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BAD NEUSTADT/WÜRZBURG
Rhön-Klinikum soll Putzfrauen ausgebeutet haben
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:54 Uhr

Die Rhön-Klinikum AG steht unter Beschuss. Der private Krankenhauskonzern mit Sitz in Bad Neustadt soll in seinen Kliniken Reinigungskräfte jahrelang systematisch ausgebeutet und unbezahlte Mehrarbeit gefordert haben. Den Sozialversicherungen sollen durch unbezahlte Überstunden Beiträge in Höhe von rund 22 Millionen Euro entgangen sein. Am Mittwoch trafen sich Vertreter beider Seiten, um über entsprechende Nachzahlungen zu verhandeln.

Die Vorwürfe sind nicht neu. Bereits 2011 wurden unter Federführung des Hauptzollamts Schweinfurt bundesweit 70 Wohnungs- und Geschäftsräume durchsucht. Der Konzern, der bundesweit mehr als 50 Kliniken mit über 17 000 Betten betreibt, soll über Reinigungs-Tochterfirmen den gesetzlichen Mindestlohn unterlaufen haben. Rhön-Putzkräfte hätten dem Zoll berichtet, ihnen sei mit Abmahnungen gedroht worden, falls sie nicht länger arbeiteten. Die Mehrarbeit hätten sie aber nicht abrechnen dürfen.

Anklage gegen Ex-Manager

Im März 2013 wurde nach Ermittlungen des Zolls und der Staatsanwaltschaft Würzburg ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Konzerns wegen Vorenthalten von Mindestlohn festgenommen und angeklagt. Er war Verantwortlicher von sechs bundesweit agierenden Reinigungsgesellschaften, an denen die Rhön-AG zu 51 Prozent beteiligt ist.

Beim Konzern hält man sich mit Aussagen zu dem „schwebenden Verfahren“ bedeckt, zumal man kein Verfahrensbeteiligter sei, wie Sprecher Achim Struchholz mit Verweis auf die Tochterfirmen betont. Dennoch weist er die Vorwürfe zurück: „Wir achten sehr genau darauf, dass die Tarifverträge eingehalten werden.“ Das ist nach seiner Meinung „auch immer so gewesen“. So gebe es auch Anzeichen, dass sich die Justiz schwertue, die Vorwürfe aufrechtzuerhalten: Der Ex-Manager sei aus der Untersuchungshaft entlassen und es sei bis heute kein Hauptverfahren eingeleitet worden. Auch dass das Gericht Nachermittlungen angeordnet habe, spreche dafür.

Das Landgericht Würzburg hat tatsächlich „umfangreiche Nachermittlungen“ angeordnet, bestätigt Helga Müller, Pressesprecherin am Landgericht. „Die Ermittlungen werden einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Schließlich wird in 55 Kliniken und in einem Tatzeitraum von mehr als vier Jahren ermittelt.

Etwas Entlastung für den Konzern kommt vom Gesamtbetriebsratsvorsitzenden. Helmut Bühner, in dessen Zuständigkeitsbereich die Tochterfirmen nicht fallen, will zwar nicht ausschließen, dass die Vorwürfe in anderen Kliniken des Konzerns zutreffen; am Standort Bad Neustadt ist ihm aber „nicht bekannt, dass Angst und Schrecken herrschen und Putzfrauen ausgebeutet werden“. Er geht davon aus, dass der Druck auf die Putzkräfte von den jeweiligen Reinigungsfirmen ausgeht, die Minderheitspartner der Tochterfirmen sind.

Facility-Unternehmen schweigt

Die Sprecherin des bundesweit aktiven Facility-Unternehmens bestätigt lediglich, dass es an Rhön-Klinikum-Standorten tätig ist, will die Vorwürfe aber nicht kommentieren. „Wenn nichts dazwischenkommt, schafft man seine Arbeit“, beschreibt eine Reinigungsfrau, die ihren Namen nicht nennen will, ihre Arbeit am Rhön-Klinikum in Bad Neustadt. „Aber es kommt immer mal etwas dazwischen“, stellt sie fest. Der Zeitdruck bei der Arbeit sei schon sehr hoch, von „systematischer Ausbeutung“ möchte sie dennoch nicht reden.

„Je nach Zugehörigkeit zu einer der Tochterfirmen ist es von Haus zu Haus verschieden“, ist aus Kreisen des Reinigungspersonals in Hammelburg zur Entlohnung zu erfahren. Geleistete Putzstunden seien dort stets tarifgerecht bezahlt worden. Rückblickend sei besser bezahlt worden als bei anderen Firmen, findet eine Reinigungskraft in Bad Kissingen. „Aber jetzt steht die Angst vor der Tür.“ Man wisse noch nicht, wie es nach dem Verkauf der Kliniken an Fresenius weitergehe. Das ist auch Thema bei einer Sitzung des Rhönklinikum-Gesamtbetriebsrates am Mittwoch und Donnerstag in Leipzig.

Kein Ergebnis am Mittwoch

Bei einem Treffen am Mittwoch in Nürnberg zur Nachzahlung von Beiträgen wollten Vertreter von Rhön, Zollverwaltung und Deutscher Rentenversicherung versuchen, eine Lösung zu finden, bestätigt Isabel Albrecht, Pressesprecherin der Rentenversicherung in Würzburg. Ein Ergebnis habe es noch nicht gegeben, so der Rhön-Sprecher nach Abschluss des Treffens. Es habe sich lediglich um ein Arbeitsgespräch gehandelt.

 
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