WÜRZBURG
Prostata-Krebs: "Die Therapien haben sich verbessert“
Prostatakrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Männern und nimmt bei ihnen den dritten Platz in der Sterberate ein – nach Lungen- und Darmkrebs. Laut Angaben der Deutschen Krebshilfe gibt es in Deutschland jährlich rund 67000 Neuerkrankungen. Die Diagnose ist meist von Angst und Unsicherheit begleitet. Was tun? Bestrahlung? Operation? Oder einfach abwarten?
Viele Männer fürchten sich vor der Behandlung. Denn nicht selten sind Impotenz und Inkontinenz die Folge. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Patient umfassend über die Erkrankung und über alle möglichen sinnvollen Therapien aufgeklärt wird“, sagt Dr. Frank Schiefelbein, Chefarzt der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg. Im Gespräch mit dieser Zeitung rät der Prostata-Experte Männern ab dem 45. Lebensjahr unbedingt einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen.
Frage: Wie hoch ist eigentlich das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken?
Frank Schiefelbein: Mit jährlich nahezu 67000 Neuerkrankungen ist der Prostatakrebs der häufigste Tumor des Mannes. Jedes Jahr sterben etwa 13000 Männer in Deutschland an dieser Erkrankung. Statistisch gesehen liegt das Lebenszeitrisiko, an Prostatakrebs zu erkranken, bei etwa 13 Prozent, etwa drei Prozent der Patienten sterben daran. In den letzten 30 Jahren haben sich Vorsorge und medizinische Therapie allerdings erheblich verbessert.
Ab wann ist eine Vorsorgeuntersuchung wegen Prostatakrebs sinnvoll?
Schiefelbein: Im Rahmen der Krebs-Früherkennungsuntersuchung bieten die gesetzlichen Krankenkassen Männern ab dem 45. Lebensjahr einmal jährlich eine Vorsorgeuntersuchung an. Hierbei wird die Prostata vom Arzt über den Enddarm mit dem Finger abgetastet. Auf Wunsch des Patienten kann eine erweiterte Vorsorge durchgeführt werden. Hierbei kann der PSA-Wert und eine über den Enddarm durchgeführte spezielle Ultraschalluntersuchung vorgenommen werden. Der PSA-Anstieg gilt als ein wichtiger Frühindikator in der Diagnostik des Prostatakarzinoms. Bei erblicher Vorbelastung ist es ratsam, die Vorsorge ab dem 40. Lebensjahr zu beginnen.
Wie aussagefähig ist denn eine solche Untersuchung?
Schiefelbein: Eine regelmäßige, unauffällige Prostatavorsorgeuntersuchung mit Tastbefund, PSA-Wert und Ultraschall kann das Vorliegen eines relevanten Prostatakrebses mit guter Sicherheit ausschließen.
Schließt ein normaler PSA-Wert von vornherein ein Prostatakarzinom aus?
Schiefelbein: PSA heißt prostataspezifisches Antigen. Dies ist eine Eiweißsubstanz, die im Blut des Patienten nachgewiesen wird. Der PSA-Wert ist leider nicht hundertprozentig aussagekräftig. Der Prostatakrebs ist ein sehr unterschiedlich zu wertender Tumor. Bei bis zu 15 Prozent der Prostatakarzinome ist der PSA-Wert des Patienten nicht erhöht. Im Zweifelsfall können aber andere Laborparameter, wie der PCA-3-Test, herangezogen werden.
Immer mehr Studien lassen die aktuellen Vorsorgemaßnahmen zwiespältig erscheinen. Schaden PSA-Tests zur Früherkennung von Prostatakrebs eventuell mehr als sie nutzen?
Schiefelbein: Der PSA-Wert ist derzeit der sensibelste Parameter in der Frühdiagnostik des Prostatakrebses. Ein sehr differenzierter Umgang mit dem PSA-Wert, unter Abwägung des individuellen Risikos des Patienten, ist eine grundlegende Voraussetzung, um verantwortungsvoll mit dem PSA-Wert umzugehen. Der Prostatakrebs hat sehr unterschiedliche Verlaufsformen. Wichtig ist die Bewertung des individuellen Risikoprofils bei jedem Patienten, um eine Übertherapie zu vermeiden.
Auf welche Warnzeichen sollte man grundsätzlich achten?
Schiefelbein: Leider gibt es keine frühen Warnzeichen. Beschwerden beim Wasserlassen könnten auf eine Erkrankung der Prostata hinweisen. Wenn der Tumor nämlich eine gewisse Größe erreicht hat, wird die Harnröhre, die von der Prostata umschlossen wird, dadurch verdrängt und das Wasserlassen erschwert. In einem fortgeschrittenen Stadium können Blutungen beim Wasserlassen oder beim Samenerguss auftreten. In einigen Fällen sind auch Rückenschmerzen wie bei einem Hexenschuss zu verzeichnen, da Knochenmetastasen typischerweise im Bereich der Wirbelsäule ansiedeln.
Was ist zu tun, wenn Verdacht auf Prostatakrebs besteht?
Schiefelbein: Dann muss die Diagnose durch eine feingewebliche Untersuchung gesichert werden. Hierbei wird in Lokalanästhesie nahezu schmerzfrei eine Feinnadelbiopsie – auch Stanzbiopsie genannt - durchgeführt. Dadurch lässt sich ein Bild von der möglichen Ausdehnung des Tumors gewinnen. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Therapieplanung. So auch für das operative Vorgehen, insbesondere mit der Fragestellung, ob eine nerven- und gefäßschonende potenzerhaltende Operation möglich ist.
Ist eine Gewebeentnahme unbedingt erforderlich?
Schiefelbein: Nur durch eine Gewebeentnahme kann die Diagnose Prostatakrebs gesichert werden. Die Ergebnisse aus der feingeweblichen Untersuchung sind wichtige Grandlagen für die Therapieentscheidung .
Kritiker bemängeln, dass angeblich zu viele Biopsien vorgenommen werden.
Schiefelbein: Die Indikation zur erweiterten Prostatadiagnostik mit PSA-Bestimmung, transrektalem Ultraschall und der Entnahme einer Prostatabiopsie ist eine individuelle Entscheidung des Patienten. Sie bedarf einer sorgfältigen Beratung durch den behandelnden Arzt. Dabei müssen Nutzen und Risiko besprochen werden. Generell gilt es selbstverständlich, eine Überdiagnostik und Übertherapie zu vermeiden – und gleichzeitig das zu späte Diagnostizieren eines Prostatakrebses so weit wie möglich auszuschließen.
Es wird häufig kritisiert, dass Diagnose und Trefferquote bei der Untersuchung von Stanzproben zu wünschen übrig lassen.
Schiefelbein: Die Durchführung der Stanzbiopsie ist in den Leitlinien zum Prostatakarzinom standardisiert. Ziel ist es, das klinisch signifikante Prostatakarzinom zu diagnostizieren. Gegebenenfalls können weitere Untersuchungen wie Kernspintomographie oder rechnergestützte Ultraschalluntersuchungen mit Elastographie die Diagnostik verfeinern. Mit hinreichender Sicherheit kann dabei ein Prostatakarzinom nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.
Muss Prostatakrebs auf jeden Fall behandelt werden?
Schiefelbein: Ein gut differenzierter Prostatakrebs mit einem Gleason-Score kleiner als 6, einem PSA-Wert unter 10 und ohne einen ausgedehnten Tastbefund kann in vielen Fällen zunächst nur überwacht werden. Diese aktive Überwachung setzt regelmäßige dreimonatige Untersuchungen des Patienten voraus, um zu erkennen, wann aus einem harmlosen Verlauf ein aggressiverer entsteht. Dann muss die Therapie umgestellt werden und eine Operation mit Entfernung der Prostata oder eine Bestrahlung durchgeführt werden, um den Tumor in dem therapeutischen Zeitfenster heilen zu können.
Bei wem ist eine Behandlung unumgänglich?
Schiefelbein: Bei einem jüngeren Patienten mit mehr als zehn Jahren Lebenserwartung, der eine schlechte Tumordifferenzierung, eine größere Tumorausdehnung und einen erhöhtem PSA-Wert aufweist. Das spricht nämlich für einen aggressiveren Tumor, der operativ entfernt oder bestrahlt werden sollte. Ebenso sollte bei einem symptomatischen und metastasierten Patienten eine Behandlung sofort beginnen. Heutzutage gibt es für nahezu jedes Tumorstadium eine angemessene und erfolgversprechende medikamentöse Therapie, die den Erkrankungsverlauf erheblich verlangsamen kann.
Welche Aspekte sollte man bei der Wahl der richtigen Therapie berücksichtigen?
Schiefelbein: Die Behandlung des Prostatakarzinoms ist immer individuell. Sie richtet sich wesentlich nach dem Tumorstadium und der Tumordifferenzierung sowie den Begleiterkrankungen und dem Alter des Erkrankten. Durch die verbesserten Möglichkeiten der Überwachung des Patienten werden zukünftig immer mehr Betroffene aktiv überwacht werden können, mit dem Ziel, eine Übertherapie zu vermeiden.
Wann ist eine Operation bei Prostatakrebs notwendig?
Schiefelbein: Die Indikationsstellung zur Operation zur radikalen Prostatektomie bei Prostatakarzinom ist eine individuelle Entscheidung. Hierbei sind das Alter des Patienten, sein Gesundheitszustand, die individuellen Tumordaten wie Tumordifferenzierung und Tumorausdehnung sowie der PSA-Wert wichtige Parameter. Der Vorteil der operativen Versorgung ist, dass der Pathologe die Prostata genau untersuchen kann und damit eine exakte Stadiumzuordnung vorgenommen werden kann. Bei einem kapselüberschreitenden Tumor kann dann rechtzeitig eine ergänzende Strahlentherapie die Heilung ermöglichen.
Sie operieren im Missio seit 2008 auch mit dem Da Vinci-System. Was sind die Vorteile dieser Methode?
Schiefelbein: Wir haben im letzten Jahr 470 radikale Prostatektomien im Missio durchgeführt. Davon über 300 mit dem Da Vinci-System. Man kann sagen: Je komplizierter der Eingriff, je aufwendiger die rekonstruktiv präparatorischen Operationsschritte, desto größer ist der Vorteil durch das Da Vinci-System. Die auf diese Weise operierten Patienten haben bereits in der Frühphase nach der Operation eine hohe Rate an Kontinenz. Die Harnkontinenz nach einem Jahr beträgt mehr als 90 Prozent.
Kommt diese Operationsmethode für alle Patienten in Frage?
Schiefelbein: Leider nicht. Bei bestimmten Vorerkrankungen des Patienten, insbesondere Herz-, Lungen- oder Gefäßerkrankungen, kann aufgrund der Lagerung des Patienten mit einer sogenannten Oberkörpertieflagerung der Eingriff mit dem DaVinci nicht durchgeführt werden. Diese Patienten werden in einer differenzierten Technik schnittoperativ versorgt.
Aus welchen Bestandteilen besteht Da Vinci?
Schiefelbein: Der DaVinci besteht aus zwei Komponenten. Da ist einerseits die OP-Konsole mit einem 3D-Monitor und der Steuerungsmöglichkeit der OP-Instrumente, kontrolliert durch eine zentrale Steuer- und Recheneinheit. Und zum anderen gibt es ein mechanisches Seilzugsystem, das die Mikro-Instrumente im Körper des Patienten bewegt. Der Operateur steht im Gegensatz zu einer offenen Schnittoperation nicht selbst am Operationstisch. Er steuert das mechanische System der Mikro-Instrumente an der Konsole mit den Bewegungen von Daumen, Zeigefinger und Handgelenk.
Was ist der Vorteil gegenüber der herkömmlichen Schlüssellochtechnik?
Schiefelbein: Gegenüber der konventionellen Laparoskopie, bei der man ebenfalls durch kleine Schnitte unter der Haut operiert, liefert die Kamera der robotischen Technik ein dreidimensionales, hoch auflösendes Bild. Der Arzt erkennt also wichtige Strukturen wie Nerven und Gefäße leichter und dies macht den Eingriff sicherer. Die speziellen Mikro-Instrumente sind durch Doppelgelenke viel beweglicher als die, die bei einer Laparoskopie eingesetzt werden.
Die Instrumente sind praktisch der „verlängerte Arm“ des Operateurs?
Schiefelbein: Ja. Der Operations-Roboter selbst macht von sich aus keine Bewegung, sondern übersetzt präziser, als es der Operateur selbst könnte, die Operationsschritte. Diese Kombination aus Mensch und Maschine ist damit so erfolgreich, dass sich in den USA die Da Vinci-Methode zur operativen Behandlung des Prostatakarzinoms zu über 90 Prozent durchgesetzt hat.
Was sind die Vorteile für den Operateur?
Schiefelbein: Durch die verwendete Doppelkamera, pro Auge des Operateurs je eine Kamera, wird dem Operateur ein dreidimensionales Bild aus dem Körper übertragen. Durch die HD-Technik hat er eine hervorragende Sicht. Die Bilder können bis zu 15-fach vergrößert werden, insbesondere bei der Gefäßnervenschonung ist dies ein entscheidender Vorteil. Mit der Steuerkonsole steuert der Operateur einen Kamera-Arm und drei Operationsarme. Mikro-Instrumente haben durch Doppelgelenke eine außergewöhnliche Bewegungsfreiheit und können Bewegungen durchführen, wozu ein Mensch mit seinen Fingern nicht in der Lage ist. Hiermit können auf engstem Raum sehr komplexe Präparationsschritte vorgenommen werden. Der Operateur ist die gesamte Operation über sehr entspannt. Er kann an der Steuerkonsole sitzen und die Arme abstützen. Die Bewegung der Instrumente ist absolut zitterfrei und vollständig kontrolliert.
Welche Vorteile hat der Patient?
Schiefelbein: Aufgrund der Bauchspiegelungstechnik sind nur kleine Schnitte, teilweise unter einem Zentimeter, erforderlich. Damit sind die Narben kleiner, Wundheilungsstörungen sind seltener und die Schmerzen nach dem Eingriff geringer. Der Patient erholt sich schneller und kann sich nach dem Krankenhausaufenthalt wieder schneller in das normale Leben integrieren.
Wie lange dauert eine durchschnittliche OP mit dem Da Vinci?
Schiefelbein: Die OP-Zeiten mit dem robotischen System oder der herkömmlichen offenen Schnittoperation sind vergleichbar. Generell sind sie abhängig davon, ob potenzerhaltend oder nicht potenzerhaltend oder ob ausgedehnte Lymphknotenentfernung notwendig ist. Die OP dauert durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Stunden.
Wie groß ist das Team im OP?
Schiefelbein: Direkt an der Operation sind drei Personen beteiligt. Der Operateur an der Steuerkonsole, ein Arzt direkt am Patienten, der über zwei gesonderte Trokare Nahtmaterial einbringt und gegebenenfalls Gewebematerial entfernt sowie die OP-Schwester, die instrumentiert.
Wie viel kostet ein so ein Da Vinci-Operationssystem?
Schiefelbein: Die Kosten sind sehr hoch. Der Anschaffungspreis liegt bei etwa 1,7 Millionen Euro. Dazu kommen die Wartungskosten von pauschal 150000 Euro im Jahr. Die einzelnen Instrumente können nur für zehn Operationen verwendet werden. Anders als in anderen europäischen Ländern und in den USA erfolgt leider in Deutschland noch keine Zusatzabrechnung durch die Krankenkassen.
Wie sehen die Erfolge bei Kontinenz und Potenz aus?
Schiefelbein: Die durch das Da Vinci-System operierten Patienten haben, wie bereits erwähnt, schon in der Frühphase nach der Operation eine hohe Rate an Kontinenz. Die Harnkontinenz nach einem Jahr beträgt hoch in die 90 Prozent. Bei der Potenz muss man das differenzierter sehen. Aus Tumorgründen kann nicht jeder Patient potenzerhaltend operiert werden. Beim Potenzerhalt bleiben Teile der Prostatakapsel im Körper des Patienten. Bei einem ausgedehnten und schlecht differenzierten Tumor kann deshalb diese Operationstechnik gar nicht angewendet werden. Nur bei organbegrenztem Tumor und guter Tumordifferenzierung ist eine potenzerhaltende Operationstechnik anwendbar. Auch hier kommt es darauf an, ob auf beiden Seiten das Nervengefäßbündel erhalten bleiben kann oder nur auf einer Seite. Bei einem jüngeren Patienten mit beidseits potenzerhaltender Operationstechnik gelingt der Erhalt der Potenz ohne Hilfsmittel, in 70 Prozent mit medikamentöser Unterstützung in nahezu 90 Prozent.
Wie lange dauert der Krankenhausaufenthalt?
Schiefelbein: In der Regel zwischen 7 und 9 Tagen.
Zahlt die gesetzliche Krankenkasse?
Schiefelbein: Sie zahlt in Deutschland pauschal einen Betrag für die Durchführung einer radikalen Prostatektomie, unabhängig davon, mit welcher Technik operiert wird. Dennoch werden von unserer Klinik keine Zusatzentgelte vom Patienten verlangt. Im letzten Jahr wurden in Deutschland 24 Prozent aller radikalen Prostatektomien mit dem Da Vinci-System durchgeführt. Wir erwarten in den nächsten Jahren ein Zusatzentgelt, das die Mehrkosten der Instrumente und der Aufbereitung abdeckt.
Bei allen bemerkenswerten Fortschritten: Die Prostata-Operation hat aber auch Nachteile, die der Barmer Krankenhausreport im vergangenen Jahr anhand von Zahlen wie folgt beschrieben hat: 70 Prozent der Patienten klagen nach einer radikalen Operation über Impotenz, 16 Prozent wurden inkontinent.
Schiefelbein: Es zeigen sich Unterschiede in der Qualität der operativen Versorgung. Es gibt verschiedene Untersuchungen, die eindeutig belegen, dass Kliniken mit hoher Expertise und hohen Fallzahlen in der Versorgung auch bessere Operationsergebnisse vorweisen können. Insbesondere die Rate an Harninkontinenz ist, wie erwähnt, bei Versorgung durch Operateure mit großer operativer Erfahrung deutlich geringer und der Potenzerhalt besser.
Kann die Bestrahlung eine echte Alternative zur OP sein?
Schiefelbein: Ja, es gibt Prostatakarzinome, bei denen die Strahlentherapie im Vergleich zur operativen Versorgung gleichwertige Ergebnisse zeigt. Bei einem erhöhten Narkoserisiko durch schwere Vorerkrankungen ist dem Patienten zum Beispiel eher eine Bestrahlung als eine Operation anzuraten.
Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?
Schiefelbein: Frühzeitige Nebenwirkungen einer Bestrahlung sind eine radiogene Cystitis, also eine Blasenentzündung mit häufigem Harndrang und zum Teil erschwertem Wasserlassen. Durch die Mitbestrahlung des Enddarms kann es dort ebenfalls zu einer Reizung führen. Diese Beschwerden sind in der Regel vorübergehend. Spätfolgen können in seltenen Fällen eine Schrumpfblase oder ein erhöhtes Risiko für einen Enddarmtumor darstellen.
Bei Prostatakrebs kommt es häufig auch zu Metastasen im Knochen. Was dann?
Schiefelbein: In einem metastasierten Stadium ist zunächst die Hormonentzugstherapie mit Absinken des männlichen Sexualhormons Testosteron eine gute Behandlungsmöglichkeit, um die Aktivität der meisten Knochenmetastasen deutlich zu verringern. Bei Knochenmetastasen, die eine Knochenbruchgefährdung insbesondere im Wirbelkörperbereich darstellen, ist eine gezielte Bestrahlung eine angemessene Therapie. Weiterhin gibt es Medikamente, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen und die Aktivität der meisten Metastasen im Knochen deutlich verringern und die Gefahr eines Knochenbruches reduzieren. Bei schmerzhaften Knochenmetastasen können radioaktiv markierte eiweißgebundene Substanzen in den Körper eingegeben werden, die sich in den Metastasen einlagern und die Aktivität der Metastasen bremsen.
Sie haben eine breite Palette von Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Aber ist Prostatakrebs überhaupt heilbar?
Schiefelbein: Es ist das Ziel der Vorsorge, ein Prostatakarzinom in einem möglichst organbegrenzten Stadium zu diagnostizieren. Ist der Tumor lokal noch nicht fortgeschritten und hat keine Tochtergeschwülste gesetzt, so haben wir in bis zu 90 Prozent eine komplette Heilung zu erwarten. Positiv zu vermerken ist, dass sich in den letzten Jahren, wie schon erwähnt, die operativen Techniken weiter verfeinert haben. Das gilt auch für die Bestrahlungstechniken. Und gerade in den letzten zwei Jahren sind neue medikamentöse Therapien für das metastasierte Prostatakarzinom zur Anwendung gekommen. Hierbei können auch Tumore in einem fortgeschrittenen Stadium in ihrem Verlauf abgebremst und die Lebensqualität des Patienten verbessert werden.
Dr. Frank Schiefelbein
ist an der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg seit 2006 Chefarzt der Urologie. Sein wissenschaftliches Hauptinteresse gilt der radikalen Prostatachirurgie, insbesondere den DaVinci OP-Techniken, der minimal-invasiven Endourologie und Mikrochirurgie sowie der Laserchirurgie der Prostata. Die Missio-Urologie ist unter anderem auch Referenzzentrum für die Ausbildung mit dem Greenlight-Laser. Auf nationalen und internationalen Kongressen demonstrierte der Mediziner spezielle OP-Techniken, die auch in Filmen und Lehrbüchern Eingang gefunden haben.
Viele Männer fürchten sich vor der Behandlung. Denn nicht selten sind Impotenz und Inkontinenz die Folge. „Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Patient umfassend über die Erkrankung und über alle möglichen sinnvollen Therapien aufgeklärt wird“, sagt Dr. Frank Schiefelbein, Chefarzt der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg. Im Gespräch mit dieser Zeitung rät der Prostata-Experte Männern ab dem 45. Lebensjahr unbedingt einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen.
Die Prostata-Sprechstunde und Dr. Frank Schiefelbein
Was tun bei Prostatakrebs? So lautet das Thema einer gemeinsamen Veranstaltung der Main-Post-Akademie und der Missionsärztlichen Klinik Würzburg. Die Experten Dr. Frank Schiefelbein und Dr. Georg Schön stehen den Zuhörern am Samstag, 16.November, von 10 bis 12 Uhr in der Cafeteria des Missio ausführlich Rede und Antwort.
Bei einem anschließenden Podiumsgespräch diskutieren die beiden Chefärzte unter anderem mit dem mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger im Degenfechten, Alexander Pusch, über Vorsorge, Diagnostik und Therapie beim Prostata-Karzinom. Pusch war selbst an Prostatakrebs erkrankt. Die Moderation übernimmt Michael Reinhard, Chefredakteur der Mediengruppe Main-Post.
Informationen und Anmeldung unter www.mainpost.de/akademie.
Was tun bei Prostatakrebs? So lautet das Thema einer gemeinsamen Veranstaltung der Main-Post-Akademie und der Missionsärztlichen Klinik Würzburg. Die Experten Dr. Frank Schiefelbein und Dr. Georg Schön stehen den Zuhörern am Samstag, 16.November, von 10 bis 12 Uhr in der Cafeteria des Missio ausführlich Rede und Antwort.
Bei einem anschließenden Podiumsgespräch diskutieren die beiden Chefärzte unter anderem mit dem mehrfachen Weltmeister und Olympiasieger im Degenfechten, Alexander Pusch, über Vorsorge, Diagnostik und Therapie beim Prostata-Karzinom. Pusch war selbst an Prostatakrebs erkrankt. Die Moderation übernimmt Michael Reinhard, Chefredakteur der Mediengruppe Main-Post.
Informationen und Anmeldung unter www.mainpost.de/akademie.
Frage: Wie hoch ist eigentlich das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken?
Frank Schiefelbein: Mit jährlich nahezu 67000 Neuerkrankungen ist der Prostatakrebs der häufigste Tumor des Mannes. Jedes Jahr sterben etwa 13000 Männer in Deutschland an dieser Erkrankung. Statistisch gesehen liegt das Lebenszeitrisiko, an Prostatakrebs zu erkranken, bei etwa 13 Prozent, etwa drei Prozent der Patienten sterben daran. In den letzten 30 Jahren haben sich Vorsorge und medizinische Therapie allerdings erheblich verbessert.
Ab wann ist eine Vorsorgeuntersuchung wegen Prostatakrebs sinnvoll?
Schiefelbein: Im Rahmen der Krebs-Früherkennungsuntersuchung bieten die gesetzlichen Krankenkassen Männern ab dem 45. Lebensjahr einmal jährlich eine Vorsorgeuntersuchung an. Hierbei wird die Prostata vom Arzt über den Enddarm mit dem Finger abgetastet. Auf Wunsch des Patienten kann eine erweiterte Vorsorge durchgeführt werden. Hierbei kann der PSA-Wert und eine über den Enddarm durchgeführte spezielle Ultraschalluntersuchung vorgenommen werden. Der PSA-Anstieg gilt als ein wichtiger Frühindikator in der Diagnostik des Prostatakarzinoms. Bei erblicher Vorbelastung ist es ratsam, die Vorsorge ab dem 40. Lebensjahr zu beginnen.
Wie aussagefähig ist denn eine solche Untersuchung?
Schiefelbein: Eine regelmäßige, unauffällige Prostatavorsorgeuntersuchung mit Tastbefund, PSA-Wert und Ultraschall kann das Vorliegen eines relevanten Prostatakrebses mit guter Sicherheit ausschließen.
Schließt ein normaler PSA-Wert von vornherein ein Prostatakarzinom aus?
Schiefelbein: PSA heißt prostataspezifisches Antigen. Dies ist eine Eiweißsubstanz, die im Blut des Patienten nachgewiesen wird. Der PSA-Wert ist leider nicht hundertprozentig aussagekräftig. Der Prostatakrebs ist ein sehr unterschiedlich zu wertender Tumor. Bei bis zu 15 Prozent der Prostatakarzinome ist der PSA-Wert des Patienten nicht erhöht. Im Zweifelsfall können aber andere Laborparameter, wie der PCA-3-Test, herangezogen werden.
Immer mehr Studien lassen die aktuellen Vorsorgemaßnahmen zwiespältig erscheinen. Schaden PSA-Tests zur Früherkennung von Prostatakrebs eventuell mehr als sie nutzen?
Schiefelbein: Der PSA-Wert ist derzeit der sensibelste Parameter in der Frühdiagnostik des Prostatakrebses. Ein sehr differenzierter Umgang mit dem PSA-Wert, unter Abwägung des individuellen Risikos des Patienten, ist eine grundlegende Voraussetzung, um verantwortungsvoll mit dem PSA-Wert umzugehen. Der Prostatakrebs hat sehr unterschiedliche Verlaufsformen. Wichtig ist die Bewertung des individuellen Risikoprofils bei jedem Patienten, um eine Übertherapie zu vermeiden.
Auf welche Warnzeichen sollte man grundsätzlich achten?
Schiefelbein: Leider gibt es keine frühen Warnzeichen. Beschwerden beim Wasserlassen könnten auf eine Erkrankung der Prostata hinweisen. Wenn der Tumor nämlich eine gewisse Größe erreicht hat, wird die Harnröhre, die von der Prostata umschlossen wird, dadurch verdrängt und das Wasserlassen erschwert. In einem fortgeschrittenen Stadium können Blutungen beim Wasserlassen oder beim Samenerguss auftreten. In einigen Fällen sind auch Rückenschmerzen wie bei einem Hexenschuss zu verzeichnen, da Knochenmetastasen typischerweise im Bereich der Wirbelsäule ansiedeln.
Was ist zu tun, wenn Verdacht auf Prostatakrebs besteht?
Schiefelbein: Dann muss die Diagnose durch eine feingewebliche Untersuchung gesichert werden. Hierbei wird in Lokalanästhesie nahezu schmerzfrei eine Feinnadelbiopsie – auch Stanzbiopsie genannt - durchgeführt. Dadurch lässt sich ein Bild von der möglichen Ausdehnung des Tumors gewinnen. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Therapieplanung. So auch für das operative Vorgehen, insbesondere mit der Fragestellung, ob eine nerven- und gefäßschonende potenzerhaltende Operation möglich ist.
Ist eine Gewebeentnahme unbedingt erforderlich?
Schiefelbein: Nur durch eine Gewebeentnahme kann die Diagnose Prostatakrebs gesichert werden. Die Ergebnisse aus der feingeweblichen Untersuchung sind wichtige Grandlagen für die Therapieentscheidung .
Kritiker bemängeln, dass angeblich zu viele Biopsien vorgenommen werden.
Schiefelbein: Die Indikation zur erweiterten Prostatadiagnostik mit PSA-Bestimmung, transrektalem Ultraschall und der Entnahme einer Prostatabiopsie ist eine individuelle Entscheidung des Patienten. Sie bedarf einer sorgfältigen Beratung durch den behandelnden Arzt. Dabei müssen Nutzen und Risiko besprochen werden. Generell gilt es selbstverständlich, eine Überdiagnostik und Übertherapie zu vermeiden – und gleichzeitig das zu späte Diagnostizieren eines Prostatakrebses so weit wie möglich auszuschließen.
Es wird häufig kritisiert, dass Diagnose und Trefferquote bei der Untersuchung von Stanzproben zu wünschen übrig lassen.
Schiefelbein: Die Durchführung der Stanzbiopsie ist in den Leitlinien zum Prostatakarzinom standardisiert. Ziel ist es, das klinisch signifikante Prostatakarzinom zu diagnostizieren. Gegebenenfalls können weitere Untersuchungen wie Kernspintomographie oder rechnergestützte Ultraschalluntersuchungen mit Elastographie die Diagnostik verfeinern. Mit hinreichender Sicherheit kann dabei ein Prostatakarzinom nachgewiesen oder ausgeschlossen werden.
Muss Prostatakrebs auf jeden Fall behandelt werden?
Schiefelbein: Ein gut differenzierter Prostatakrebs mit einem Gleason-Score kleiner als 6, einem PSA-Wert unter 10 und ohne einen ausgedehnten Tastbefund kann in vielen Fällen zunächst nur überwacht werden. Diese aktive Überwachung setzt regelmäßige dreimonatige Untersuchungen des Patienten voraus, um zu erkennen, wann aus einem harmlosen Verlauf ein aggressiverer entsteht. Dann muss die Therapie umgestellt werden und eine Operation mit Entfernung der Prostata oder eine Bestrahlung durchgeführt werden, um den Tumor in dem therapeutischen Zeitfenster heilen zu können.
Bei wem ist eine Behandlung unumgänglich?
Schiefelbein: Bei einem jüngeren Patienten mit mehr als zehn Jahren Lebenserwartung, der eine schlechte Tumordifferenzierung, eine größere Tumorausdehnung und einen erhöhtem PSA-Wert aufweist. Das spricht nämlich für einen aggressiveren Tumor, der operativ entfernt oder bestrahlt werden sollte. Ebenso sollte bei einem symptomatischen und metastasierten Patienten eine Behandlung sofort beginnen. Heutzutage gibt es für nahezu jedes Tumorstadium eine angemessene und erfolgversprechende medikamentöse Therapie, die den Erkrankungsverlauf erheblich verlangsamen kann.
Welche Aspekte sollte man bei der Wahl der richtigen Therapie berücksichtigen?
Schiefelbein: Die Behandlung des Prostatakarzinoms ist immer individuell. Sie richtet sich wesentlich nach dem Tumorstadium und der Tumordifferenzierung sowie den Begleiterkrankungen und dem Alter des Erkrankten. Durch die verbesserten Möglichkeiten der Überwachung des Patienten werden zukünftig immer mehr Betroffene aktiv überwacht werden können, mit dem Ziel, eine Übertherapie zu vermeiden.
Wann ist eine Operation bei Prostatakrebs notwendig?
Schiefelbein: Die Indikationsstellung zur Operation zur radikalen Prostatektomie bei Prostatakarzinom ist eine individuelle Entscheidung. Hierbei sind das Alter des Patienten, sein Gesundheitszustand, die individuellen Tumordaten wie Tumordifferenzierung und Tumorausdehnung sowie der PSA-Wert wichtige Parameter. Der Vorteil der operativen Versorgung ist, dass der Pathologe die Prostata genau untersuchen kann und damit eine exakte Stadiumzuordnung vorgenommen werden kann. Bei einem kapselüberschreitenden Tumor kann dann rechtzeitig eine ergänzende Strahlentherapie die Heilung ermöglichen.
Sie operieren im Missio seit 2008 auch mit dem Da Vinci-System. Was sind die Vorteile dieser Methode?
Schiefelbein: Wir haben im letzten Jahr 470 radikale Prostatektomien im Missio durchgeführt. Davon über 300 mit dem Da Vinci-System. Man kann sagen: Je komplizierter der Eingriff, je aufwendiger die rekonstruktiv präparatorischen Operationsschritte, desto größer ist der Vorteil durch das Da Vinci-System. Die auf diese Weise operierten Patienten haben bereits in der Frühphase nach der Operation eine hohe Rate an Kontinenz. Die Harnkontinenz nach einem Jahr beträgt mehr als 90 Prozent.
Kommt diese Operationsmethode für alle Patienten in Frage?
Schiefelbein: Leider nicht. Bei bestimmten Vorerkrankungen des Patienten, insbesondere Herz-, Lungen- oder Gefäßerkrankungen, kann aufgrund der Lagerung des Patienten mit einer sogenannten Oberkörpertieflagerung der Eingriff mit dem DaVinci nicht durchgeführt werden. Diese Patienten werden in einer differenzierten Technik schnittoperativ versorgt.
Aus welchen Bestandteilen besteht Da Vinci?
Schiefelbein: Der DaVinci besteht aus zwei Komponenten. Da ist einerseits die OP-Konsole mit einem 3D-Monitor und der Steuerungsmöglichkeit der OP-Instrumente, kontrolliert durch eine zentrale Steuer- und Recheneinheit. Und zum anderen gibt es ein mechanisches Seilzugsystem, das die Mikro-Instrumente im Körper des Patienten bewegt. Der Operateur steht im Gegensatz zu einer offenen Schnittoperation nicht selbst am Operationstisch. Er steuert das mechanische System der Mikro-Instrumente an der Konsole mit den Bewegungen von Daumen, Zeigefinger und Handgelenk.
Was ist der Vorteil gegenüber der herkömmlichen Schlüssellochtechnik?
Schiefelbein: Gegenüber der konventionellen Laparoskopie, bei der man ebenfalls durch kleine Schnitte unter der Haut operiert, liefert die Kamera der robotischen Technik ein dreidimensionales, hoch auflösendes Bild. Der Arzt erkennt also wichtige Strukturen wie Nerven und Gefäße leichter und dies macht den Eingriff sicherer. Die speziellen Mikro-Instrumente sind durch Doppelgelenke viel beweglicher als die, die bei einer Laparoskopie eingesetzt werden.
Die Instrumente sind praktisch der „verlängerte Arm“ des Operateurs?
Schiefelbein: Ja. Der Operations-Roboter selbst macht von sich aus keine Bewegung, sondern übersetzt präziser, als es der Operateur selbst könnte, die Operationsschritte. Diese Kombination aus Mensch und Maschine ist damit so erfolgreich, dass sich in den USA die Da Vinci-Methode zur operativen Behandlung des Prostatakarzinoms zu über 90 Prozent durchgesetzt hat.
Was sind die Vorteile für den Operateur?
Schiefelbein: Durch die verwendete Doppelkamera, pro Auge des Operateurs je eine Kamera, wird dem Operateur ein dreidimensionales Bild aus dem Körper übertragen. Durch die HD-Technik hat er eine hervorragende Sicht. Die Bilder können bis zu 15-fach vergrößert werden, insbesondere bei der Gefäßnervenschonung ist dies ein entscheidender Vorteil. Mit der Steuerkonsole steuert der Operateur einen Kamera-Arm und drei Operationsarme. Mikro-Instrumente haben durch Doppelgelenke eine außergewöhnliche Bewegungsfreiheit und können Bewegungen durchführen, wozu ein Mensch mit seinen Fingern nicht in der Lage ist. Hiermit können auf engstem Raum sehr komplexe Präparationsschritte vorgenommen werden. Der Operateur ist die gesamte Operation über sehr entspannt. Er kann an der Steuerkonsole sitzen und die Arme abstützen. Die Bewegung der Instrumente ist absolut zitterfrei und vollständig kontrolliert.
Welche Vorteile hat der Patient?
Schiefelbein: Aufgrund der Bauchspiegelungstechnik sind nur kleine Schnitte, teilweise unter einem Zentimeter, erforderlich. Damit sind die Narben kleiner, Wundheilungsstörungen sind seltener und die Schmerzen nach dem Eingriff geringer. Der Patient erholt sich schneller und kann sich nach dem Krankenhausaufenthalt wieder schneller in das normale Leben integrieren.
Wie lange dauert eine durchschnittliche OP mit dem Da Vinci?
Schiefelbein: Die OP-Zeiten mit dem robotischen System oder der herkömmlichen offenen Schnittoperation sind vergleichbar. Generell sind sie abhängig davon, ob potenzerhaltend oder nicht potenzerhaltend oder ob ausgedehnte Lymphknotenentfernung notwendig ist. Die OP dauert durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Stunden.
Wie groß ist das Team im OP?
Schiefelbein: Direkt an der Operation sind drei Personen beteiligt. Der Operateur an der Steuerkonsole, ein Arzt direkt am Patienten, der über zwei gesonderte Trokare Nahtmaterial einbringt und gegebenenfalls Gewebematerial entfernt sowie die OP-Schwester, die instrumentiert.
Wie viel kostet ein so ein Da Vinci-Operationssystem?
Schiefelbein: Die Kosten sind sehr hoch. Der Anschaffungspreis liegt bei etwa 1,7 Millionen Euro. Dazu kommen die Wartungskosten von pauschal 150000 Euro im Jahr. Die einzelnen Instrumente können nur für zehn Operationen verwendet werden. Anders als in anderen europäischen Ländern und in den USA erfolgt leider in Deutschland noch keine Zusatzabrechnung durch die Krankenkassen.
Wie sehen die Erfolge bei Kontinenz und Potenz aus?
Schiefelbein: Die durch das Da Vinci-System operierten Patienten haben, wie bereits erwähnt, schon in der Frühphase nach der Operation eine hohe Rate an Kontinenz. Die Harnkontinenz nach einem Jahr beträgt hoch in die 90 Prozent. Bei der Potenz muss man das differenzierter sehen. Aus Tumorgründen kann nicht jeder Patient potenzerhaltend operiert werden. Beim Potenzerhalt bleiben Teile der Prostatakapsel im Körper des Patienten. Bei einem ausgedehnten und schlecht differenzierten Tumor kann deshalb diese Operationstechnik gar nicht angewendet werden. Nur bei organbegrenztem Tumor und guter Tumordifferenzierung ist eine potenzerhaltende Operationstechnik anwendbar. Auch hier kommt es darauf an, ob auf beiden Seiten das Nervengefäßbündel erhalten bleiben kann oder nur auf einer Seite. Bei einem jüngeren Patienten mit beidseits potenzerhaltender Operationstechnik gelingt der Erhalt der Potenz ohne Hilfsmittel, in 70 Prozent mit medikamentöser Unterstützung in nahezu 90 Prozent.
Wie lange dauert der Krankenhausaufenthalt?
Schiefelbein: In der Regel zwischen 7 und 9 Tagen.
Zahlt die gesetzliche Krankenkasse?
Schiefelbein: Sie zahlt in Deutschland pauschal einen Betrag für die Durchführung einer radikalen Prostatektomie, unabhängig davon, mit welcher Technik operiert wird. Dennoch werden von unserer Klinik keine Zusatzentgelte vom Patienten verlangt. Im letzten Jahr wurden in Deutschland 24 Prozent aller radikalen Prostatektomien mit dem Da Vinci-System durchgeführt. Wir erwarten in den nächsten Jahren ein Zusatzentgelt, das die Mehrkosten der Instrumente und der Aufbereitung abdeckt.
Bei allen bemerkenswerten Fortschritten: Die Prostata-Operation hat aber auch Nachteile, die der Barmer Krankenhausreport im vergangenen Jahr anhand von Zahlen wie folgt beschrieben hat: 70 Prozent der Patienten klagen nach einer radikalen Operation über Impotenz, 16 Prozent wurden inkontinent.
Schiefelbein: Es zeigen sich Unterschiede in der Qualität der operativen Versorgung. Es gibt verschiedene Untersuchungen, die eindeutig belegen, dass Kliniken mit hoher Expertise und hohen Fallzahlen in der Versorgung auch bessere Operationsergebnisse vorweisen können. Insbesondere die Rate an Harninkontinenz ist, wie erwähnt, bei Versorgung durch Operateure mit großer operativer Erfahrung deutlich geringer und der Potenzerhalt besser.
Kann die Bestrahlung eine echte Alternative zur OP sein?
Schiefelbein: Ja, es gibt Prostatakarzinome, bei denen die Strahlentherapie im Vergleich zur operativen Versorgung gleichwertige Ergebnisse zeigt. Bei einem erhöhten Narkoserisiko durch schwere Vorerkrankungen ist dem Patienten zum Beispiel eher eine Bestrahlung als eine Operation anzuraten.
Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus?
Schiefelbein: Frühzeitige Nebenwirkungen einer Bestrahlung sind eine radiogene Cystitis, also eine Blasenentzündung mit häufigem Harndrang und zum Teil erschwertem Wasserlassen. Durch die Mitbestrahlung des Enddarms kann es dort ebenfalls zu einer Reizung führen. Diese Beschwerden sind in der Regel vorübergehend. Spätfolgen können in seltenen Fällen eine Schrumpfblase oder ein erhöhtes Risiko für einen Enddarmtumor darstellen.
Bei Prostatakrebs kommt es häufig auch zu Metastasen im Knochen. Was dann?
Schiefelbein: In einem metastasierten Stadium ist zunächst die Hormonentzugstherapie mit Absinken des männlichen Sexualhormons Testosteron eine gute Behandlungsmöglichkeit, um die Aktivität der meisten Knochenmetastasen deutlich zu verringern. Bei Knochenmetastasen, die eine Knochenbruchgefährdung insbesondere im Wirbelkörperbereich darstellen, ist eine gezielte Bestrahlung eine angemessene Therapie. Weiterhin gibt es Medikamente, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen und die Aktivität der meisten Metastasen im Knochen deutlich verringern und die Gefahr eines Knochenbruches reduzieren. Bei schmerzhaften Knochenmetastasen können radioaktiv markierte eiweißgebundene Substanzen in den Körper eingegeben werden, die sich in den Metastasen einlagern und die Aktivität der Metastasen bremsen.
Sie haben eine breite Palette von Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Aber ist Prostatakrebs überhaupt heilbar?
Schiefelbein: Es ist das Ziel der Vorsorge, ein Prostatakarzinom in einem möglichst organbegrenzten Stadium zu diagnostizieren. Ist der Tumor lokal noch nicht fortgeschritten und hat keine Tochtergeschwülste gesetzt, so haben wir in bis zu 90 Prozent eine komplette Heilung zu erwarten. Positiv zu vermerken ist, dass sich in den letzten Jahren, wie schon erwähnt, die operativen Techniken weiter verfeinert haben. Das gilt auch für die Bestrahlungstechniken. Und gerade in den letzten zwei Jahren sind neue medikamentöse Therapien für das metastasierte Prostatakarzinom zur Anwendung gekommen. Hierbei können auch Tumore in einem fortgeschrittenen Stadium in ihrem Verlauf abgebremst und die Lebensqualität des Patienten verbessert werden.
Dr. Frank Schiefelbein
ist an der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg seit 2006 Chefarzt der Urologie. Sein wissenschaftliches Hauptinteresse gilt der radikalen Prostatachirurgie, insbesondere den DaVinci OP-Techniken, der minimal-invasiven Endourologie und Mikrochirurgie sowie der Laserchirurgie der Prostata. Die Missio-Urologie ist unter anderem auch Referenzzentrum für die Ausbildung mit dem Greenlight-Laser. Auf nationalen und internationalen Kongressen demonstrierte der Mediziner spezielle OP-Techniken, die auch in Filmen und Lehrbüchern Eingang gefunden haben.
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