Es sind Geschichten wie diese, die Castingshows so groß gemacht haben: Ein hart arbeitender Musiker mit bescheidenem Äußeren tritt im Fernsehen auf – und wird über Nacht zum Star. Es ist die klassische Geschichte des Underdogs, des Helden aus kleinen Verhältnissen, der zum Überflieger wird. Oder – wie im Fall von Andreas Kümmert aus Gemünden am Main – zum „Rocket Man“.
Nur einen Auftritt hat der 27-jährige Musiker gebraucht, um Jury, Studiopublikum und Millionen Fernsehzuschauer umzuhauen und zum Liebling und großen Favoriten von „The Voice of Germany“ zu werden. Durch seine Darbietung des Songs „Rocket Man“ von Elton John wurde Andreas Kümmert selbst zum Raketenmann. Von da an haben viele die Castingshow nur eingeschaltet, um ihn singen zu hören. „If you don't know me by now“, „Whiter shade of pale“, „With a little help from my friends“ – jeder seiner Auftritte sorgte bei den Zuschauern für Gänsehaut.
Für die Macher der Castingshow war Andreas Kümmert der perfekte Kandidat. Die Geschichte vom schüchternen Musiker, der sieben Jahre lang durch Kneipen getingelt ist, und dessen Publikum manchmal nur aus einer Handvoll Besoffener bestand, mussten sie ihm nicht erst auf den Leib schreiben. Andreas Kümmert ist wirklich ein bescheidener, introvertierter Typ, der das alles genau so erlebt hat. Und alle, die ihn schon lange kennen, erzählen ähnliche Geschichten.
So wie Maxi Welzenbach aus Rieneck. Der 30-jährige Betreiber eines Onlineshops für Musik ist schon seit Jahren mit ihm befreundet. Als sie sich kennengelernt haben, ist Andreas Kümmert noch mit seiner ersten Band Silent Cry durch die Gegend getingelt. Eine Band, die er noch zu Schulzeiten gegründet hat. „Ich bin durch die Musik auf ihn aufmerksam geworden. Wir haben die gleiche Musik gehört“, sagt Maxi Welzenbach. Er hat Andreas Kümmert von Anfang an unterstützt, hat ihn zu Auftritten gefahren und seine CDs verkauft. „Das war nicht alles Gold. Manchmal hat er vor drei Leuten gespielt – mich eingeschlossen“, erzählt er. Doch jeder, der ihn singen gehört habe, habe gemerkt, was er kann.
Andreas Kümmert hat in den vergangenen Jahren etwa 150 Shows im Jahr gespielt. Er spielte beim Würzburger „Umsonst & Draussen“-Festival, auf der Wertheimer Burg, beim Würzburger Stadtfest, in Kneipen und Clubs – als Solokünstler, mit der Andreas-Kümmert-Band, mit der Coverband Diamond Dogs oder als Gast bei der Marktheidenfelder Band Lick & A Promise.
Seit Jahren setzt er alles daran, sich einen Namen zu erspielen. Spätestens seit Veröffentlichung seiner Debüt-CD „Smilin' In Circles“ 2010 tritt er auch weit außerhalb Unterfrankens auf, in Berlin, Frankfurt, München. Fast immer hat ihn sein Vater zu diesen Auftritten gefahren. Raimund Kümmert hat seinen Sohn und dessen Musikerkarriere stets unterstützt – und stark beeinflusst. Andreas Kümmert bezieht seine Inspiration zum Großteil aus der Plattensammlung seines Vaters. Mit den Rolling Stones, Eric Clapton, Joe Cocker und den Black Crowes haben beide Kümmerts mehr am Hut als mit der Popmusik des dritten Jahrtausends. Deshalb sind deren Songs schon immer ein Bestandteil seines Liveprogramms. Und auch wenn seine Konzerte früher vor kleinem Publikum stattfanden, sein Talent fiel auf.
Die Stadt Würzburg zeichnete Andreas Kümmert 2012 mit dem Jugendkulturpreis aus. Anfang dieses Jahres sah ihn Gerd Knebel, Komödiant bei Badesalz und früher Sänger der hessischen Kultband Flatsch, bei einem Auftritt in Darmstadt. Bald trafen sich die beiden zum gemeinsamen Musizieren – auf Youtube sind einige Videos dieser Treffen zu finden.
Andreas Kümmert ist von Beruf Musiker – und wollte auch nie etwas anderes sein. „Ich war einfach unfassbar faul in der Schule und habe davon auch nicht viel gehalten. Ich hab eigentlich schon immer davon geträumt, Musiker zu werden und bin froh, dass das jetzt so gut klappt“, hat er in einem Gespräch mit dieser Zeitung erzählt, kurz bevor er zum ersten Mal bei „The Voice of Germany“ zu sehen war.
Von seiner Musik konnte er leben. Irgendwie. Richtig erfolgreich war er nicht. Bei „The Voice of Germany“ hat er sich nicht angemeldet, weil er sich davon Geld und Ruhm erhofft hat: „Ich möchte das gern als Plattform nutzen, um meine Musik ein bisschen weiter zu verbreiten und damit ein paar Leute mehr mitbekommen, dass es mich und meine Musik gibt“, hat Andreas Kümmert im Oktober erzählt.
Dass ihm das so gut gelingt, damit hätte wohl keiner gerechnet. Vor seiner Teilnahme bei „The Voice of Germany“ hatte er auf Facebook etwa 2500 Fans, vor dem Finale am Freitag waren es über 80 000. Das Video seines ersten Auftritts in der Show wurde auf YouTube mittlerweile schon fast 900 000 Mal angeklickt, sein Song „Simple Man“ hat es auf Platz 1 der Download-Charts geschafft.
„Was da abgeht, kann eigentlich noch keiner so richtig fassen“, sagt sein Freund Maxi Welzenbach. „Andreas musste den Schritt machen und zu 'The Voice of Germany' gehen, aber eigentlich geht es ihm nur um die Musik.“ An Andreas Kümmert schätzt er seine Bodenständigkeit – und „dass er immer ehrlich ist – egal ob er vor drei Millionen Menschen spricht oder vor Dreien.“
„Andreas Kümmert ist wirklich genau so, wie er sich im Fernsehen gibt. Er verstellt sich nicht“, sagt Rita Wiesner. Zusammen mit ihrem Mann Ralf Wiesner betreibt sie in Gemünden das Bistro „La Belle“. Hier tritt Andreas Kümmert schon seit Jahren auf. Das „La Belle“ ist so etwas wie die Stammkneipe des Musikers. Seine ersten Auftritte bei „The Voice of Germany“ hat er sich hier mit Freunden und der Familie angeschaut – bevor er es in die Live-Shows der Sendung geschafft hatte und zu den Shows nach Berlin musste.
Ralf Wiesner hat Andreas Kümmert von Anfang an die Möglichkeit gegeben, in seinem Bistro aufzutreten. „Seine Musik ist nicht jedermanns Sache, aber seine Stimme ist gigantisch“, sagt er. Als Andreas Kümmert vor Jahren Sponsoren für seine erste CD gesucht hat, hat er ihn auch finanziell unterstützt. Der Musiker hat es ihm gedankt, indem er ein- bis zweimal im Jahr im „La Belle“ aufgetreten ist. Sein letzter Auftritt im Bistro liegt erst ein paar Wochen zurück – da war Kümmert durch die Castingshow schon deutschlandweit bekannt.
Ralf Wiesners Frau Rita ist schon lange ein Fan von Andreas Kümmert. „Wenn er spielt, ist er ganz er bei sich. Man muss ihm einfach zuhören“, sagt sie. „Seine Lieder sind tiefergehend, irgendwie aus seiner Seele.“ Als Mensch sei Andreas Kümmert „ein zurückhaltender Kerl“, so Ralf Wiesner. „Der Rummel bei der Show ist schon zu extrem. Das ist nicht so seins“, sagt Rita Wiesner.
„Er ist ein sehr schüchterner Mensch“, erzählt auch der Gitarrist Jochen Volpert aus Würzburg, der mit Andreas Kümmert schon des öfteren aufgetreten ist. „Andreas hat schon immer geil gesungen“, sagt er. Er sei aber nicht nur ein „super Bluessänger“, sondern spiele auch sehr gut Gitarre. Jochen Volpert schätzt an Kümmert das „urwüchsige, straßenkötermäßige“. Der Gitarrist meint das als Kompliment: „An Andreas Kümmert ist nichts gekünstelt, keine einstudierten Gesten oder dergleichen. Er steht einfach da und kehrt sein Innerstes nach außen“, sagt Volpert. „Selbst ich als langjähriger Musiker bekomme manchmal Gänsehaut, wenn ich neben ihm spiele.“ Dieses Urwüchsige, Echte würden auch die Fernsehzuschauer an Andreas Kümmert wahrnehmen, so der Gitarrist.
Als einen „unbeugsamen, geradlinigen und konsequenten Menschen“, beschreibt Joe Erhardt, der Manager von Andreas Kümmert, den Musiker. „Franken sind ja allgemein nicht unbedingt die oberflächlichsten und offenherzigsten Landsleute und so wirkt auch Andreas auf viele verschlossen und introvertiert. Innerhalb seines vertrauten Umfeldes ist er aber sehr lustig“, so Erhardt.
Joe Erhardt hat ihn zu allen seinen Auftritten nach Berlin begleitet. Als Andreas Kümmert eine Woche vor dem Finale von „The Voice of Germany“ eine Magen- und Darmgrippe bekam, hat ihm sein Manager dazu geraten, sich erstmal auszukurieren und alle Termine abzusagen. Während die drei anderen Finalisten von „The Voice of Germany“ Interviews gaben, zu Fotoshootings gingen und für das Finale probten, hat sich Andreas Kümmert ein paar Tage bei seiner Familie in Gemünden erholt. Der Musiker betont immer wieder, dass sein Manager auch einer seiner besten Freunde ist. Zusammen haben sie beschlossen, dass er sich bei „The Voice of Germany“ anmelden soll. Zusammen wollen sie auch danach weiter an seiner Musikkarriere arbeiten. Joe Erhardt ist sich sicher: „Andreas kommt so aus der Show, wie er hineingegangen ist. Unverbogen.“