Hauruck heißt es beim „ZF Sachs-Marktplatz-Sprint“ vor dem Schweinfurter Rathaus: Ein Oldie ist an der Auffahrt zur Startrampe hängen geblieben, eine herbeieilende Schar kräftiger Helfer muss ihn anheben. Sie sind halt doch schon etwas betagter, die 150 Schnaufer, die am Samstag beim 14. Sachs-Franken-Classic-Sprint in Schweinfurt an den Start gingen.
Das älteste Automobil der Bugatti Type 38, ein Rennwagen-Chromjuwel aus dem Jahr 1926. Auch wenn Hunderte Zuschauer den Platz bevölkern, (noch) bei Sonnenschein, zu den lockeren Rhythmen der „swing@sax“-Big Band: Das Zwischenspiel in der Hochburg des namengebenden Sponsors fällt dieses Jahr bescheidener aus, die zeitgleiche „Mille Miglia“ in Italien hat viele Vorkriegsmodelle in Beschlag genommen: Die Tausendmeilen-Rallye ist halt das Nonplusultra für Nostalgie-Rennfahrer.
Statt Rundkurs gibt es unterm Rückertdenkmal nur eine Kurz-Wertungsprüfung: Michael Hagemann moderiert. Der Fahrer muss seinen Edel-Schlitten über 20 Meter hinweg exakt binnen zehn Sekunden durch Ziel und Lichtschranke lenken, während der Beifahrer mit der Stoppuhr kontrolliert. Bei Zeitabweichung gibt's Strafpunkte – eigentlich mehr Geschicklichkeits- und Koordinationsprüfung an Gaspedal, Bremse und Kupplung als echter Sprint.
Der Münchner Promoter Hagemann steuert allerhand Geschichten rund um die Hochglanzkisten bei. Sei es nun der offene Bentley aus dem Jahr 1928 („ein Höhepunkt der Oldtimerei“) oder ein schwarzer Daimler Benz 300 SE/C, Baujahr 1964. Der kostete seinerzeit über 33 000 Mark, „den Gegenwert von sieben VW“. Nur, wer will sich gleich sieben VW in die Garage stellen? Ein blauer Swallow Sidecar-Company-SS-Viersitzer rauscht heran, aus den 1930ern. Nach 45, als die Initialen nicht mehr en vogue waren, wurde daraus „Jaguar“. Direkt aus der Anstalt jagt auch wieder der Obernburger Kabarettist Urban Priol herbei, im froschgrünen Renault 15 der 60er. Wartburg und Trabi sind mit von der Partie, amerikanische Chevys, einige Porsche und Italiener, manche Fahrer starten stilecht mit Silberhelm oder Lederkappe und „Fliegerbrille“.
Zuvor hatte man die Oldtimer in Schwebheim bewundern können. „Hupen, hupen!“ Auf der Kirchenmauer sitzen die jüngsten Zuschauer der Rallye und haben ihren ganz eigenen Spaß. Sie sind so begeistert, dass ein Mitarbeiter des Organisationsteams sie schließlich mit den blauen Rallye-Westen bestückt und den Fahrern sagt: „Da hinten in der Kurve müsst ihr hupen, die Kinder warten drauf.“ Ein Mitarbeiter erzählt: „Ich bin eigentlich aus Zellingen, aber ich hatte hier mein Auto in der Werkstatt, dann bin ich ein bisschen herumgelaufen und habe sofort gedacht, da müssen wir her.“ Der Kirchplatz erweist sich als gute Wahl für den Rundkurs der Oldtimer, etwa 500 Besucher säumen die Straße.
„Wir waren sonst immer in Schweinfurt“, erklärt Tobias Brand, „wir dachten, hier sei weniger los.“ Er schaut sich die Rallye „so gut wie jedes Jahr“ an. „Wann sieht man schon so viele Oldtimer?“, schwärmt er und staunt über die „guten Stücke im Wert eines Einfamilienhauses“.
„Wer so ein Auto hat, braucht nicht mehr arbeiten“, stellt ein Mitarbeiter fest und zeigt auf einen Jaguar, Baujahr 1938, Wert gut eine Million Euro. Aber es geht noch teurer: „Der Bugatti ist noch einmal eine halbe Million mehr wert.“ Die Zuschauer denken aber weniger an die Preise. Reinhard Scheller will „endlich mal vernünftige Autos sehen.“ Außerdem ist er wie viele andere auch auf Erinnerungstour. „Da kommt ein Opel GT, den habe ich selbst noch gefahren, der hatte damals schon 90 PS und war bis zu 190 Stundenkilometer schnell.“ Auch Peter Pankerl sieht „manches aus der Jugend, was damals noch auf der Straße war“. Felix Kupfer schwärmt: „Da waren Autos noch Autos und keine fahrenden Computer.“
Auch Glaskünstler Peter Johrend bekommt strahlende Augen, wenn er die Oldtimer betrachtet. „Ich habe selbst noch einen VW Käfer Cabrio, Baujahr 1972 in der Garage“, erzählt er. Das Startgeld der Rallye aber war ihm zu teuer und so reihte er sich in die Zuschauermenge ein.
Inge Ulsenheimer erinnert sich noch gut an die Oldtimer, die einst bei ihr in der Garage standen, „aber mit denen hatte man immer etwas zu tun“. Die vielen Reparaturen bewogen sie schließlich, die Oldtimer zu verkaufen und auf „moderne Autos“ umzusteigen. Dass einiges passieren kann, zeigte sich auch während der Rallye. Da kommt ein Fahrer mit ölverschmierten Fingern, der unterwegs die Ölwanne reparieren musste, und der Moderator sagt durch, ein Käfer-Cabriolet komme nicht – das habe gebrannt.
Die Rundtour führte über 500 Kilometer hinweg durch Unterfranken, mal gemütlich, mal mit Lichtschranken-Prüfung bis zum abschließenden „Concours d'Elegance“ in Bad Kissingen, dem reinen Schönheitswettbewerb. Gequalmt wurde für den guten Zweck: Erstmals gab's eine Benefiz-Weinprobe zu Gunsten der Schweinfurter Tafel. Dann war da noch die rüstige Seniorin, die vom Rollator aus das Geschehen am Markt verfolgte: „Ich bin Baujahr 1927“.