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ELLMAU/GOING
Schönes Tirol, rezeptfrei
Idylle fürs Fernsehen: Jede Menge Komparsen sind mit von der Partie, wenn in Going Hans Sigl (am Mikrofon) den Bergdoktor spielt.
Foto: Ralf Hirschberger, dpa | Idylle fürs Fernsehen: Jede Menge Komparsen sind mit von der Partie, wenn in Going Hans Sigl (am Mikrofon) den Bergdoktor spielt.
dpa
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:33 Uhr

Der „Bergdoktor“ kann zwar nicht heilen, aber er macht seine Fans glücklich. Das ist offensichtlich an diesem strahlend schönen Sommertag in Tirol. Traumwetter, Traumkulisse und dann auch noch Dr. Martin Gruber höchstpersönlich. Für die rund 700 Menschen auf der Restaurantterrasse des Hartkaisers (1520 Meter) könnte es gerade keinen schöneren Ort geben. Hauptdarsteller Hans Sigl geht durch die Reihen und beantwortet mit Witz, Selbstironie und Herzlichkeit jede Frage.

Die Neugier der Fans – überwiegend Frauen, viele Kinder und auch einige Männer – ist groß, eine Stunde lang löchern sie ihr Idol. Ob der „Bergdoktor“ jemals heiraten wird? „Ich kann mir gerade nur schwer vorstellen, dass sich Martin Gruber mit einem Trauschein an Frau und Hof bindet und vielleicht noch einen Kita-Platz reserviert“, sagt Sigl. „Aber wer weiß, was noch passiert.“ Später schreiben Sigl und seine Schauspielkollegen Mark Keller und Natalie O'Hara geduldig Autogramme. Drei Stunden lang.

Momentan dreht das Filmteam am Wilden Kaiser die achte Staffel der ZDF-Erfolgsserie. Bis zu 7,5 Millionen Menschen haben bei den letzten Folgen eingeschaltet. 13 Episoden mit je 90 Minuten wurden zu Jahresbeginn ausgestrahlt. Die Fangemeinde wächst rasant. Das zeigt sich auch im Internet. „Im September hatten wir auf der Facebook-Fanseite rund 20 000 Likes, jetzt sind es mehr als 40 000“, sagt Anja Konen-Praxl, Pressesprecherin der Neuen Deutschen Filmgesellschaft (ndf). „Da geht es richtig ab“, findet Sigl.

Auch rund um Going und Ellmau ist der „Bergdoktor“-Hype enorm. Fans wandern zur Fernsehpraxis, zum „Gruberhof“ und zum Wirtshaus „Wilder Kaiser“ – alles fiktive Drehorte, aber daran stört sich niemand. Das Wirtshaus ist eigentlich ein Wohnhaus, und der Besitzer schützt sich mit einem Schild „Privat! Unbefugten ist der Zutritt verboten“ vor aufdringlichen Fans.

Die Arztpraxis ist ein leer stehender Bauernhof, in dessen Briefkasten der Postbote haufenweise Fanbriefe wirft. Adressiert „An den Bergdoktor, Ellmau“. Das Praxisschild ist schon mehrfach gestohlen worden, wie Viktoria Gruber vom Tourismusverband (TVB) Wilder Kaiser berichtet.

Beliebtes Ausflugsziel der Fans ist auch der „Gruberhof“. Hier wohnt die Serienfamilie. In Wirklichkeit wird der 400 Jahre alte Bauernhof von einer Familie aus Ellmau betrieben. Die Besitzer wohnen dort zwar schon lange nicht mehr, haben aber ihr Vieh im Stall und bewirtschaften die Wiesen rund um den Hof. „Ich hätte nie gedacht, dass das mal solche Ausmaße annimmt“, sagt der Hofbesitzer.

Immer öfter komme es vor, dass Fans plötzlich auf dem Hof stehen, während die Familie gerade ihr Vieh versorgt oder Heu macht. „Viele grüßen uns nicht einmal und fragen auch nicht, ob sie kurz kommen dürfen.“

Für den Tourismus am Wilden Kaiser ist der „Bergdoktor“ ein gigantischer Werbefaktor. Das ZDF liefert den Zuschauern regelmäßig postkartenschöne Panorama-Aufnahmen des Gebirgsmassivs in die Wohnzimmer. Selbstverständlich scheint immer die Sonne. „Die Serie wird im Winter ausgestrahlt, wenn die Menschen ihren Sommerurlaub planen. Das ist für uns natürlich ideal“, sagt Lukas Krösslhuber, TVB-Geschäftsführer.

2011 startete der Verband eine Umfrage unter den Urlaubsgästen und wollte auch wissen, welche Fernsehsendung mit ausschlaggebend war für die Entscheidung, den Urlaub am Wilden Kaiser zu verbringen. „78 Prozent kreuzten den 'Bergdoktor' an.“

Längst wird die Serie nicht mehr nur in Deutschland und Österreich ausgestrahlt. In Italien, Kroatien oder Polen hat sie ebenso ihr Publikum wie in Indien, China und Thailand. Die Erfolgsformel des „Bergdoktors“ scheint simpel: Mit einem Augenzwinkern erzählte Geschichten, beliebte Schauspieler und die einzigartige Bergkulisse. Vom typischen Heimatschnulzen-Klischee a la Hansi Hinterseer setzt sich die Serie bewusst ab.

Das hat sich auch innerhalb der Branche herumgesprochen. „Früher wurden wir belächelt“, sagt Sigl, „aber die Akzeptanz wächst.“ In Österreich gibt es eine Briefmarke mit Hans Sigl drauf.

Ein Ende der Serie ist nicht in Sicht: 2015 wird die neunte Staffel gedreht.

 
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