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Post für Herrn Pumpernickel
Chris Howlands Karriere in DeutschlandIn seiner Autobiografie berichtet Chris Howland über seine Erlebnisse als erster Gastarbeiter im deutschen Funk und Fernsehen.
„Jetzt, mehr als fünfzig Jahre später, ist Mr. Pumpernickel bekannter, als ich es bin“: Chris Howland.
Foto: FOTOs dpa (2), Cinetext | „Jetzt, mehr als fünfzig Jahre später, ist Mr. Pumpernickel bekannter, als ich es bin“: Chris Howland.
Von unserem Mitarbeiter Martin Weber
 |  aktualisiert: 16.12.2020 13:13 Uhr

Er war lange vor Rudi Carrell oder Kurt Felix der erste Gastarbeiter im deutschen Funk und Fernsehen: Chris Howland, besser bekannt als radebrechender Mr. Pumpernickel. Jetzt hat der fidele Engländer, der nach dem Krieg frischen Wind ins deutsche Radio brachte, dem deutschen Fernsehen das Konzept der versteckten Kamera schenkte und auch im gesegneten Alter von 81 Jahren noch Radiosendungen für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) moderiert, seine Autobiografie geschrieben – auf Englisch. Übersetzer Christoph Bausum hat „Yes, Sir! Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters“, ein 316 Seiten starkes, vergnügliches Werk, ins Deutsche übertragen.

Mit typisch britischem Understatement und ohne die faktenhuberische Detailversessenheit, die manche Autobiografie so schwer lesbar macht, schildert der 1928 in London geborene Howland, wie er in Deutschland Karriere machte. 1948 als Besatzungssoldat in Diensten des britischen Armeesenders BFN ins zerbombte Hamburg gekommen, fasste Howland schon bald auch bei deutschen Sendern Fuß, wo er die Hörer mit frechen Moderationen in holperigem Deutsch begeisterte und einen neuen Ton ins angestaubte deutsche Radio brachte.

In der legendären WDR-Sendung „Spielereien mit Schallplatten“ verpasste sich der zu jeder Albernheit aufgelegte Howland in den 50er Jahren aus einer spontanen Laune heraus selber den Spitznamen „Heinrich Pumpernickel“ – um den ihm gegenüber sitzenden, todernsten Toningenieur zum Lachen zu bringen, wie er schreibt. Der Mann vom Ton lachte nicht, Tausende Zuhörer dagegen sehr: Sie überschwemmten den WDR mit Post an Heinrich Pumpernickel. „Und was machte ich? Natürlich sagte ich es wieder – und jetzt, mehr als fünfzig Jahre später, ist Mr. Pumpernickel bekannter, als ich es bin“, schreibt Howland. Auch für das deutsche Fernsehen war der schmächtige Brite, der sich nebenbei auch als Schauspieler und Schlagersänger („Hämmerchen Polka“) betätigte, ein echter Gewinn: Seine 1961 gestartete ARD-Sendung „Musik aus Studio B“, in der Schlagerstars wie Rex Gildo, Conny Froboess, Freddy Quinn oder Peggy March auftraten, wurde ein großer Erfolg. Fernsehgeschichte schrieb der englische Entertainer aber im selben Jahr mit der Sendung „Vorsicht Kamera!“, in der erstmals im deutschen Fernsehen ahnungslose Passanten mit harmlosem Schabernack hinters Licht geführt und dabei heimlich gefilmt wurden – ein Konzept aus den USA, das Howland nach Deutschland importiert hatte.

An legendäre Streiche wie den Porsche ohne Motor oder den Scheich, der eine Taxifahrt mit einem Goldbarren bezahlen will, erinnern sich ältere Zuschauer heute noch gern. Die Sendung wurde zum Straßenfeger, musste aber schon zwei Jahre später eingestellt werden, weil sich Vizekanzler und WDR-Rundfunkrat Erich Mende (FDP) darüber beschwert hatte, dass die Show die Intimsphäre der Menschen verletze.

Viele Jahre später habe sich Mende entschuldigt und ihm attestiert, dass er mit der Sendung seiner Zeit vorausgewesen sei, schreibt Howland, der in den sechziger Jahren auf dem Höhepunkt seiner Popularität war – nicht zuletzt wegen seiner Mitwirkung in Verfilmungen von Edgar-Wallace-Romanen („Der Henker von London“) und den legendären Filmen nach Karl May, etwa „Winnetou“ und „Der Schut“, in denen er an der Seite von Stars wie Pierre Brice, Lex Barker und Dieter Borsche agierte.

Heute lebt der 81-jährige Howland, der vor zwei Jahren in der Edgar-Wallace-Persiflage „Neues vom Wixxer“ einen Gastauftritt hatte, mit seiner deutschen Frau Monika in der Nähe von Köln und moderiert regelmäßig im WDR-Radio seine vor drei Jahren wiederbelebte Sendung „Spielereien mit Schallplatten“.

Chris Howlands „Yes, Sir! Aus dem Blickwinkel eines englischen Gastarbeiters“ ist soeben im Kindler-Verlag (Reinbek) erschienen (316 Seiten, 16,90 Euro).

In „Im Reiche des silbernen Löwen“ mit Dieter Borsche.
| In „Im Reiche des silbernen Löwen“ mit Dieter Borsche.
In „Neues vom Wixxer“ mit Sonja Kirchberger.
| In „Neues vom Wixxer“ mit Sonja Kirchberger.
 
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