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HANNOVER
Scheitern als Chance – Krisen im Job meistern
Von dpa-Korrespondent Christian Vey
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:39 Uhr

Es ist im Beruf wie im Sport: Verlieren tut weh. Da hilft es auch nicht, wenn andere einem tröstend auf die Schulter klopfen und sagen, dass man gar nicht so schlecht gespielt hat. Die Verlierer liegen erst einmal auf dem Boden und schleichen später mit hängenden Köpfen vom Platz. Das geht auch Arbeitnehmern so, wenn ein Projekt danebengeht oder sie ihren Job verlieren. Hinterher heißt es aber: Mund abputzen und weitermachen, wie schon Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn predigte. Dann kann das Scheitern auch eine Chance sein.

Zuerst einmal geht es aber darum, die Niederlage zu verdauen und die negativen Gefühle zu verarbeiten. „Dieser Trauer muss man auch etwas Raum geben“, sagt Rainer Thiel aus Hannover vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung. Wer einen Karriereknick erlebt, solle sich Zeit zum Durchatmen nehmen, bevor der Neustart in Angriff genommen wird.

Thiel spricht aus eigener Erfahrung. Eigentlich wollte er Lehrer werden, hatte Studium und Referendariat zu Ende gebracht. „Im mündlichen Examen habe ich mir aber eine Drei eingefangen, damit war damals an eine Schullaufbahn nicht zu denken.“ Natürlich habe er sich sehr schlecht gefühlt und Zeit gebraucht, um die Situation zu akzeptieren. Heute lacht er darüber, denn er ist sicher, das Beste daraus gemacht zu haben. „Vermutlich bin ich als Berufsberater besser, als ich als Lehrer je gewesen wäre.“

Heute: Karriere nicht berechenbar

Einige Zeit hielt sich Thiel mit kaufmännischen Jobs über Wasser. Bald merkte er aber, dass er großen Spaß daran hat, Menschen zu beraten, besonders im Einzelgespräch. „Ich ziehe eine unglaubliche Befriedigung aus dem Gefühl, dass mein Gegenüber aus dem persönlichen Gespräch mit einem Plan herausgeht und ihn umsetzen will.“ Thiel ist sicher, dass er dabei stark von seiner pädagogischen Ausbildung profitiert.

Es sei nicht ungewöhnlich, dass jemand einen völlig anderen Beruf ausübt, als seine Ausbildung vermuten lässt, weiß auch Gerd Reimann, Wirtschaftspsychologe aus Potsdam. „Heute ist es Normalität, dass die Karriere nicht komplett berechenbar ist.“ Das bringt aber auch zwangsläufig Niederlagen mit sich – und die sind häufig nicht leicht zu verdauen. „Leichter ist es aber, wenn man einen Plan B hat“, weiß Reimann. Sein Tipp ist, ab und zu den eigenen Marktwert zu ermitteln. „Dafür kann man sich verdeckt bewerben, um zu sehen, ob man selbst und die eigenen Qualifikationen noch gefragt sind.“

In der Situation des Scheiterns grübeln viele vor allem über die Gründe nach. „Die meisten Leute haben dann nur die letzten Wochen und Monate im Blick, also die Zeit, in der es zum Knick kam“, sagt Reimann. Ein Fehler. Wenn schon über die Vergangenheit nachgedacht wird, rät er dazu, weiter zurückzublicken und eine Laufbahnbilanz zu ziehen. „Auch Erfolge müssen einbezogen werden.“ Auf diese Weise sei es einfacher, wieder eine positive Einstellung zum Beruf oder den Gedanken an Arbeit zu bekommen.

Ähnlich sieht das Astrid Overbeck, Karrierecoach aus München. „Man darf nicht nur darauf schauen, was alles falsch lief. Besser ist es, sich darauf zu konzentrieren, was gut war und was man davon mitnehmen kann“, ist ihr Rat.

Vielen Menschen in einer Karrierekrise falle es schwer, sich selbst darüber klar zu werden, wie sie weiter vorgehen wollen. „Wenn man es alleine versucht, sollte man seine Gedanken aufschreiben. Das hilft beim Sortieren“, sagt Overbeck. Besser noch sei es, in der Krisensituation das Gespräch zu suchen. „Am besten mit jemandem, dem man vertraut und dessen Urteil man auch akzeptiert.“

„Man muss vor allem herausfinden, wo die eigenen Kompetenzen liegen“, erklärt Thiel. Fragen wie „Was kann ich gut?“ und „Was mache ich gerne?“ seien wichtig. „Zur Situationsanalyse gehört auch die Frage: Was brauche ich für Rahmenbedingungen?“, fügt Overbeck hinzu. Teamarbeit oder doch lieber allein? Finanzielle Sicherheit und feste Arbeitszeiten oder Unabhängigkeit und freie Zeiteinteilung? Die Neuorientierung falle leichter, wenn die Antworten auf solche Fragen klar sind.

Auch wenn Scheitern zum Leben dazugehört und er generell zum offenen Umgang mit dem Thema rät: In Bewerbungsgesprächen würde Thiel davon abraten, einen aktuellen oder kurz zurückliegenden Karriereknick zu erwähnen. „Ist die Krise überwunden, kann man aber schon darüber sprechen.“ Denn dann sei es ja eine Erfolgsgeschichte.

 
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