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Serie 70er: Die wilde Jugendzeit der Disco
70er Jahre: Der Beginn der Disco-Kultur hat mit der Spiegelkugel Spuren bis heute hinterlassen. Auch in Würzburg tanzte die Jugend zur Musik von Barry White, KC and the Sunshine Band oder den Commodores.
Disco-Inferno im Odeon 2000: In den 70er Jahren begann auch in Würzburg die Disco-Ära.
Foto: Rudi Schmidt/Lothar Michel | Disco-Inferno im Odeon 2000: In den 70er Jahren begann auch in Würzburg die Disco-Ära.
Von unserem Redaktionsmitglied Ernst Lauterbach
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:52 Uhr

Siebziger Jahre. Das Jahrzehnt der Schlaghosen, buschigen Koteletten und der Discokugel. Auch wenn die spiegelnde Discokugel erst mit dem Film „Saturday Night Fever“ 1977 so wirklich ihren Weg über den großen Teich fand, gab es auch ohne sie zuvor in Würzburg schon eine „Disco-Szene“. Drei Clubs kommen wohl jedem in den Sinn, der diese Zeit miterlebt hat: Der Piper's Pub in der Eichhornstraße und das Tiffanys in der Sanderstraße, beide von Rudi Schmidt, und das Odeon 2000 von Lothar Michel in der Augustinerstraße. Beide sind auch heute noch in der Stadt ein Begriff, Rudi Schmidt durch seine Szene-Läden Airport, Studio und den Zauberberg. Lothar Michel als Teilhaber des Cineworld im Mainfrankenpark, das dem Würzburger Großraumkino Cinemaxx trutzig die Stirn bietet.

„Wir waren aber nicht die einzigen“, sagt Rudi Schmidt, „da gab es zum Beispiel ja auch noch das Caveau, den Studentenkeller unter der Stadtmensa, das Tiffany in der Sanderstraße, das Monokel im Bavaria-Haus, das Take Five in der Haugerpfarrgasse, das Aqualung am Vierröhrenbrunnen und ein ganz finsteres Kellerlokal in der Karmelitenstraße, das hieß ,Off'“.

19 Jahre alt war Rudi Schmidt, als er, bedingt durch den Tod des Vaters, 1969 den Pferdestall übernahm und 1973 zum Piper's Pub umgestaltete. „Das war ein elend langer Schlauch“, erinnert er sich, „gerade mal acht Meter breit, dafür aber 20 Meter lang, da passten höchstens 200 Leute rein. Das war eine sehr interessante Zeit, alleine wenn ich nur an die Klamotten denke, irgendwie waren die 70er meine Lieblingszeit“, sagt er. „Da gab es den Hippie-Style mit Schlaghosen und bunten Hemden und den Dandy-Style. Als Dandy trug man taillierte Hemden, Sakko, schmale Krawatten und enge Hosen, alles aus edlen Materialien, das war die eindeutig schickere Abteilung“, weiß er zu berichten.

Als Rudi anno 1978 im Piper's Pub eine Spiegelkugel montierte und zeitgleich die Lichtanlage aufrüstete, war es ihm sogar eine Umfrage in seiner Clubzeitschrift „Piper's Pub aktuell“ wert. Fazit: Es gefiel den Gästen, auch in Würzburg hielt das „Saturday Night Fever“ Einzug.

„Auch bei uns im Odeon 2000 hatten wir dann später selbstverständlich so eine Discokugel“, erinnert sich Lothar Michel, der am 2. Mai 1970 das Odeon 2000 in den früheren Odeon-Lichtspielen in der Augustinerstraße eröffnete. „Die Zahl 2000 hatte damals irgendwie etwas magisches für uns“, weiß er. Zur Eröffnung spielte die Band Shocking Blue, die damals mit ihrem Hit „Venus - she's got it“ Erfolge feierte. „Die Musik im Odeon war sehr international“, erzählt Michel. Im Lauf der Jahre hatten viele Stars ihren Auftritt im Odeon 2000: Graham Bonnie, Christian Anders, Paola, Costa Cordalis oder Gunter Gabriel. Auch Frank Elstner, damals schon sehr bekannt und noch bei Radio Luxemburg, legte als Discjockey auf. Knapp 500 Gäste passten ins Odeon. Wie auch im Piper's Pub achteten bereits Türsteher auf ordentliches Aussehen. „Wir kannten uns untereinander und schätzten uns, und treffen uns noch heute jedes Jahr im März im Studio“, erinnert sich Michel an das Verhältnis zu Rudi Schmidt oder Helmut Schumann vom Monokel.

Auch im Piper's Pub gab sich die Prominenz die Ehre. „1978 hatten wir Eric Burdon nach einem Auftritt als Gast bei uns, da war ich ein totaler Fan, auch die Uriah Heep oder Wolfgang Ambros und Udo Lindenberg kamen nach ihren Auftritten“, erinnert sich Schmidt. „Musikalisch waren die beiden Läden in Würzburg schon etwas besonderes“, sagt er. „Ich wollte im Piper's Pub einen Laden mit Musik, die man nicht überall hörte“. 1969 lernte er seine spätere Frau Anni kennen, die in München lebte. „Da bin ich oft nach München gefahren und habe Scheiben mitgebracht, die hier noch keiner kannte.“ 600 Langspielplatten und rund 2000 Singles kamen so im Laufe der Jahre zusammen. „Auch die Einrichtung und Türpolitik haben wir uns bei den Münchener Clubs abgeguckt, damit die Abende friedvoller blieben. Da hat man an der Tür irgendwie die meisten schon persönlich oder vom Sehen gekannt. Das war wie eine große Familie und Probleme ließen sich da meist ganz schnell lösen. Die Leute fanden gut, dass wir Türsteher hatten. Zumindest die, die rein kamen. Das Ausgehverhalten war damals ja noch ganz anders. Die Läden hatten nur einen Ruhetag, es ging schon gegen halb neun Uhr los, Sperrstunde war um drei Uhr morgens.“

„Musikalisch waren wir eher modern, da lag ja Woodstock erst ein paar Jahre zurück“, sagt Schmidt. „Es liefen Santana, Led Zeppelin oder Psychedelic Rock, das war zwar nicht jedermanns Musik, aber da mussten die Gäste durch“, sagt er. „Es wurde ja den ganzen Abend über gemischt, auch mit den „normalen“ Charts. „Piper's Pub Aktuell“, an dessen Produktion auch Rainer Adam und Peter Lorenz beteiligt waren enthielt auch immer zwei Plattenlisten, die „aktuellen“ und die „Insider“-Hits. Auch andere heute noch bekannte Namen tauchen damals schon auf. So kellnerte im Piper's Pub ein gewisser Thomas Petsch und der Vorschlag für den Namen „Tiffany“ kam von einem Mann namens Bernd Freier, der 1969 in der Herrnstraße auf gerade einmal 25 Quadratmetern eine Herrenboutique namens „Sir Oliver“ eröffnet hatte, erzählt Rudi Schmidt.

„Das Tiffany wurde sehr gut vor allem von Studenten angenommen, es wurde der Laden schlechthin, der sich von den anderen abhob, „da hat meine Frau Anni sehr viel dazu beigetragen“, sagt Rudi Schmidt. „Und im übrigen, weil es immer heißt, die Jugend heute sei gewalttätig. Das gab's früher auch schon, da hatte man damals wie heute keine Lust drauf.“ Im Tiffany gab es auch einen Drink mit den Namen Rudi Spezial: „Das waren vier Zentiliter Southern Comfort, mit Maracujasaft aufgefüllt, dazu Eis und ein Schuss Grenadinesirup.

Das Tiffany schloss bereits 1973 und mit dem Ende der 70er Jahre kam auch das Aus für den Piper's Pub (1980) oder das Odeon 2000 (1981). „Da kam dann die Zeit des Paramount in der Karmelitenstraße, das war so ein richtiger Hollywood Club vom Gerd Ehehalt und dem Sonny May“, weiß Schmidt. Aber das ist eine Geschichte für die 80er . . .

Frauen-Power der 70er: Rudi Schmidts Mutter Theresia (dritte von links) mit ihren Bedienungen im Pferdestall.
| Frauen-Power der 70er: Rudi Schmidts Mutter Theresia (dritte von links) mit ihren Bedienungen im Pferdestall.
Im Bugatti-Selbstbau mit Damen: (von links) Rainer Apel, Uwe Dietz, Peter Lorenz, Thomas Petsch und Rainer Adam.
| Im Bugatti-Selbstbau mit Damen: (von links) Rainer Apel, Uwe Dietz, Peter Lorenz, Thomas Petsch und Rainer Adam.
Man kannte sich – und schätzt sich bis heute: (von links) Rudi Schmidt, Helmut Schumann und Lothar Michel.
| Man kannte sich – und schätzt sich bis heute: (von links) Rudi Schmidt, Helmut Schumann und Lothar Michel.
Im Piper's Pub: Renate Betz (links), daneben Theresia Schmidt, rechts Rudi Schmidt und seine Frau Anni.
| Im Piper's Pub: Renate Betz (links), daneben Theresia Schmidt, rechts Rudi Schmidt und seine Frau Anni.
Sangria aus der Tonne       -
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