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WÜRZBURG
Pressesprecher Henneberger macht die Fliege
Von unserem Redaktionsmitglied Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:06 Uhr

Über den Mann mit der Fliege ließen sich Dutzende von Geschichten erzählen. Eine geht so: Vor vielen Jahren war Heinz Henneberger Polizei-Einsatzleiter bei „Fastnacht in Franken“ in Veitshöchheim. Die prominenten Gäste (darunter viele Politiker) hatten gerade ihre Plätze eingenommen, die Personenschützer in einem Nebenraum der Mainfrankensäle begannen aufzuatmen. Doch mitten in die beginnende Prunksitzung vor Millionen Fernsehzuschauern kam die Nachricht: Unter dem Tisch des Innenministers könnte eine Bombe sein.

Eine Explosion unter 500 Gästen hätte ein Blutbad bedeutet. Zwar gab es Evakuierungspläne. Personenschützer wollten den Saal stürmen, um den Minister zu retten – was wohl Panik ausgelöst hätte. Einen Moment herrschte Ratlosigkeit.

Doch der unkonventionelle Henneberger wahrte kühlen Kopf. Er ließ einen der Saaldiener in seinem bunten Hexenkostüm herausrufen. Im kleinen Raum der Einsatzleitung befahl er: „Ausziehen!“ Ein Personenschützer schlüpfte in sein Kostüm, konnte unauffällig in den Saal schlüpfen. Er kroch unter den Tisch des Innenministers. „Keine Bombe!“ meldete er – und „Fastnacht in Franken“ feierte ahnungslos weiter.

Wäre das schiefgegangen, hätte Henneberger damals die Fliege machen müssen. Jahrzehnte später geht mit ihm nicht der Mann an der Spitze, aber das bekannteste Gesicht der Polizei in Unterfranken in Ruhestand: Ein Mann, der viele Posten ausfüllte, vom Dienstgruppenleiter über den Kripo-Chef Schweinfurt bis zuletzt zum Leiter des Präsidialbüros – vor allem aber der geborene Pressesprecher. Wenn „die Hütte brannte“, brachte er die Perspektive der Polizei mit beängstigender Geduld und Gelassenheit an die Medienvertreter – ein echter Überzeugungstäter.

Flagge zeigen, Themen ins richtige Fahrwasser bringen, war sein Credo, und immer: „Agieren statt reagieren.“ Mochten andere Pressesprecher warteten, ob der mediale Sturm (manchmal nur ein Windchen) vorüberzieht, wenn sie den Kopf einziehen – Henneberger streckte lieber den Kopf mit der Fliege heraus, um seine Sicht der Dinge zu erklären.

Vielen jungen Polizisten, die bei ihm arbeiteten, hat er die Angst vor den Medien genommen – und jenen Journalisten, denen er zu trauen gelernt hatte, gab er tiefe Einblicke in Polizeiarbeit, die ihnen erlaubten, genauere Berichte zu schreiben. Wie viele heikle Situationen er damit entschärft hat, indem er sich erklärend, schützend, puffernd, gelegentlich auch abwürgend zwischen seine Kollegen und die Antwort heischenden Medien warf? Ein Indiz dafür mag sein, dass negative Schlagzeilen – wie in Rosenheim oder München – in Unterfranken Mangelware blieben.

Um seinen Abschied machte er kein Gedöns. „Schreibtisch und Schränke sind geräumt“, meldete er am Montag. Nun gehe er in Ruhestand, ob wohlverdient, „müssen andere beurteilen. Dass es aber an der Zeit ist, das kann ich mit Sicherheit sagen“, sprach er, dankte dem Presseteam um seinen Nachfolger Karl-Heinz Schmitt mit einem Vierzeiler des fränkisches Dichters Friedrich Rückert: „Füge dich der Zeit, / erfülle deinen Platz, / und räum ihn auch getrost: / Es fehlt nicht an Ersatz.“

Dann machte er die Fliege.

 
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