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SCHWEBHEIM
Putzen, perfekt sein und auf den Putz hauen
Ausgebrannt: „Inge und Rita“ hatten in Schwebheim genug von ihrer Rolle als perfekte fränkische Frauen.
Foto: Uwe Eichler | Ausgebrannt: „Inge und Rita“ hatten in Schwebheim genug von ihrer Rolle als perfekte fränkische Frauen.
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:06 Uhr

Frauen müssen perfekt sein, im Einsatz für andere. Glauben auch Inge und Rita. Im Bürgerhaus zeigen sich die beiden ruhelos wuselnden, fränkischen Frauenzimmer von der Hochglanzseite: Da wird eine Tafel fürs Familienfest fürstlich eingedeckt, dazu wird selbstverständlich Spitzengastrononomie a la Lafer erwartet, nur Vorsicht bei Allergikern und Vegetariern.

Gegen aggressive Tischnachbarn hilft die perfekt ausgefeilte Sitzordnung. Am Ende versuchen sich die beiden Originale, alias Angelika Scheidig und Bettina Hümmer-Dünninger aus Unter- und Oberspiesheim, gegenseitig zu übertreffen, versumpfen im „Burn Out“. Bis sie lernen, „mitzumischen“, Heldinnen ihrer eigenen Sache zu werden – dank Engagement im Ehrenamt.

Ute Suckfüll hatte für die Gleichstellungsstelle des Landratsamts eingeladen, um „Frauen in Ehrenamt und Mandat“ ging es bei der Talkrunde. Etwa 50 Damen kamen, rar machte sich die jüngere Generation.

Die Männerwelt wurde von Bürgermeister Hans Fischer würdig, aber als Einzelkämpfer, vertreten. Moderatorin auf der Bühne war Ursula Lux, die Theologin und Therapeutin (mit Familie und viel Abwasch): Sie interviewte vier von insgesamt 23 Millionen Ehrenamtlichen im Land. Zum Beispiel Elisabeth Laufer, verheiratet, drei Kinder, engagiert im Gemeinderat Frankenwinheim, im internationalen Jugendaustausch des American Field Service (wozu sie eigens Spanisch gelernt hat). Oder bei der Hausaufgabenbetreuung für Kinder mit Migrationshintergrund, im Gartenbauverein. Motto: „Geld spielt keine Rolle“, allerdings nicht im Milliardärs-Sinn.

Gerlinde Vierheilig (zwei Kinder, ein Enkel), ist bekannt von der Schweinfurter Tafel, außerdem sammelt die Sennfelderin für die Caritas oder stellt das Flachsleitenfest auf die Beine: „Ich bin zufrieden.“ Melanie Hantschel aus Grafenrheinfeld ist 25 Jahre jung, Schriftführerin des Musikvereins, dort habe sie einen Großteil ihrer Freunde. Sicherlich am bekanntesten: Traudl Epp, langjährige Bürgermeisterin von Grettstadt, tätig aber auch im Frauenbund.

„Nee“, meint Melanie Hantschel unumwunden auf die Frage, ob sie sich zutraue, einmal Bürgermeisterin von Grafenrheinfeld zu werden. Woher kommt die weibliche Bescheidenheit in öffentlichen Jobs? Warum hauen wenige auf den Putz? „Man ist ein bisschen in die Rolle gepresst: Heimchen am Herd“, findet Gerlinde Vierheilig: „Man traut uns nicht soviel zu.“

Dieser Erfahrung teilt auch Elisabeth Laufer: „Du kommst eh nicht in den Gemeinderat“, hat „Mann“ mal zu ihr gesagt – am Ende war Sie drin und Er nicht.

„So arg viel geändert hat sich in den letzten 15, 20 Jahren nicht“, moniert die Obereuerheimerin Epp, bei aller persönlichen Bestätigung und Weiterentwicklung, von der die Ehrenamtlichen sprechen. „Du spinnst doch“, habe selbst ihre Mutter gemeint, als sie vor Jahrzehnten in den Gemeinderat wollte, als echte Pionierin. Es wäre schön, wenn Frauen mehr Frauen wählen würden, appelliert Laufer an die Solidarität. Aber selbst Frauen in Spitzenpositionen verträten die Meinung, dass ihre Geschlechtsgenossinnen zuhause bleiben sollten, heißt es aus dem Publikum: Es herrsche das Ideal der Mutterrolle – und das schlechte Gewissen. „Ich wehre mich dagegen, dass Hausfrauen Dumpfbacken sind und nichts von der Welt mitkriegen“, sagt Elisabeth Laufer, es gehe um harte, vollwertige Arbeit. Nur: „Es gibt auch noch was anderes als Putzen und Kinder erziehen“, kontert Vierheilig.

Männer hätten eben doch oft den „Tunnelblick“, von Frauen werde Multitasking gefordert. Im Ausland sei man weiter, beim Nebeneinander von Kind und Karriere, findet Epp: „In Frankreich gibt es das Wort Rabenmutter überhaupt nicht.“

Alles eine Frage der Lebensumstände? „Da, wo ich nicht bin, ist es schöner“, formuliert es Ursula Lux. Erlaubt ist, was der Gesellschaft gerade passt: „Nach dem Krieg durften Frauen alles.“

Kurz vor Schluss entert noch Hans Fischer charmant die Runde: „Jetzt fragt mich auch mal was.. Und fragt selbst: Wann komme eigentlich der Bruch, im weiblichen Selbstbewusstsein – wenn die Mädchen in der Schule noch offenkundig „vornedran“ seien? An der Demografie liege es nicht, glaubt der Rathauschef: „Mehr als die Hälfte der Wählerinnen sind Frauen.“ Melanie Hantschel widerspricht nach dem Versprecher prompt: „Alle Wählerinnen sind Frauen.“

Weitere Termine: im Alten Rathaus Obbach (7. November), in der Amtskellerei Stadtlauringen (12. November) und der Stadtbibliothek Gerolzhofen (19. November), jeweils ab 20 Uhr.

 
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