Die Rufe aus der Politik nach einem wirksamen Anti-Doping-Gesetz werden lauter: Nachdem die „Main-Post“ und die „Märkische Oderzeitung“ bundesfinanzierte Dopingforschung Anfang der 70er Jahre an der Universität Freiburg aufgedeckt haben, fordert nun auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer eine Veränderung in der Gesetzgebung.
Nun gefundene Akten im Bundesarchiv belegen, dass vor den Olympischen Spielen 1972 in München im Auftrag des Bundes Experimente mit Anabolika, dem hochgefährlichen Insulin sowie Wachstumshormonen durchgeführt wurden. Auch Tierversuche mit Hundeherzen gehörten zum Programm, ebenso wurde die leistungsfördernde Wirkung der Anti-Baby-Pille untersucht. Auf die Frage, ob das für ihn Horrorvorstellungen seien, antwortete Horst Seehofer: „Ja. Das ist für mich unfassbar und eigentlich nicht zu glauben. Die Beweise sind nun jedoch offensichtlich so erdrückend, dass man es glauben muss.“
Doping, sagte Seehofer bei seinem Redaktionsbesuch in Würzburg, „zerstört den Sport“. Das zeige das Beispiel der Tour de France: „Ich wollte auch lange nicht glauben, dass die meisten, die da auf dem Rad sitzen, gedopt waren.“ Er schaue sich die Rundfahrt durch Frankreich nicht mehr im Fernsehen an, „weil ich einen ritterlichen Wettkampf mit sauberen Athleten möchte“.
Aus seinem Kabinett hat sich bereits Justizministerin Beate Merk in dieser Zeitung für ein „wirksames Anti-Doping-Gesetz“ ausgesprochen, sie fordert eine „Strafbarkeit des Besitzes von Arzneimitteln oder Wirkstoffen zu Dopingzwecken ab dem ersten Milligramm“. Seehofer in Würzburg: „Ich habe sehr viel Sympathie für Beate Merks Position. Es besteht in der Tat Anlass zu Überlegungen für eine Verschärfung des Kampfes gegen Doping. Alles was geeignet ist, dieses Problem besser in den Griff zu bekommen, wird von mir unterstützt.“ Allerdings müsse ein solches Gesetz auch wirksam sein, „ein Placebo macht keinen Sinn“, so der CSU-Chef.
Zunächst müsse jedoch die Frage der Zuständigkeit gelöst werden: Sport- oder Strafgerichtsbarkeit. „Bei der Strafgesetzgebung besteht das Problem, dass Sportler bei Verdacht nicht suspendiert werden können und diese etwa bei Olympischen Spielen starten dürften. Es ist also keine leichte Entscheidung, wir werden im Gespräch mit Experten das Thema vertiefen.“
Seehofer verspricht, den Punkt spätestens im Oktober auf die politische Tagesordnung zu nehmen: „Nach der Wahl werden wir das Problem, wie der Anti-Doping-Kampf wirksam verbessert werden kann, sicher in die Koalitionsverhandlungen aufnehmen, sowohl in Bayern wie auch im Bund.“
Schonungslose Aufklärung fordert indes Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag – und sie nimmt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) in die Pflicht: „Er muss dafür sorgen, dass der Forschungsbericht veröffentlicht wird“, sagte Bause in Schweinfurt. Wie berichtet, gibt es Streit um die Studie „Doping in Deutschland“, die Auftraggeber Deutscher Olympischer Sportbund sowie das dem Innenministerium unterstellte Bundesinstitut für Sportwissenschaften wollen die Ergebnisse aus Datenschutzgründen bislang nicht veröffentlichen. In diesem Fall dürfe man sich aber nicht „hinter dem Datenschutz verstecken“, sagte Margarete Bause weiter und warnt, vor „falscher Rücksichtnahme gegenüber den handelnden Personen“.
Aber auch die Sportverbände sind laut der bayerischen Grünen-Spitzenkandidatin gefordert: „Wenn der Spitzensport glaubwürdig bleiben will, müssen die Verbände mithelfen, damit die Fakten auf den Tisch kommen.“