
„Wir waren in den letzten Jahren keine Band mehr“, seufzt Hayley Williams beim Interview in Berlin und bezieht sich auf den Ausstieg der Brüder Josh und Zac Farro Ende 2010, „sondern nur noch eine Seifenoper.“ Williams ist die Sängerin von Paramore, sie ist 24 Jahre alt und trägt das Haar orange, seitdem sie 15 ist, was ihrer Band auch optisch einen erhöhten Wiedererkennungswert garantiert.
Doch die Optik ist gerade nicht das Thema, das Thema ist Hayleys Kampf um das Leben ihrer Band. „Gab es Phasen, in denen ich dachte, jetzt ist es vorbei mit Paramore?“ Sie stellt die Frage selbst, wohl weil sie weiß, dass sie sowieso früher oder später aufgebracht wird. „Ja, diese Momente gab es. Ich war mir nicht sicher, wie es weitergehen sollte. Und ob es überhaupt weitergehen sollte. Aber dann wurde dieses Gefühl übermächtig, uns nicht einfach geschlagen zu geben. Und so gaben wir unsere Seelen und jeden Tropfen unseres Blutes für dieses Album.“ Ja, so spricht sie wirklich.
Es stand aber auch wirklich schlecht um diese Band, die 2005 in Franklin/Tennessee zusammenkam und ziemlich schnell ziemlich steil auf die Erfolgsschiene geriet. Paramore haben bei uns zwar viele Fans, darunter zumeist Mädchen zwischen ungefähr 14 und Anfang 20, doch in Nordamerika zählen sie zu den gefragtesten Rockbands der vergangenen Jahre, die neue Platte erreichte sogar Platz Eins. Jedoch: Schon, als Paramore 2007 mit dem zweiten Album „Riot!“ den Sprung von glaubwürdigen Kinder-Punks, die: etwa bei der alternativen „Warped“-Tour abgefeiert wurden, zu einer ernstzunehmenden Alternative-Pop-Rock-Band schafften, gab es Spannungen.
Josh und Hayley waren mal ein Paar, und als sie es nicht mehr waren, warf der Gitarrist der Sängerin vor, aus Paramore eine reine Hayley-Show machen zu wollen. Man raufte sich noch einmal zusammen, war mit dem Album „Brand New Eyes“ und dem Song „Decode“ aus dem ersten „Twilight“-Film tatsächlich so erfolgreich wie nie, doch man hatte sich nichts mehr zu sagen, spulte letzte Tour-Verpflichtungen ab und trennte sich vor zweieinhalb Jahren. „Es folgte eine unschöne und öffentliche Online-Auseinandersetzung, in der die Farro-Brüder Williams unter anderem vorwarfen, unchristliches Gedankengut zu verbreiten. „Das war wirklich widerlich“, schimpft die Sängerin noch heute, „Gott hätten sie wirklich aus der Sache rauslassen können.“ Seit 2010 hat sie nicht mehr mit den Brüdern gesprochen.
Da die Farros auch maßgeblich für die Musik von Paramore sorgten, standen Williams sowie Jeremy Davis und Taylor York nun vor einem Problem. „Wir wollten möglichst schnell ein neues Album zu dritt machen, aber es fielen uns schlicht keine vernünftigen Songs ein“, so Hayley. „Wir entschieden uns, die alte Paramore-Formel wegzuwerfen und ganz ohne Druck und mit vollster Freiheit weiterzumachen.“ Das dauerte seine Zeit, seit der letzten Platte sind vier Jahre vergangen.
Produziert hat das neue Album, das einfach „Paramore“ heißt, mit Justin Meldal-Johnson der frühere Bassist von Beck und Nine Inch Nails, also jemand, „von dem wir dachten, er ist viel zu cool für uns.“
Dabei klingt die neue Platten alles andere als schräg oder unzugänglich, „Paramore“ ist das kommerziellste Werk bislang. Die Melodien und Arrangements sind ein gutes Stück poppiger als früher, Paramore erinnern an die frühen No Doubt und an Kelly Clarkson mit mehr Gitarren. Auch die Texte sind recht positiv, „Still into you“ eine Liebeserklärung an Hayleys Freund Chad Gilbert, den Gitarristen der Rockband New Found Glory und „Ain’t it fun“ sogar ein richtiges Stück Sommer-Pop.
Die Bandmitglieder mögen inzwischen erwachsen sein, aber auf ein richtiges Erwachsenenalbum hatten sie wenig Lust. Hayley Williams: „'Paramore' ist für uns ein Neuanfang, wir lassen die Vergangenheit zurück. Wir wollten ganz bestimmt keine weitere Platte über unsere verdammte Trennung und den ganzen Mist schreiben. Das hatten wir auf dem letzten Album mit bitteren Songs wie „Ignorance“ bereits erledigt, obwohl wir damals noch gar nicht getrennt waren. Ab jetzt heißt es für Paramore: Wir schauen nach vorne und wir freuen uns unendlich, dass wir noch im Spiel sind.“