Romantischen Empfindungen vom Liebesleid bis zum schwärmerischen Naturerlebnis konnten die 50 Besucher des literarisch-musikalischen Kulturabends im alten Rathaus Obbach nachspüren. Theatermann Bernd Lemmerich und Sängerin Andrea Lettowsky lebten die Phantasiewelt der Romantiker beim ersten Abend des neuen Kulturvereins „Unser Obbach“ eindrucksvoll mit.
Der alte Schulsaal bot einen passenden Rahmen für Lemmerich – der Auszüge aus Novellen von Joseph von Eichendorff, Gottfried Keller und E.T.A. Hoffmann las, besser gesagt vorspielte. Seine Betonung, Tempo und Lautstärke der Stimme, lebhafte Mimik und Gestik ließ die himmelhochjauchzende oder zu Tode betrübte Stimmung eines Eichendorffschen „Taugenichts“ gegenwärtig werden. Mitleiden und Mitfreuen fiel den Besuchern da nicht schwer. „Das ist so schöne Literatur, die keiner mehr liest“, meinte der Obbacher Pädagoge, „aber die schöne Stimmung, die merkt man.“
Mit erzählerischen Einschüben erläuterte Lemmerich nicht nur die Lebensumstände der Autoren. Er half auch, deren Schreiben einzuordnen: Etwa die Novelle „Kleider machen Leute“ des Schweizers Gottfried Keller aus der Novellensammlung „Die Leute von Seldwyla“: „Das hat mit Romantik nicht mehr unbedingt zu tun, mehr mit praktischen Dingen“, leitete er zur Mitte des 19. Jahrhunderts und zum poetischen Realismus in der Dichtung über. Sein armes Schneiderlein Wenzel Strapinski ließ er schüchtern, edel und romantisch erscheinen, eingezwängt zwischen dem eilfertigem Wirt und der Köchin im „Gasthaus zur Waage“.
Mit Bemerkungen, wie „die Liebesgeschichte im 19. Jahrhundert war viel feiner als heute: Bis zum ersten Kuss dauert's 50 Seiten“, hatte Bernd Lemmerich die Schmunzler auf seiner Seite.
Nicht ganz einfach war es für die Zuhörer, „den irre begabten Menschen“ E.T.A. Hoffmann und seinen Candidaten Anselmus in der romantischen Novelle „Der goldene Topf“ zu begleiten. Sehr phantastisch und märchenhaft kamen manche Passagen daher, in denen die Alltagsrealität des Dresden am Beginn des 19. Jahrhunderts verschwamm. Ideale Ergänzung der Literatur war die Musik, die die Obbacher Musiklehrerin und ausgebildete Opernsängerin Andrea Lettowsky mitbrachte: Sie sang, am Klavier begleitet von Jutta Müller-Vornehm, romantische Lieder von Robert Schumann und Franz Schubert, die die Stimmung der Novellen widerspiegelten. Vom sehnsuchtsvollen Taubenlied über das Jäger- und Fischerlied bis zu „Wanderers Nachtlied“: Aufmerksame Stille begleitete ihr gefühlvolles „Über allen Gipfeln ist Ruh'“.
Angesichts des großen Interesses überlegte die Vorsitzende von „Unser Obbach“, Gabriele Jakob, neben den Vorbereitungen für das Dorfjubiläum 2013 eventuell im Herbst einen weiteren Kulturabend zu veranstalten.