Ein Einfamilienhaus in der Marktgemeinde Zell hoch über dem Maintal: Baulärm kommt von dem Neubau gegenüber. Im Inneren angenehme Ruhe und ein idyllischer Garten mit Kater Czarno: „Ich hätte gerne mehr Zeit für unsere Grünoase“, sagt Richard Wagner mit einem bedauernden Blick auf die naturbelassene Fläche. „Aber derzeit fordern mich die vielen Wahlinformationen.“ Das Wort Wahlkampf vermeidet er bewusst. „Ich führe keinen Kampf gegen meine Mitbewerber.“
Wagner will in den Landtag einziehen für die Freien Wähler. Er kandidiert für den Landkreis Würzburg. Der Mann mit dem Pferdeschwanz strahlt Ruhe aus. Er macht den Eindruck, als ließe er sich nicht leicht aus der Ruhe bringen. „Ich war schon in vielen Orten im Landkreis unterwegs, man muss sich ja schließlich bekannt machen.“ Plakate aufhängen, Podiumsdiskussionen, Rede und Antwort stehen, der normale Wahlalltag eben.
Dabei hätte Richard Wagner doch schon etwas, das ihn von anderen Politikern unterscheidet: seinen Namen, der ihn mit dem berühmten Bayreuther Komponisten verbindet. Fluch oder Segen? „Ich bin wissentlich nicht mit dem Komponisten verwandt“, sagt der Kandidat der Freien Wähler. „Es war eher die Zeit, als ich auf die Welt kam, dass Söhne den Namen des Vaters bekamen.“ Und dominiert nun die Musik des berühmten Namensvetters im Haushalt der Wagners? „Die eine oder andere Ouvertüre höre ich gerne. Sonst lieber Rockmusik von Queen, Deep Purple oder Scorpions.“
Wagner stammt aus Kastl in der Oberpfalz, lebt aber seit 27 Jahren in Unterfranken. In Würzburg hat er auch seine Frau Ursula geheiratet. Sie ist Leiterin der Montessori-Fachoberschule. Die drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, gehen schon meist ihre eigenen Wege und so ist es ruhig im Hause Wagner. Doch zum Sonntags-Brunch kommen sie alle gerne vorbei und Wagner schätzt Familie hoch ein.
Seit zehn Jahren wohnt er in Zell, vorher einige Jahre in Zellingen. Der Beginn seiner politischen Tätigkeit liegt noch nicht so lange zurück: Vor sechs Jahren gründete er mit anderen den Ortsverein der Freien Wähler in Zell. Und das war äußerst erfolgreich: 16 Gemeinderäte gibt es und vier stellte die Wählergemeinschaft auf Anhieb 2008. Wagner war Nachrücker.
Warum hält sich der 53-Jährige für den Landtag geeignet? „Ich bin nicht so wie andere Politiker. Ich höre den Menschen zu und bin von Berufs wegen kreativ.“ Wagner ist selbstständig mit einem Werbestudio. Unter seinen Kunden ist auch die Gemeinde Zell, für die er das Gemeindeblatt layoutet und setzt.
Sein Anliegen für die Landtagsarbeit: „In der politischen Kultur muss sich vieles ändern. Wir müssen mehr kommunizieren und kooperieren. Die ganze Macht-Taktierei hat nur Politikverdrossenheit zur Folge und schadet dem Bürger.“
Eine Auswahl seiner Themen: Konsequente Umsetzung der Energiewende; starke Kommunen und weitgehend autarke Regionen; optimale Bildungschancen für alle.
Die Umwelt liegt dem Mann aus Zell am Herzen und so ist sein zweites berufliches Standbein auch dort angesiedelt: Er vertreibt eine Technologie zur Verbesserung des Trinkwassers für ganz normale Haushalte. Sie arbeitet auf mineralischer Basis. Wagner hat das System weiterentwickelt.
Wenn er gewählt wird, muss er eine Entscheidung treffen, ob er weiter Marktgemeinderat bleiben kann. „Doch die muss warten, bis ich weiß, was in München an Arbeit auf mich zukommt“, sagt der Kandidat. Es sei auf jeden Fall ein mächtiger Schritt, denn: „Ich bin nicht der große Redner. Ich schwafele nicht gerne, sondern sage meine Meinung präzise und knapp.“ In jedem Fall braucht er dann schnell eine Zweitwohnung in der Landeshauptstadt, denn täglich pendeln wird ihm zu viel. Und der Zeitplan ist eng: Seines Wissens ist die erste Fraktionssitzung schon zwei Tage nach den Wahlen angesetzt.
Kandidaten-Check
Die drei wichtigsten Themen der Region in der nächsten Legislaturperiode?
a. Zügige, effektive und nachhaltige Umsetzung der Energiewende mit optimaler Bürgerbeteiligung und maximaler regionaler Wertschöpfung, um möglichst unabhängig zu werden und die regionale Wirtschaftskraft zu stärken.
b. Umbau des Bildungssystems in flexible lokale Angebote mit mehr Verantwortung und Entscheidungsfreiheit für Schulen und Kommunen, um Schließungen entgegenzuwirken und eine qualitativ hochwertige, am einzelnen orientierte Ausbildung für alle zu gewährleisten.
c. Stärkung der Kommunen durch bessere Finanzausstattung.
Ein Politiker, den Sie bewundern? –
Wie weckt man bei jungen Menschen Interesse an Politik?
Durch Engagement und direkte Kommunikation – v. a. über Themen, die sie auch interessieren.
Wie überzeugen Sie einen Nichtwähler?
Indem ich ihm von meinen persönlichen Einstellungen und meiner Sicht, wie Politik ablaufen sollte, erzähle und um Unterstützung bitte.
Woher kommt Politikverdrossenheit?
Bei der aktuellen Politik stehen meist nicht der Mensch und optimale Lösungen für die Bürger im Vordergrund sowie die in der Verfassung festgeschriebenen Gewissensfreiheit, sondern Macht- und Parteiinteressen.
Ein politischer Gegner, den Sie besonders schätzen? –
Sie machen Politik, weil . . .
… ich aktiv und kreativ an der positiven Entwicklung unserer Region und unseres Landes mitwirken will
… ich mich für eine rasche Umsetzung der Energiewende einsetzen will – auch indem verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden
… ich mich für einen neuen Politikstil einsetzen will, für eine Kultur der parteiübergreifenden Kommunikation und Kooperation zum Wohle der Bürger.
Heimat ist für Sie . . .
die Region, in der ich geboren wurde und aufgewachsen bin, die Region und der Ort, wo ich jetzt seit einigen Jahren lebe, Bayern, Deutschland …
Drei Dinge, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Meine Frau, Essen und Trinken, Werkzeug
Ihr schönster Moment bislang in diesem Jahr?
Es gab viele schöne Momente.
Was können Sie richtig gut?
Zuhören.
Was sollten Sie besser lassen?
Mich über den Schwachsinn, den Politiker und Regierungen verzapfen, aufzuregen.
Wo findet man Sie im Urlaub?
Am Meer, in der Natur…
Biografisches
Alter: 53
Beruf: selbstständiger Unternehmer
Ausbildung: Studium der Philosophie mit Abschluss Magister Artium, verschiedene Aus-/Weiterbildungen
Familienstand: verheiratet, 3 Kinder
Geburtsort: Kastl b. Kemnath (Oberpfalz)
Wohnort: Zell a. Main
Bei den Freien Wählern seit: 2007 durch Gründung der Zeller Mitte – Freie Wähler
Politische Ämter: Marktgemeinderat in Zell a. Main, Stv. Vorsitzender der Zeller Mitte-Freie Wähler e.V, Pressereferent der UWG-FW Landkreis Würzburg, Stv. Vorsitzender der Kreisvereinigung der Freien Wähler Würzburg-Land
Lieblingsessen: Schweinebraten von der Mama
Lieblingsmusik: Melodischer Rock (Scorpions, Nightwish, Queen…)
Lieblingsbuch: Das Südsee-Virus (Dirk C. Fleck)
Lieblingsfilm: –
Lieblingsplatz in der Region: am Main
Lieblingssport: Tanzen/Zumba
Lebensmotto: Das Wesentliche, den Sinn und das Positive in allem sehen
Wenn Sie die Wahl hätten…
Weißwurst oder Blaue Zipfel: Weißwurst
Münchner Bier oder Frankenwein: Münchner Bier
FC Bayern oder „Der Glubb“: FC Bayern
Karl Valentin oder Erwin Pelzig: Erwin Pelzig
Neuschwanstein oder Residenz: Würzburger Residenz. Aber am besten wäre natürlich, wenn man hier erst gar nicht wählen müsste!