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WÜRZBURG
Precht und die Schule der Zukunft
Matthias Ernst
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:49 Uhr

Richard David Precht bringt den klassischen Bildungsbegriff mächtig durcheinander. Auf Einladung der VR Bank Würzburg stellte der durch Fernsehen und Bücher bekannte Philosoph beim 14. Kundenforum nun im Vogel Convention Center (VCC) seine Thesen vor – und stellte sich einer Diskussion.

Wie sieht Bildung künftig aus? Die Schule der Zukunft löst sich nach Ansicht von Richard David Precht von der klassischen Wissensvermittlung. Die wird, so der Professor, komplett in den Hintergrund gedrängt durch das Internet und die ständige Verfügbarkeit des gesamten Wissens der Welt. „Warum soll ich etwas auswendig lernen, was ich schon im Internet lesen kann? Die Datenbrille und die Daten-Kontaktlinse werden uns förmlich überrollen, ob wir wollen oder nicht“, malt der Philosophieprofessor die Zukunft aus.

Deshalb gelte es die Schule heute schon umzubauen. In den Mittelpunkt sollten die „weichen“ Faktoren wie gegenseitiger Umgang miteinander, Teamfähigkeit, Sozialverhalten oder nichtkognitives Lernen rücken, meint Precht. Die Aufteilung nach Fächern könnte komplett entfallen, der Fokus sei auf Projektarbeit zu legen. Um mathematisches Verständnis zu schulen, könne man Schülern ab der 6. Klasse das Einzel-Lernen am PC mit dem jeweils eigenen Lerntempo anbieten. Dadurch werde jeder seiner Begabung nach gefördert, keiner behindere das Lerntempo des Anderen.

Die Wirtschaft werde neue Typen brauchen. „Die Flachbildschirmrückseitenberatung stirbt aus, ich erwarte dass mein Gegenüber Probleme lösen kann“ skizziert Precht den Weg in den vierten Dienstleistungssektor. Mit seinem Vortrag legte der 49-jährige Publizist aus Köln genug vor, damit die Podiumsdiskussion genügend Zündstoff hatte. Moderiert von Norbert Hufgard, diskutierte Precht mit Professorin Margarete Götz vom Lehrstuhl für Grundschuldidaktik und -pädagogik der Uni Würzburg, mit der Ministerialbeauftragen für die Gymnasien in Unterfranken Monika Zeyer-Müller, Kultur-Sport- und Schulreferent Muchtar Al Ghusain, dem Elternbeiratsvorsitzenden des Friedrich-Koenig-Gymnasiums Martin Benthe, der stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Bode sowie und Joachim Erhard, Vorstand der VR-Bank Würzburg.

Dass sich etwas ändern müsse – dabei waren sich alle Diskussionspartner einig. Elternvertreter Martin Benthe sprach von „Gefangenen des Systems“, die Ministerialbeauftragte Zeyer-Müller davon, dass „kein Kind verloren werden darf beim Umbau“. Grundschulpädagogin Margarete Götz sprach von „Kultivierung der Lernfähigkeit“, und Würzburg s Schulreferent wünschte sich, dass „die Schulen mehr Freiheiten bekommen“ und das diese gewonnene Freiheit auch mit der Vergabe von Zeit gekoppelt sei.

Die beiden Vertreter der Wirtschaft, Jürgen Bode und Joachim Erhard, machten deutlich, dass schon heute Noten nicht mehr so wichtig für eine erfolgreiche Karriere seien. Als Beispiel nannte Bode die „Wissenswerkstatt“ in Schweinfurt, bei der acht- bis 18-Jährige spielerisch lernen mit Technik umzugehen. Bankvorstand Erhard stellte fest, dass der Dialog zwischen Schule und Wirtschaft noch besser werden müsse. Er würde sich bereit erklären aus seiner Praxis den Schülern Tipps zu geben und auch in der Schule dieses Wissen zu vermitteln.

Das war Wasser auf Prechts Mühlen. Er könne sich sich sehr gut vorstellen, dass zukünftig die Kinder und Jugendlichen mehr von praktisch erfahrenen Kräften angeleitet werden. Kinder könnten sich ihre Lehrer selber raus suchen – das ist die Vision des Mannes, den populärwissenschaftliche Bücher und Fernsehsendungen bekannt gemacht haben. „Unsere Kinder sind so wenige, dass wie sie alle brauchen“. Eine „soziale Selektion“ findet Precht furchtbar, Inklusion und Integration seien in der Gesellschaft dringend zu beachten.

Wie Schule heute schon Spaß machen kann, demonstrierten die Schüler des P-Seminars des Deutschhaus-Gymnasiums. Sie sangen auf der Bühne Lieder ihres eigens zusammengestellten Musicals. „Ich hätte mir vorstellen können den Abend auch so mit ihren Liedern zu verbringen“, lobte Erhard. Fazit des Abends: Die Schulen sind auf dem richtigen Weg, aber noch gibt es viele Probleme, die kurzfristig gelöst werden müssen. Weil der Vortrag von Professor Precht dafür Nahrung gab, war der Abend in Würzburg vor rund 1000 Besucher des Kundenforum gelungen.

 
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