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UNTERFRANKEN
Schmallenberg-Virus erreicht die Region
Im Landkreis Main-Spessart ist zum ersten Mal in Bayern der neuartige Erreger nachgewiesen worden. Noch sind vor allem Lämmer betroffen, doch bald könnte es auch missgebildete Kälber geben.
Von unserem Redaktionsmitglied Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:48 Uhr
Opfer des Schmallenberg-Virus? Ein missgebildetes Lamm wird in Krefeld auf das Virus untersucht.
Foto: DPA | Opfer des Schmallenberg-Virus? Ein missgebildetes Lamm wird in Krefeld auf das Virus untersucht.

Im Moment kommen in unterfränkischen Schafställen die Lämmer auf die Welt. Normalerweise ist die Lammzeit eine gute Zeit für Schäfer, schließlich sind die Lämmer ihr Kapital. Doch zurzeit geht bei Schäfern, Rinder- und Ziegenhaltern in ganz Deutschland die Angst um: Ein neuer Erreger breitet sich aus, das sogenannte Schmallenberg-Virus. In Bayern hat sich am gestrigen Donnerstag bei einer Schafherde im Gemündener Ortsteil Wernfeld (Lkr. Main-Spessart) der erste Fall bestätigt. Der Krankheitserreger wurde in Milz und Gehirn eines verendeten Lamms festgestellt. Den Fall bestätigte das Veterinäramt des Landkreises Main-Spessart. Bislang sind vor allem Schafe betroffen, aber auch bei Rindern könnten bald Fälle auftreten, da die meisten erst Ende Februar, Anfang März kalben.

Wahrscheinlich übertragen Gnitzen, eine kleine Stechmückenart, die auch für die Übertragung der 2007 erstmals in Unterfranken aufgetretenen Blauzungenkrankheit verantwortlich ist, die Krankheit. Wird ein Muttertier mit dem Virus infiziert, kommen die Jungen missgebildet mit einem gekrümmten Hals oder verkrüppelten Beinen auf die Welt. Neben dem bestätigen Fall in Wernfeld gibt es sechs weitere Verdachtsfälle bei Schafen in den Landkreisen Aschaffenburg, Main-Spessart und Miltenberg. Die Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet. Darüber hinaus kann Johannes Hardenacke, Sprecher der Regierung von Unterfranken, derzeit von einem Verdachtsfall bei Rindern am Untermain berichten.

Der Wernfelder Schäfer, bei dessen Tieren sich der Verdacht auf das Schmallenberg-Virus bestätigt hat, hatte bislang zwei Lämmer, die die typischen Missbildungen aufwiesen, sagte er auf Anfrage dieser Zeitung. Eines der Lämmer hat sogar ein Zwillingslamm, das aber offenbar gesund ist. „Tot geborene Lämmer haben wir immer wieder“, nur seien die nicht so verkrüppelt wie die zwei jetzt betroffenen Lämmer, sagt der Schäfer. Die anderen 300 Lämmer, die in den letzten Wochen auf die Welt gekommen sind, seien gesund, während in anderen Bundesländern bis zur Hälfte der Lämmer tot geboren würden. Er frage sich jetzt, ob auch die Kühe seines Nachbarn, die in den nächsten Wochen kalben werden, vom Schmallenberg-Virus befallen sind. Folgen muss er bislang nicht befürchten, eine Behördenvorgabe, dass ein betroffener Hof gesperrt werden muss, existiert nicht.

Ein Schäfer aus Frammersbach (Lkr. Main-Spessart) hat bis jetzt vier oder fünf Lämmer zu beklagen, die vermutlich Opfer des Schmallenberg-Virus wurden. „Die waren verdreht“, sagt er. Manche sind gleich tot auf die Welt gekommen, andere hätten noch gelebt. „Aber die sind gar nicht auf die Beine gekommen“, sagt seine Frau. Der Schafhalter habe beim Anblick der Lämmer an Kinder denken müssen, die von Contergan geschädigt wurden. Auch früher habe es schon Lämmer mit derlei Missbildungen gegeben, allerdings waren das immer Einzelfälle. Ein dritter Schäfer aus Schaippach, ebenfalls Landkreis Main-Spessart, berichtet von zwei Lämmern mit „einem Schwanenhals und versteiften Gelenken“, bei denen Verdacht auf das Schmallenberg-Virus besteht.

Veterinärdirektor Dr. Franz Arand vom Landratsamt Main-Spessart kommt bei Verdachtsfällen zu den betroffenen Tierhaltern und nimmt von den Mutterschafen, die Missgeburten erlitten haben, Blutproben. Verdächtige Lämmer und Proben werden an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Erlangen) und an das Friedrich-Loeffler-Institut (Greifswald) geschickt. Viel mehr könnten die Veterinärämter auch nicht tun, so Arand. Wenn eine Schafherde infiziert ist, müsse damit gerechnet werden, dass jedes fünfte neugeborene Lamm missgebildet oder tot ist.

Johannes Hardenacke von der Regierung von Unterfranken weiß von einer bundesweiten Beobachtung des Virus zu berichten, bei der von Tieren Blutproben genommen werden. In Unterfranken werden derzeit in fünf Landkreisen sechs Rinder- und acht Schafherden untersucht.

 
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