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Hamburg (dpa)
Pechstein siegessicher - Klagewelle droht
Eine Zeitlang dachte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein sogar an Rücktritt, jetzt denkt sie nur noch an Freispruch.
Olympiasiegerin       -  Claudia Pechstein bei einer Pressekonferenz in Berlin.
| Claudia Pechstein bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Redaktion
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:12 Uhr

Vier Tage vor ihrer Berufungsverhandlung in Lausanne zeigt sich die wegen auffälliger Blutwerte gesperrte Pechstein siegessicher, watscht Dauerrivalin Anni Friesinger ab und klagt, «der Weltverband ISU hat mein ganzes Leben zerstört». Der Dauerstreit um ihre zweijährige Dopingsperre hat Spuren hinterlassen. «Natürlich ist mir zwischendurch mal der Gedanke gekommen, alles hinzuschmeißen», erklärte die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin der «Bild am Sonntag», «weil ich nervlich nicht mehr konnte, weil ich mich rechtfertigen musste, obwohl ich nichts getan habe. Aber aufgeben wäre für viele ein Schuldeingeständnis gewesen.»

Die Berlinerin glaubt, bei den deutschen Meisterschaften am 30./31. Oktober wieder starten zu dürfen. Auch die Sportwelt fiebert dem richtungweisenden Urteil durch den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) entgegen. Die Causa Pechstein könnte einen Präzedenzfall für die Anerkennung indirekter Doping-Beweise liefern. Bei einer Verurteilung droht auch in anderen Verbänden eine Klagewelle. «Bestätigt das Gericht Pechsteins Sperre, werden viele Verbände mit einer langen Liste kommen», sagte Gian Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbands (FIS), der «Welt am Sonntag». Die Verbände hätten vor allem «im Bezug auf Wachstumshormone große Verdachtsmomente».

Pechstein sieht sich unterdessen selbst bei einem Freispruch indirekt als Opfer. «Den Stempel loszuwerden, wird auch bei einem Freispruch nicht einfach», meinte die 37-Jährige. Eine Entscheidung über eine Schadensersatzklage sei noch nicht gefallen, «aber klar ist, es ist nicht nur ein Image-Schaden entstanden, sondern auch ein finanzieller». 250 000 Euro soll sie für ihre Verteidigung ausgegeben haben. Sogar psychologische Hilfe hatte sie in Erwägung gezogen. Die vergangenen drei Monate seit der Urteilsverkündung im Juli wünsche sie keinem. «Ich kann das nie richtig ausblenden, es ist immer im Kopf», offenbarte sie.

Trotz Pechsteins medialer Verteidigungsoffensive gibt es für Anni Friesinger weiter Ungereimtheiten. «Ich habe nur gesagt, dass es für mich im Fall Pechstein mehr Fragen als Antworten gibt. Dazu stehe ich», sagte Friesinger am Sonntag der Deutschen Presse Agentur dpa. Seit Jahresbeginn gebe es einen neuen Code der Welt-Anti-Doping- Agentur (WADA) und «jeder, der dagegen verstößt, muss gleich behandelt werden. Mehr sage ich nicht dazu». Nach gerade auskuriertem Innenbandriss war die Inzellerin zufrieden mit ihrem Saisoneinstieg. Bei Testrennen in Erfurt lief sie mit einem Spezialschuh ihre Lieblingsstrecke über 1500 Meter in 1:59,88 Minuten.

Den Innenbandriss im Training habe sie im August der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt, um nicht unnötig Unruhe zu stiften. Die Saison-Vorbereitung habe aber natürlich darunter gelitten. «Ich habe noch immer einige Probleme beim Start, aber die Deutschen Meisterschaften am 30./31. Oktober in Berlin sind aus meiner Sicht nicht gefährdet: Ich werde über 1000 und 1500 Meter an den Start gehen», verkündete Friesinger, die in früheren Stellungnahmen sogar ein «knallhartes Durchgreifen» gegen Pechstein gefordert hatte.

Pechstein wollte von allem nichts mehr wissen. «Was meine 'Freundin' Anni und auch andere gesagt haben, ist mir mittlerweile egal», teilte die Angeklagte im Interview der «Bild am Sonntag» mit, «vielleicht hat sie mal wieder drauf losgeplappert, ohne nachzudenken. Jeder darf seine Meinung sagen.» Das erinnerte stark an 2002, als sich die beiden über die Medien einen «Zickenzoff» geliefert hatten. Bis zu den Winterspielen 2006 hatten sich die Top- Läuferinnen wieder zusammenengerauft und als Stützen des deutschen Teams Gold in der Mannschafts-Verfolgung gewonnen.

 
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