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WÄSSERNDORF
Ruine Wässerndorf: Eine Kulisse für Hitchcock
Zwei Wochen lang züngelten die Flammen lichterloh auf Schloss Wässerndorf (Lkr. Kitzingen), dann war von den einstigen Schätzen nichts mehr übrig. Heute ranken sich nur noch Bäume um das verlassene Anwesen.
Schlossruine Wässerndorf
Foto: Landratsamt
Von unserem Redaktionsmitglied Eike Lenz
 |  aktualisiert: 17.07.2022 02:32 Uhr

Der Himmel über Wässerndorf hat sich verfinstert, ein Sommergewitter hängt in der schwülwarmen Luft, die Wolken werden getrieben von einem rauen Wind. Vielleicht ist das gerade die richtige Stimmung, um sich dem geheimnisvollen Ort zu nähern. Der Weg nach oben ist dornenreich, und im Gegenlicht ragen die Mauern der Ruine wie Fragmente in den schwarz getünchten Himmel. In solch düsterer Kulisse hat Alfred Hitchcock sein Sozialdrama „Psycho“ gedreht. Auch auf dieser Anhöhe über Wässerndorf hat sich vor 63 Jahren eine kleine Tragödie zugetragen: Es war kein wahnwitziger Frauenmörder, der hier sein Unwesen trieb, doch die Geschichte, die sich in den letzten Kriegstagen in der ländlichen Idylle abspielte, dürfte mindestens ebenso filmreif gewesen sein.

Das einst mächtige Schloss mit seinen hohen Mauern war im Zweiten Weltkrieg zur Zufluchtsstätte für fast 80 Menschen geworden. Als im April 1945 vor dem Schloss ein amerikanischer Offizier getötet wurde, ließ ein mit dem Gefallenen befreundeter Soldat die Menschen heraustreiben. Sie hatten beteuert, keinen Schuss abgegeben zu haben, doch die von Rache getriebenen Amerikaner steckten die ehemalige Burg am 5. April in Brand. Zwei Wochen wütete das Feuer. Zwei Bauern, die den Brand aus Angst um ihre nahen Gehöfte zu ersticken versuchten, wurden nach Angaben von Zeitzeugen von den Amerikanern erschossen.

 

Als der Rauch sich verzogen hatte, war in den Trümmern und der Asche nicht mehr viel zu finden. Das Feuer hatte ganze Arbeit geleistet. Von dem eindrucksvollen, alten Schloss – 1250 durch die Seinsheimer als Trutzburg errichtet und 1555 von Friedrich von Schwarzenberg zum repräsentativen Wasserschloss umgebaut – stand nur noch ein Gerippe. Nicht nur das Hab und Gut der Familie von Pölnitz, die das Gebäude von 1910 an bewohnte, war zum Raub der Flammen geworden. Es verbrannten auch viele historisch wertvolle Stücke des Würzburger Staats- und Stadtarchivs sowie viele Kunstgegenstände umliegender Gemeinden, die vorher im Glauben, sie seien an dieser Stelle sicherer, nach Wässerndorf gebracht worden waren. Unter den zerstörten Urkunden waren die Säkularisationsakten, Kompositionen des in Kitzingen aufgewachsenen Musikers Armin Knab sowie die Archive zweier Adelshäuser.

Mehr als sechs Jahrzehnte sind seit dem verheerenden Brand vergangen. Die Natur hat sich zurückgeholt, was einmal ihr gehörte. Die von Türmen, einem Mauerring und einem Graben umgebene Ruine ist von Bäumen gesäumt, und vielleicht wirkt sie gerade deswegen auf viele Betrachter wie im Dornröschenschlaf versunken. „Verwunschener Ort, ein wunderschönes Plätzchen“, hat einer der vielen Ruinengänger ins Internet geschrieben. Über eine steinerne Brücke führt der Weg durch den halbrunden Torturm in den Schlosshof, der von den dreigeschossigen Mauerwänden der einstigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude umgeben ist. Einmal jährlich öffnet sich das Schloss dann auch einer breiten Öffentlichkeit. Der kulturell aktive Schlossruinenverein führt die Besucher durch das Gemäuer, und in der Fantasie fügt sich das Mosaik zu einem Gesamtbild, wie das mächtige Anwesen ehedem ausgesehen haben mag.

„Eins der beeindruckendsten Teile war ein mit Ranken-Fresken versehenes Zimmer“, ist im Internet-Lexikon Wikipedia zu lesen. Der vierflügelige Bau mit Atrium war mit vier Giebeln verziert.

Die Reste der Ruine sind im Privatbesitz und nur noch selten zugänglich. Aber die Aura des Geheimnisvollen und des Mystischen dieser Umgebung nimmt einen noch heute gefangen.

Öffnungszeiten
Da sich die Schlossruine in privatem Besitz befindet, sind Besichtigungen nur nach Anfrage oder zu offiziellen Anlässen wie dem Schlossruinenfest möglich. Umgebung In den Jahren 1965/66 erbaute man in Wässerndorf für die aus Bonnland stammenden Familien die moderne Michaelskapelle. Mehrere Exponate brachten die zwangsumgesiedelten Bürger mit, unter anderem die Grab- platte der jüngsten Tochter Friedrich Schillers oder das reich verzierte Renaissance-Epitaph des Philipp von Thüngen.

Kontakt
Schlossruinenverein Wässerndorf Monika Rützel Brunnesberg 14 97342 Seinsheim Tel. (0 93 32) 49 08 Anfahrt Aus Richtung Würzburg oder Nürnberg kommend, der Bundesstraße 8 bis Mainbernheim folgen. Von dort nach Willanzheim abbiegen und der Wegweisung nach Seinsheim folgen. Dort auf Abzweig nach Wässerndorf achten.
 
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