Sie verloren keine Zeit. Die beiden Mannschaften waren noch auf dem Weg in ihre Kabinen, da wieselten bereits sechs Greenkeeper mit kleinen Rasenmähern über den Platz, um widerborstige Grashalme wieder in Form zu bringen. Dabei hatten die 90 Minuten Fußball so gut wie keine hässlichen Spuren auf dem grünen Teppich von Old Trafford hinterlassen.
Schon gar nicht jene Grätsche von Bastian Schweinsteiger, die der spanische Schiedsrichter Carlos Velasco Carballo in der 90. Minute einer Gelb-Roten Karte für würdig befunden hatte. Der Spanier ließ sich dabei offenbar von der dramatischen Note beeinflussen, die der nur leicht berührte, aber weit fliegende Wayne Rooney ins Spiel gebracht hatte. Die Münchner sahen bei Schweinsteigers Ausschluss zurecht die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt. „Antonio Valencia hat auch Gelb, macht zwei Fouls hintereinander, und wird nicht vom Platz geschickt“, monierte Kapitän Philipp Lahm.
Ausgerechnet Schweinsteiger, der dem FC Bayern mit seinem Ausgleichstor in der 67. Minute das 1:1-Unentschieden bei Manchester United gesichert hatte, wird im Rückspiel am kommenden Mittwoch (20.45 Uhr, live im ZDF) in der Arena also fehlen. Nach der langwierigen Verletzung von Thiago Alcantara verbleibt den Münchnern damit als zentraler offensiver Mittelfeldspieler nur noch Toni Kroos, dessen Verantwortung in der Lenker-Rolle damit gehörig wachsen wird. In Manchester bot Kroos eine ordentliche Partie, stand aber im Schatten von Nebenmann Schweinsteiger. Einer vorzeitigen Vertragsverlängerung über 2015 hinaus hat sich der 24-Jährige bisher als einzige Münchner Stammkraft widersetzt. In Manchesters Medien wurde Kroos als potenzieller United-Neuzugang gehandelt, aber Bayern-Trainer Pep Guardiola stellte vor Ort die Vereinslinie klar, dass über einen Wechsel im Sommer gar nicht zu reden sein wird.
Zweifellos würde Kroos das erschreckend geringe Kreativpotenzial in Manchesters Kader sicherlich um einiges heben, aber der Mecklenburger mag an diesem lauen Dienstagabend erkannt haben, dass bei diesem potenziellen Arbeitgeber personelle Umbauten größerer Art vonnöten sein werden. Gegen den Titelverteidiger machte ManU hinten dicht und setzte auf Konter. Gerade einmal auf 30 Prozent belief sich der Ballbesitz der „Red Devils“, aber schon für ihren „Fighting Spirit“, ihren Kampfgeist, wurden sie vom dankbaren Publikum gefeiert. Die Befürchtung, das Wunderteam aus Germany würde ihrer Mannschaft eine böse Klatsche verabreichen, war eben irre groß gewesen. Doch der nach einer Verletzungspause rechtzeitig zurück gekehrte Kapitän Nemanja Vidic, der allerdings nach acht Jahren bei ManU im Sommer zu Inter Mailand wechseln wird, brachte die „Red Devils“ mit seinem Kopfball sogar in Führung (58.).
Der Titelverteidiger kam zurück und machte, wie Arjen Robben fand, „ein gutes Spiel“. Aber mit deutlichen Schönheitsfehlern. In Manchesters Strafraum fanden die Münchner kaum eine Lücke zum Abschluss, die Kombinationskünstler kreiselten mit wenig Ertrag. Robbens Schüsse aus der zweiten Reihe waren noch am gefährlichsten. „Wir haben zu wenig den letzten Pass gefunden“, wusste Lahm. Vor allem Franck Ribéry erreichte bei allem Bemühen fast nie einen Adressaten für seine Vorlagen.
Die wenig geforderte Defensive – der zweite Schönheitsfehler – arbeitete nicht fehlerfrei. Es mutete fast grotesk an, dass ausgerechnet Manchester die beste Torchance der ersten Hälfte besaß. Doch Manuel Neuer ließ sich vom frei vor ihm auftauchenden Danny Wellbeck nicht überlupfen (40.). Neuers Arm schnellte in die Höhe, der ManU-Stürmer konnte es kaum fassen. „Wir wissen, dass wir uns etwas überlegen müssen, wie wir zu klaren Chancen kommen“, sagte der Torwart mit Blick auf das Rückspiel, denn „das wollen wir natürlich gewinnen“ – auch wenn nun ein 0:0 zur Qualifikation für das Halbfinale ausreichen würde.
Klar dürfte nach den Erfahrungen in Manchester sein, dass gegen die routinierte Innenverteidigung mit Vidic und Rio Ferdinand und die Vollversammlung im Strafraum ein gelernter Stürmer Vorteile bringt. Diesmal hatte Guardiola lieber Thomas Müller in der Spitze beginnen lassen, doch der wirkte vom Raummangel wie erstickt. Kaum eingewechselt, legte Mario Mandzukic per Kopf den Ausgleich vor. Die Fähigkeit, sich bei Hereingaben schnell und robust vor den Gegenspieler zu schieben und abzuschließen, könnte eine Münchner Trumpfkarte sein. In der Abwehr kann der wieder spielberechtigte Dante den nun Gelb-gesperrten Javi Martínez mehr als ersetzen.
Die leise Enttäuschung mancher Fans, nicht wieder schon im Hinspiel alles klar gemacht zu haben, wollte beim FC Bayern keiner teilen. „Ich bin zufrieden, denn Manchester United ist eine der besten Mannschaften der Welt“, sagte Guardiola. Was das Rückspiel angehe, habe er „vollstes Vertrauen“ in seine Spieler. „Wir haben vor Manchester gewarnt, aber manchmal will man nicht Recht haben“, sagte Matthias Sammer etwas verklausuliert. Will vielleicht sagen: Ein bisschen weniger Probleme und einen Sieg im Fluggepäck Richtung München hatte sich der anspruchsvolle Sportvorstand schon erwartet.