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DORTMUND/AACHEN
Profis über die Schulter schauen
Blick über die Schulter: In einem Pilotprogramm können sich Studenten erste Einblicke in die Realität der Berufswelt verschaffen.
Foto: dpa | Blick über die Schulter: In einem Pilotprogramm können sich Studenten erste Einblicke in die Realität der Berufswelt verschaffen.
Von epd-Korrespondentin Jasmin Maxwell
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:35 Uhr

Im Dortmunder Jugendamt lassen sich einige Mitarbeiter regelmäßig beschatten. Seit zwei Jahren kommen immer wieder Studenten in die Behörde und blicken den Fachkräften über die Schulter. „Job Shadowing“, auf Deutsch: „Berufsbeschattung“, nennt sich das Programm, das das Jugendamt zusammen mit der Fachhochschule (FH) Dortmund ins Leben gerufen hat.

Studenten begleiten dabei eine Woche lang erfahrene Mitarbeiter zum Beispiel zu Terminen in Pflegefamilien, beobachten und stellen Fragen. Anders als beim Praktikum arbeiten sie aber nicht selbst mit. „Das ist Berufsalltag-Schnuppern in Kurzform“, sagt Ute Kreuz-Fink, Fachreferentin für Jugendberufshilfe bei der Stadt Dortmund und Leiterin des Kooperationsprojekts.

In den USA und England sind „Job Shadowing“-Programme an Universitäten und Schulen weit verbreitet. Schüler oder Studenten beobachten dabei einige Tage lang den Alltag in ihrem Wunschberuf. Hierzulande ist das Konzept noch selten.

Die FH Dortmund bietet Studenten des Fachbereichs Angewandte Sozialwissenschaften seit Ende 2010 in einem Seminar zur Berufsorientierung eine „Job Shadowing“-Woche an. An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen gibt es seit 2012 „Job Shadowing“. Studenten können etwa bei Finanzdienstleistern oder Kosmetikunternehmen einen Tag verbringen.

Dietrich Hunold, der an der Uni für das Ehemaligen-Netzwerk zuständig ist, koordiniert das Programm mit. „In ein Praktikum müssen Studierende viel Zeit investieren“, sagt er. In Zeiten von Bachelorstudiengängen mit vollen Stundenplänen sei das für viele ein Problem. Hunold glaubt, dass ein Tag reicht, um einen guten Einblick in den Arbeitsalltag zu bekommen. Er rät Unternehmen, den „Job Shadowing“-Tag möglichst typisch zu gestalten und auch simple Arbeiten wie das Beantworten von E-Mails nicht auszublenden.

„Ein Student sagte: Das war für mich so wertvoll wie ein achtwöchiges Praktikum“, berichtet Hunold. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren Kritik an schlechten Arbeitsverhältnissen in Praktika laut. Bettina König, Mitgründerin des Vereins „fairwork“, kritisiert, dass Praktikanten vielfach schlecht oder gar nicht bezahlt und als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt würden.

Beim „Job Shadowing“ besteht diese Gefahr nicht – mitarbeiten sollen die Teilnehmer schließlich nicht. Ersetzen kann die Kurzzeitbeschattung Praktika dennoch nicht, wie die Programm-Organisatoren aus Dortmund und Aachen betonen. Vielmehr gehe es um Berufsorientierung, sagt Ute Kreuz-Fink: „Ein Studierender kann noch mal gucken, in welchem Bereich er sich gut fühlt, und er kann die Theorie aus dem Studium in der Praxis umgesetzt sehen.“ Auch König vom Praktikanten-Verein „fairwork“ sagt: „Um zu lernen, muss man nicht nur zugucken, sondern auch mitarbeiten.“ Ein Tag genüge dazu nicht. „Job Shadowing“ könne aber gut für die Orientierung und erste Kontaktaufnahme sein.

Da das Konzept in Deutschland noch wenig bekannt ist, sei es anfangs schwierig gewesen, Mitarbeiter zu überzeugen, sich beschatten zu lassen, berichtet Kreuz-Fink vom Dortmunder Jugendamt. Nach dem „Job Shadowing“ seien die Rückmeldungen aber durchweg sehr positiv gewesen – sogar eine Festanstellung entstand daraus. An der Universität Paderborn scheiterte der Aufbau eines Programms bislang aber daran, dass nicht genügend Firmen mitmachen wollten – sie befürchteten großen Organisationsaufwand und auch dass Interna nach außen gelangen könnten.

Solche Probleme kennt Hunold von der Uni Aachen nicht. Er hebt die Vorteile für die Betriebe hervor: „,Job Shadowing' ist eine Möglichkeit, mit Talenten in Kontakt zu kommen.“ Chefs könnten über potenzielle Arbeitnehmer dabei viel mehr erfahren als in einem Bewerbungsgespräch. In Aachen denkt man daher sogar darüber nach, Unternehmen, die nicht über ehemalige Studenten mit der Uni verbunden sind, für das „Job Shadowing“ bezahlen zu lassen.

 
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