Wegen dieses einen Resultates, wegen dieses einen Resultates zumindest, hätten sie Michael Wiesinger beim Club also doch nicht rauszuwerfen brauchen. Denn ein nicht ganz zufriedenstellendes, aber auch nicht völlig ungenügendes 1:1 jener Machart, wie es der 1. FC Nürnberg am schönen Spätoktobersamstag bei der Eintracht in Frankfurt fabrizierte, war unter dem geschassten Club-Coach geradezu Standard gewesen. Zigfach ist es schon ähnlich passiert: Erst geht fast gar nichts, liefert die Mannschaft eine sehr sehr schwache erste Hälfte ab, gerät sie zum Glück nur 0:1 aufholbar in Rückstand – und biegt das Ding tatsächlich durch ein spätes kämpferisches Aufbäumen und irgendwie erzieltes Tor noch in ein Unentschieden um. Es war zwar immerhin das sechste im neunten Auftritt der Saison, aber eben erneut kein Dreier. Kein Dreier, der doch so bitter nötig wäre.
„Nach dem 0:1 haben wohl alle befürchtet, es geht so übel weiter wie beim 0:5 gegen den HSV“, erklärte Kapitän und Keeper Raphael Schäfer hernach im Widerstreit zwischen Glücklich-Sein über den wertvollen Zähler, aber auch Nicht-Wirklich-Zufrieden-Sein damit. Und Schäfer lag völlig richtig mit dieser seiner Einschätzung. Denn einen weiteren Einbruch hatten viele Cluberer trotz Schäfers neuerlich starker Paraden tatsächlich befürchtet. „Aber wir hatten uns was vorgenommen und hätten am Ende mit Glück ja sogar noch gewinnen können“, fügte der Torhüter dem an: „Es ist leider selbst mir teilweise nicht erklärbar, warum wir am Anfang immer erst einen in die Fresse kriegen müssen.“ Schäfer, der sonst so besonnene Analytiker in eigener Sache, sagte wirklich „in die Fresse kriegen“ – und weil er das wohl so meinte, schreiben wir es trotz Bedenken hin.
Armin Veh hätte man ebenfalls grantig erwartet. Doch der Trainer der Eintracht kommentierte das 1:1 eher tolerant. „Nach der Pause kam Nürnberg zwar besser. Aber in erster Linie haben wir aufgehört zu spielen und die Führung zu sehr verwaltet“, analysierte er die Partie angemessen, wobei die Frage offen blieb, ob seine Frankfurter Elf derzeit womöglich einfach nicht besser ist: Denn riesig geglänzt hatte die Eintracht auch in ihrer Dominanz-Phase nicht. Das 1:0 in der 50. Minute nach einer feinen Kombination über Bamba Anderson und Alexander Meier durch Václav Kadlec war der schönste Angriffszug der Begegnung, der 1:1-Ausgleich in der 86. Minute nach einem netten Duett der Einwechselleute Robert Mak und Josip Drmic sicherlich der zweitschönste und auch von daher überraschend. „Durch seine höhere Aggressivität und Risikobereitschaft in der zweiten Halbzeit hat sich der Club den Punkt verdient“, lautete das finale Fazit von Veh – und damit war alles gesagt über ein Fußballspiel, bei dem die sonnige Kulisse mit 50 200 Zuschauern vermutlich das Feinste war.
20 Karten für die Familie, seine Verwandt- und Bekanntschaft hatte Club-Interimstrainer Roger Prinzen eigens für das meistbeachtete Spiel seines Lebens erworben. „Ich hoffe, dass mir der Club bei der Bezahlung hilft“, beliebte er später zu scherzen und war spürbar stolz aufs Erreichte: „Das war ein herausragender Tag!“ Es klang glaubhaft und sympathisch. Sein Vertrauen in den zuletzt nicht allerseits geschätzten Mak oder in den Reserve-Akteur Antonio-Mirko Colak hatte sich nicht gerächt. Den wackelnden Javier Pinola brachte er von Anfang an, und der allen Ernstes beim AC Mailand begehrte Marvin Plattenhardt rückte dafür eine Reihe voran in Prinzens 4:4:1:1-System, wo es nach wie vor ein paar Ausfälle gab, neben Plattenhardt Hiroshi Kiyotake zum Beispiel. „Gott sei Dank hat es noch zum imponierend verdienten Punkt gelangt“, sagte der Mann mit der Leidenschaft eines Newcomers, der höchstwahrscheinlich als einzig ungeschlagener Club-Trainer in die FCN-Historie eingehen wird und von daher ebenso freundlich sagen durfte: „Der Verein weiß, was er an mir hat. Dankeschön!“ Prinzen, ein Hesse halt, sagte der „Verein“ – und nicht der „Club“.
Ob nun doch Marcel Koller oder der frühere Alex-Ferguson-Assistent René Meulensteen oder vielleicht ein geheimer Dritter in dieser Woche, wie es avisiert ist, als wirklicher Wiesinger-Nachfolger antreten wird, blieb derweil auch in Frankfurt eine zähe Geduldsprobe. Um den Laden in Ordnung zu halten, hat Roger Prinzen pflichtbewusst die Arbeitstermine bis zum Freitagabendtreffen beim VfB Stuttgart bereits festgelegt: Am Montag ist frei, Dienstag zweimal, Mittwoch und Donnerstag je einmal Training, komme wer wolle. Eintracht-Legende Dragoslav „Stepi“ Stepanovic war übrigens ebenfalls zu Gast im Stadion und suchte auffällig viel Nähe zu den Medien. Der neue Club-Coach, soviel ist sicher, wird er allerdings nicht.