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WÜRZBURG
Platti, der Würzburger Italiener
Von unserem Mitarbeiter Stefan W. Römmelt
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:56 Uhr

Thilo Grahmann sitzt zufrieden im kühlen Übertragungswagen des Bayerischen Rundfunks vor der Kirche in Großlangheim. „Schöne Musik“, kommentiert er die vor ein paar Minuten abgeschlossene Aufnahme. Gerade hat der erfahrene Tonmeister mit dem Cellisten Sebastian Hess und Axel Wolf an der Laute sechs Cellosonaten aus der Barockzeit eingespielt.

Das Besondere: Die Sonaten stammen von zwei eng mit Venedig verbundenen Italienern, die aber ganz unterschiedliche Karrieren machten. Während Antonio Vivaldi, der „Prete Rosso“ genannte rothaarige Priester, Zeit seines Lebens in der Lagunenstadt blieb, folgte Giovanni Benedetto Platti 1722 dem Ruf des Würzburger Fürstbischofs und Italophilen Johann Philipp Franz von Schönborn über die Alpen.

Der laut Sterbeeintrag im Matrikelbuch der Pfarrei St. Peter wohl 1698/99 geborene Hofmusiker blieb bis zu seinem Tod 1763 in Würzburg und gründete dort mit seiner aus Koblenz stammenden Frau Theresia eine große Familie. Die letzte Ruhe fand er in St. Peter, wo auch andere Hofkünstler wie der Stukkateur Materno Bossi begraben sind.

„Platti gehört wie Vivaldi zu den großen europäischen Komponisten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts“, erläutert der trotz fünf Stunden konzentrierten Musizierens entspannte Hess. Der Schüler des Würzburger Celloprofessors Julius Berger, ein Meisterschüler von Mstislav Rostropovich und Spezialist für Barockcello, muss es wissen, denn er beschäftigt sich seit Jahren mit den im Wiesentheider Gräflich Schönbornschen Musikarchiv handschriftlich überlieferten Werken des äußerst vielseitigen Oboisten, Geigers, Gesangslehrers und Komponisten.

„Ein Glück für uns Cellisten, dass Christoph Franz von Hutten, der Nachfolger von Johann Philipp Franz von Schönborn an Musik nicht besonders interessiert war“, bemerkt Hess lachend. „Denn sonst hätte Platti kaum über 20 Cellokonzerte und zwölf bemerkenswerte Cellosonaten für RFE, Rudolf Franz Erwein von Schönborn geschrieben.“ Der „Cellograf“, ein seit seiner römischen Studienzeit passionierter Cellospieler, sorgte dafür, dass Platti von 1724 bis 1729 häufig in seine Residenz Wiesentheid kam und nicht nur musikalischen Nachschub lieferte, sondern wohl auch mit dem Grafen musizierte. Ein Schönborn'sches Auftragswerk aus der von der Würzburger Musikwissenschaftlerin Frohmut Dangel-Hofmann seit 1971 betreuten Wiesentheider Sammlung, das Konzert in D-Dur, hat Hess bereits 2008 mit der renommierten Berliner Akademie für Alte Musik eingespielt.

„Gerade im Vergleich mit Vivaldi, den RFE ebenfalls im Bestand hat, kann Platti absolut bestehen“, bemerkt Axel Wolf, der mit Hess schon 2010 eine von der Kritik hochgelobte CD mit Cellosonaten Plattis aufgenommen hat. „Besonders spannend finde ich, dass man bei Platti nie weiß, was musikalisch um die Ecke kommt. Da gibt es ganz andere, berechenbare Barockkomponisten“, sagt Hess und blättert durch das Faksimile der dritten Cellosonate – charakteristisch für den Komponisten ist seine flotte und energische Handschrift.

„Ganz stark sind seine langsamen Siciliani, also Hirtenweisen. Da zeigt er sich auch als Vorläufer der musikalischen Empfindsamkeit, und die war erst 30 Jahre später, etwa bei Carl Philipp Emanuel Bach angesagt.“ „Ja, er war ziemlich innovativ für seine Zeit“, bestätigt Wolf. „Und der Kontrast zwischen den virtuosen schnellen und den langsamen Stücken lässt nie Langeweile aufkommen.“ Das bestätigt ein kurzer Griff zum Kopfhörer. Gerade der erste Satz der dritten Cellosonate, der „Bonustrack“, überzeugt durch das Singen des Cellos und die nuancierte Begleitung der Laute. „Die Freiheit, die mir Platti bei der Umsetzung der Basslinie gibt, macht Spaß“, gesteht Wolf.

Begonnen hat die Platti-Renaissance in den 1990er Jahren, als unter anderem der Würzburger Domkapellmeister Siegfried Koesler eine CD mit geistlicher Musik Plattis aufnahm. Nach Hess haben nun auch Cellisten wie die Argentinierin Sol Gabetta und der aus Würzburg stammene Christoph Dangel die Qualität der komplexen und doch unterhaltsamen Musik des „Würzburger Italieners“ entdeckt. „Konkurrenz ist gut für Platti“, sagt Hess. So wird die Akademie für Alte Musik im Sommer 2013 auch Platti bei ihrer neuen Münchner Konzertreihe aufführen.

Hess hat trotzdem die Nase vorn, denn nach der unlängst erschienenen CD mit Triosonaten Plattis heißt es erneut: Platti reloaded – am 11. Januar 2013, dem 250. Todestag Plattis, wird die neu eingespielte CD „Platti vs. Vivaldi“ veröffentlicht. „Das wird den guten Platti sicher auch in Würzburg wieder ein Stück mehr ins Gespräch und ins Ohr bringen“, freuen sich Hess und Wolf. „Und wir machen uns die nächsten Tage gleich ans Bearbeiten der Aufnahme“, sagt Grahmann. „Echt gute Musik.“

 
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