Ab sofort sollen Männer, Frauen und Kinder in Sömmersdorf nicht mehr zum Friseur gehen, sollen Haare und Bärte wachsen lassen. „Wie Unkraut eben“, scherzt Frank Greubel. Weshalb ab dem Tag der Kräuterweihe, dem Feiertag Mariä Himmelfahrt, jedem im Dorf klar sein soll, dass es jetzt ernst wird mit den Fränkischen Passionsspielen 2013.
„Haar- und Barterlass“ nennt der dritte Vorsitzende des Vereins Fränkische Passionsspiele Sömmersdorf scherzhaft den Aufruf von Vorstand und Regie an alle Mitwirkenden der Passion 2013, der ab dem 15. August in den Schaukästen des Dorfes ausgehängt wird. Das erste Mal geschieht dies in schriftlicher Form, wie bei den Oberammergauer Passionsspielen. „Allerdings melden die sich schon eineinhalb Jahre vor dem Spiel“, weiß Frank Greubel. Bis zur Premiere am 23. Juni 2013 in Sömmersdorf sind es nur noch zehn Monate.
In der Vergangenheit war es in Sömmersdorf Usus, eben Gewohnheit, einfach ganz klar, dass sich die Männer im Jahr vor den Spielen Bärte wachsen lassen. Wo noch dazu das Ankleben künstlicher Gesichtshaare für die Theatervorstellungen nicht ganz schmerzfrei ist.
„Das hat auch meistens geklappt“, sagt der dritte Vereinsvorsitzende. Diesmal aber hat der neue Regisseur Hermann J. Vief die Aufforderung zum langen Echthaar gezielt ausgegeben. Weshalb der Vereinsvorstand mit seinem schriftlichen Aushang das deutliche Zeichen an die Sömmersdorfer setzen wollte: Jetzt geht's los.
Angefangen haben die Vorbereitungen für das Fränkische Passionsspiel im nächsten Jahr mit seinen 18 Vorstellungen bereits: An zwei Wochenend-Workshops im Juli wurden 60 Dorfbewohner, die teilweise für große Sprechrollen in Frage kommen, von den beiden neuen Regisseuren Vief und Marion Beyer begutachtet. Schließlich gilt es, die geeigneten Schauspieler für die Mitglieder des Hohen Rats, die Apostel, Herodes oder Jesus und Maria zu finden.
„Dass im alten Israel die Leute nicht alle 14 Tage zum Friseur gingen, ist klar“, unterstreicht Greubel das Anliegen der Verantwortlichen um möglichst authentisches Aussehen der Spieler. Bei der Haartracht der römischen Soldaten vor 2000 Jahren, den Besatzern von Palästina, geht man davon aus, dass diese kurzhaarig und ohne Bartwuchs ihren Militärdienst in dem heißen Land versahen.
Ob das der Hygiene geschuldet war – „dass die Soldaten keine Läuse bekamen“, wie Greubel mutmaßt – oder, weil es eben beim Militär damals so üblich war, weiß er nicht. Klar ist aber, dass es auch heute noch beispielsweise bei der Bundeswehr eine Dienstvorschrift des Verteidigungsministeriums gibt mit der amtlichen Bezeichnung „Die Haar- und Barttracht der Soldaten“. Im Wesentlichen geht es darum, dass das männliche Kopfhaar weder die Uniform noch den Hemdkragen berühren darf. Als Gründe werden beispielsweise die Infektionsvorbeugung oder der Funktionsverlust von ABC-Schutzmasken angeführt.
Bei den Gedanken zur authentischen Haartracht der Israeliten und der Römer zur Zeit Jesu erkannten die beiden Regisseure auch, dass blonde Haare – wie sie auch einige Sömmersdorfer von Natur aus haben – im Orient fremd waren. „Es hat sie nicht gegeben“, sagt Greubel. Weshalb auch dafür bei den Fränkischen Passionsspielen neue Überlegungen angestellt werden.
Dass auch die Sömmersdorfer Kinder aufgerufen sind, sich die Haare wachsen zu lassen, begründet Greubel, für Öffentlichkeitsarbeit zuständiges Vorstandsmitglied, mit dem „Mitmach-Effekt“: „Weil dann eventuell Rückfragen bei anderen Kindern kommen, warum sich eines die Haare wachsen lässt. Und das ist doch die schönste Werbung für unser Passionsspiel.“
Das steht 2013 ganz im Zeichen der Veränderung, die Leidens- und Liebesgeschichte Jesu wird völlig neu inszeniert. Auch die Bühne wird abgerissen und für rund eine Million Euro anders aufgebaut. In den nächsten Tagen kommen die Bagger. Dann wird das Unkraut auf der Vorbühne keine Chance mehr bekommen. Aber in den Gesichtern der Spieler soll es sprießen.
Am 1. Oktober startet der Kartenvorverkauf für die Spielsaison 2013.
Weitere Informationen unter www.passionsspiele-soemmersdorf.de