschienen. Die lustigen Erlebnisse wandern in die Kurzgeschichten – die sonderlichen Eigenheiten der Passagiere, die schwer nachvollziehbare Zusammenhänge, die ganz eigenen Gesetze.
Zum Beispiel in Sachen Hygiene. Offenbar „mehr aus formalen als aus hygienischen Gründen“ sind Kreuzfahrer angehalten, sich ständig die Hände zu desinfizieren. Am ersten Tag der Kreuzfahrt bat ein Aufsteller am Eingang des Speisesaals um die Benutzung des keimtötenden Mittels. Doch weil ganz offensichtlich viele Hungrige die Regel missachteten, stand am zweiten Tag ein Steward mit dem Mittelchen in der Hand an der Tür. Doch auch diesem sozialen Druck wollten sich Helga und Stefan Schöner widersetzen – ihre Hände waren von der vielen Alkoholtunke schon ganz aufgerissen. „Wir haben uns also an der Steward vorbeigeschlichen“, erzählt Schöner, „und sind direkt in die Arme des Oberkellners gelaufen.“ Das Ende vom Lied: „Der Mann hat uns förmlich in dem Zeug gebadet.“
Oder die Geschichte mit dem Landgang in Italien. Kennen Sie „Das Haus, das Verrückte macht“ aus dem Film „Asterix erobert Rom“? Darin müssen Asterix und Obelix in der Verwaltung einen „Passierschein A38“ besorgen – und drehen beim Rennen von Schalter zu Schalter fast durch. Ungefähr so muss es gewesen sein. Stefan Schöner und seine Frau wollten auch Rom erobern, das Schiff hatte im nahen Kreuzfahrthafen von Civitavecchia festgemacht. Auf eigene Faust wollten die beiden mit dem Zug in die italienische Hauptstadt. Doch der Steward an der Gangway wies sie barsch ab: „Wo ist ihr Ausschiffungsbuchstabe?“ Die Niederwerrner hatten noch nie von dergleichem gehört. Doch ohne Ausschiffungsbuchstabe kein Landgang, das Ding sei abzuholen in der Diskothek. Also hoch auf Deck 8. Dort dann gefälligst nur über den Backbordgang zur Disco (Steuerbordgang nur für Leute, die ihren Buchstaben schon haben). In der Disco warten, bis A,B,C,D,E,F und G abgefertigt sind und mit dem eigenen H schließlich wieder runter und an Land. Zwei Stunden nach ihrem ersten Versuch durfte das Ehepaar Schöner die Gangway passieren. „Manchmal bleibt einem der Mund offen stehen, angesichts von so viel Umständlichkeit“, sagt Schöner.
Im Nachhinein kann er über so etwas dann lachen. Er fährt trotzdem immer wieder mit. Insofern unterscheidet er sich auch vom verstorbenen US-Autor David Foster Wallace. Der nahm einmal an einer Kreuzfahrt teil und schrieb hinterher seiner Beobachtungen auf. „Schrecklich amüsant, aber in Zukunft ohne mich“ heißt das Buch. Stefan Schöner plant schon wieder den nächsten Trip in die verrückte Kreuzfahrt-Welt.
Die Bücher von Stefan Schöner sind im Westflügel-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich. „Urlaub auf hoher See“, „Mehr Urlaub auf hoher See“ und „Im Trockendock“ kosten je 13,90 Euro.