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SÖMMERSDORF
Rotieren kontra Riesenwindräder
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:53 Uhr

„Blowin in the Wind“ – den Bob-Dylan-Song würde sie heute mit anderen Ohren hören, sagt Musiklehrerin Andrea Lettowsky sarkastisch, als Vorsitzende der Bürgerinitiative „Gegenwind-Obbach“. Musikalisch würde man an diesem Abend von einem Kontrapunkt sprechen: Zwecks Meinungsbildung haben die Windkraft-Kritiker zwei „unorthodoxe“ Redner in die Robert-Seemann-Halle eingeladen, mit grundsätzlichen Gegenpositionen zur aktuellen Energiepolitik.

Zum einen den Freien Biologen Dr. Friedrich Buer aus Neustadt an der Aisch, zum anderen Klaus Ermecke von der Oberhachinger Beratungsfirma „KE-Research“ (Firmenslogan: „Die Andersdenker“). Der marktliberale Ökonom zweifelt gängige Theorien zur Erderwärmung an, warnt vor Angstmache und einer „Grünen Diktatur“. Seine Relativierung des Super-Gaus von Fukushima und der Kernkraft-Problematik blieb unter den 110 Besuchern nicht unwidersprochen.

Zum Auftakt gab es einen Film über das Leben neben Groß-Windrädern. Lettowsky betonte, dass die Initiative „lobbyunabhängig“ sei. Die SPD-Gemeinderätin ist Wortführerin gegen den geplanten Windpark bei Obbach. Der Ortsteil drohe zum Brückenkopf für weitere 40 Windräder im Landkreis zu werden, für die das Umspannwerk in Geldersheim gebaut werde.

In einem pointenreichen Vortrag geißelte Friedrich Buer eine „unsägliche Politik“, die anstelle von Einsparungen die Erschließung neuer Energie- und damit Geld-Quellen propagiere. Es wäre möglich, 16 Prozent Atomanteil an der Energieerzeugung durch effizientere Stromnutzung auszugleichen. Windkraft decke nur einen Bruchteil des Megawatt-Bedarfs, in Folge müsse Atomstrom aus dem Ausland zugekauft werden, womit sie letztlich den Betrieb ausländischer Kernkraftwerke fördere: „Die Welt macht sich lustig über uns.“

Windradanlagen seien eine (besonders teure) Art nationaler CO2-Einsparung, die durch internationalen Handel mit Emissionszertifikaten wieder zunichte gemacht werde. Bei den neuen Anlagen handele es sich um „Industriegiganten“, die 48 Prozent der Leistung als Lärm-Emission von sich gäben und hunderttausende Singvögel töten würden durch die Wucht der Rotoren: vom Alpensegler bis zur Zwergohreule, Fledermäuse genauso wie Greifvögel, die regelrecht erschlagen würden. Dazu käme Wertminderung von Wohneigentum und Einbußen beim Tourismus.

Geschäftemacherei a la Prokon und Verlustanhäufung bei Investoren, „Eisbomben-Wurf“ und kilometerweiter Infraschall, so lauteten die Schlagworte. „Ich appelliere an Bürgermeister Arnold und die Familie Schäfer, wieder an die Bürger zu denken, die unter den Windkraftbetreibern zu leiden haben“, so Buer in Richtung Gemeinde und Investoren.

Fundamentalkritik übte auch Klaus Ermecke, der eine Rückkehr zur freien Marktwirtschaft auf dem Energiemarkt fordert. Die Strompreise seien viel zu hoch mit entsprechendem Rückgang des deutschen Wirtschaftswachstums und De-Industrialisierung: „Wir sind auf den Stand eines Entwicklungslands zurückgefallen.“ Solaranlagen und Windräder seien „Kleinanlagen mit Zufallsleistungen“, die geplanten Stromspeicher „Trostpflaster“. Es drohe ein Kippen des EEG: „Aus unserer Sicht ist es verfassungswidrig, ein Verstoß gegen die Gewerbefreiheit.“

Eine Öko-Propaganda schüre Mega-Ängste vor versiegenden Rohstoffen, Klima-Katastrophe, Strahlentod. Ermecke, Diplomkaufmann und ehemaliger Logistik-Offizier der Bundeswehr, warnt vor einer Abschaffung der parlamentarischen Grundlagen der Demokratie zu Gunsten externer Expertengremien. NGOs wie Greenpeace funktionierten wie Psycho-Konzerne, die der Wirtschaft Grenzwerte aufzwingen wollten.

Er präsentierte ein Klimamodell, wonach infrarotaktive Treibhausgase wie CO2 die Erde nicht aufheizen, sondern abkühlen. Die These wird im Publikum kritisch hinterfragt. Und Fukushima? Das berühmte Explosions-Bild sei durch eine Knallgas-Zündung auf Höhe der Brennelemente-Bühne, nicht durch eine Detonation im Reaktor entstanden, sagt Ermecke. Und: Die Menge freigesetzten radioaktiven Materials wäre relativ klein gewesen, es habe keine Strahlentote gegeben. Die Hinwendung zum Thema Kernkraft sorgt für Unmutsäußerungen. Am Ende wird Ermeckes Vortrag um den Abschnitt „Terrorgefahr bei AKWs“ gekürzt. In der Debatte sind sich aber fast alle einig, dass man Großwindräder vor der Haustür nicht hinnehmen will. Die Rede ist von einem Boykott des Stromanbieters ebenso wie eventuell persönlicher Haftbarkeit des Landrats.

 
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