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OBBACH
Schloss-Geheimnissen auf der Spur
Pause vor dem Schloss: Als Gelände für die Universität Bamberg, dient das Obbacher Schloss den künftigen Denkmalpflegern.
Foto: sILVIA eIDEL | Pause vor dem Schloss: Als Gelände für die Universität Bamberg, dient das Obbacher Schloss den künftigen Denkmalpflegern.
Von unserer Mitarbeiterin Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:53 Uhr

Einen großen Ballsaal sucht man in Schloss Obbach vergebens – noch. Vielleicht finden die jungen Bauforscher aber Erklärungen, warum und wann welche Wände des Gebäudes zusätzlich eingemauert oder abgerissen wurden. Oder wieso die Schornsteine auf dem Dach verändert wurden. Oder wann grün-floral bemalter Putz übertapeziert wurde – ein ideales Übungsfeld für die Studenten des Masterstudiengangs Denkmalpflege der Universität Bamberg.

Geschäftig, aber ruhig geht es zu im Alten Schloss, gebaut Ende des 17. Jahrhunderts, und im daran angesetzten Neuen Schloss aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Überall in den Fluren, den beiden Treppenhäusern und in den zahlreichen leeren Räumen sind junge Leute mit Laptops, Kameras oder Werkzeug zugange. Es wird diskutiert, geschrieben, nachgedacht, mal eine Wand aufgeklopft oder ein Holz vom Fußboden entfernt. In kleinen Gruppen oder alleine untersuchen die angehenden Bauforscher auch Türen und Fenster, Treppenbrüstungen oder Fugen der Außenfassade.

Eine technische und historische Gebäudeanalyse steht für die 22 Studierenden an, die für eine intensive Praxiswoche den Hörsaal der Uni Bamberg mit dem Gelände des Obbacher Schlosses tauschen. Bereits zum dritten Mal ist Professor Stefan Breitling im Rahmen der Ausbildung seiner Masterstudenten hier. Sein Fach ist die Bauforschung und Baugeschichte am Institut für Archäologie, Denkmalkunde und Kunstgeschichte (IADK).

Ideales Terrain für Bauforscher

„Wir analysieren die historische Baukonstruktion, beschreiben, wie sie sich verändert hat, was umgebaut wurde, ob es Umnutzungen und Restaurierungen gab“, erklärt der Professor. Daraus könne man sich dann eine Meinung bilden, über Risse oder sonstige Schadensbilder. Denn oft würden durch mangelndes Verständnis der Zusammenhänge an einem Gebäude, an seinen Entstehungsbedingungen und seiner Entwicklungsgeschichte Schäden angerichtet, wenn saniert oder umgebaut würde.

Für die Bauforschung und die studentische Ausbildung seien Schlösser ideal, sagt Breitling. Wegen ihrer Größe, weil für alle Studierenden genügend Räume zur Analyse und zum ungestörten Arbeiten zur Verfügung stünden, wegen ihrer Vielfalt an Bauhandwerken, wegen ihrer meist ausgeprägten Baugeschichte. Weshalb sein Lehrstuhl das Angebot seines Kollegen, des Archäologie-Professors Andreas Schäfer, gerne angenommen habe. Dessen Familie, die Schäfer GbR Schweinfurt, ist Eigentümerin des Obbacher Schlosses, das einst von der freiherrlichen Familie von Bobenhausen als Stammsitz gebaut wurde.

Eine Woche lang sind die Studenten auf dem Gelände untergebracht. Die gesamte Raumstruktur ist an der Reihe, jetzt müssen die Masterstudenten im zweiten Semester selbstständig eruieren, was sich am und im Gebäude wann und wie im Laufe der Zeit verändert hat. Und warum.

Gelegentlich sind dazu auch Öffnungen nötig, Sondagen, um zu sehen, ob sich unter dem Putz Fachwerk und Lehm oder anderes verbirgt. Aus der Zusammensetzung des Mörtels können Rückschlüsse auf die Bauzeit gezogen werden.

„Wir sind ursprünglich von drei bis vier Hauptphasen ausgegangen“, sagt Professor Breitling. „Aber eventuell gibt es 45 Phasen“, verdeutlicht er zahlreiche, im Detail bislang nicht bekannte Veränderungen am Gebäude. Denn nicht nur unter der Familie von Bobenhausen erlebte das Obbacher Schloss An- und Umbauten. An den zunächst errichteten großen Fachwerkbau, das Alte Schloss, ließ dieser Adel 50 Jahre später das Neue Schloss im Barockstil Balthasar Neumanns aus Sandsteinquader anbauen. Zahlreiche Besitzerwechsel kennzeichneten das 19. und beginnende 20. Jahrhundert.

Auch unter der Schweinfurter Firma „Erste Automatische Gußstahlkugelfabrik“, der späteren FAG Kugelfischer Georg Schäfer, wurde ab 1924 vieles am Gebäude verändert, je nach Nutzung für Wohnzwecke oder gar als Erholungsheim von „Kufi“. Bis ins Jahr 2000, der Eröffnung des Schweinfurter Museums Georg Schäfer, diente das Schloss als Depot für die Gemäldesammlung. Aus Sicherheitsgründen war es daher von der Öffentlichkeit zunehmend abgeschottet worden.

Bald auch Archäologen vor Ort

Nach der Überführung der Bilder kehrte Stille im Schloss ein. Sie wird seit 2010, seit die Schäfer GbR – die Erben von Diplom-Ingenieur Georg Schäfer – die Schlosseigentümer sind, immer häufiger unterbrochen. Nicht nur durch Feste, wie kürzlich zum 1200. Jubiläum von Obbach. Sondern vor allem durch wissenschaftliche Forschungen der Universität Bamberg. Neben den künftigen Denkmalpflegern werden im Sommer auch Archäologen im Rahmen ihres Studiums hier der Vergangenheit auf die Spur gehen. Es herrscht wieder Leben auf dem Schlossgelände.

Unter der Tapete: Masterstudent Michael Wittmann nimmt im Obbacher Schloss eine Sondage vor. Hinter der Tapete kommt Bemalung zum Vorschein, unter dem Putz steckt im Mörtel Stroh und Holz.
Foto: sILVIA eIDEL | Unter der Tapete: Masterstudent Michael Wittmann nimmt im Obbacher Schloss eine Sondage vor. Hinter der Tapete kommt Bemalung zum Vorschein, unter dem Putz steckt im Mörtel Stroh und Holz.
 
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