Insgesamt 30 Ärzte, Therapeuten, Psychologen, Sozialpädagogen und Pflegekräfte kümmern sich in der Würzburger Klinik am Greinberg um schwerbehinderte Kinder mit einer psychiatrischen Störung. 15 Behandlungsplätze umfasst die Einrichtung des Bezirks Unterfranken. „Sie sind alle belegt“, berichtet Oberarzt Dr. Jürgen Seifert, der das vor einem Jahr eröffnete Spezialkrankenhaus leitet.
Die Nachfrage nach den Therapieplätzen sei groß, so Seifert: „Aktuell haben wir 40 Patienten aus ganz Bayern auf unserer Warteliste.“ Rund 80 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen vier und 24 Jahren wurden in der bayernweit einzigartigen Einrichtung inzwischen therapiert. Olaf Gath (Name geändert) ist einer von ihnen. Zwei Monate lang wurde er von Seifert und seinem Team behandelt. Für Olafs Mutter bedeutete die Möglichkeit, in der Spezialeinrichtung Hilfe zu bekommen, eine immense Erleichterung.
Die Situation zu Hause war für alle Beteiligten zuletzt äußert unbefriedigend. Der 14-Jährige, der geistig behindert ist und hin und wieder epileptische Anfälle bekommt, war manchmal gut drauf, dann plötzlich wieder unerträglich. Er begann, seine Mutter immer heftiger zu beschimpfen. Riss sie manchmal an den Haaren.
„Sie verfügen über weniger schützende Faktoren, um
mit Stress umzugehen.“
Irgendwann stieß Olaf eine Glasschüssel mit Salat absichtlich vom Tisch, wenige Tage später warf er eine Kaffeetasse nach seiner Mutter. Der Kinderarzt, den diese daraufhin kontaktierte, überwies sie zu einem Jugendpsychiater. Der hielt Olafs Symptomatik für so gravierend, dass er eine stationäre Aufnahme empfahl. So kam der Junge in die Klinik am Greinberg. Hier wurde er ausführlich untersucht, um herauszufinden, woher seine wachsenden Aggressionen rührten.
Auch junge Menschen mit Handicap bleiben von seelischen Leiden nicht verschont, erläutert Seifert. Im Gegenteil: „Sie haben sogar ein größeres Risiko zu erkranken. Denn sie verfügen über weniger schützende Faktoren, um mit Stress und Belastungen gut umzugehen.“ Stress, das kennt Olaf in seiner Familie gut. Die Mutter geht einem Teilzeitjob nach und fühlt sich oft überfordert mit der Erziehung von ihm und seinen zwei Geschwistern. Lange musste sie sich alleine um die drei kümmern. Seit wenigen Monaten hat sie einen neuen Partner, der nun auch in die Wohnung eingezogen ist. Olaf weiß nicht recht, wie er das finden soll. Mag seine Mutter ihren Freund lieber als ihn?
Olaf ist von Geburt an geistig behindert und hat darüber hinaus eine Depression. Die jedoch hatte bislang niemand bemerkt. Erst in der Klinik am Greinberg kam man dem seelischen Leiden des Jungen auf die Schliche. Durch das Medikament, das Olaf seit seinem Klinikaufenthalt verschrieben bekommt, geht es dem Heranwachsenden inzwischen viel besser.
Die Situation zu Hause hat sich aber auch dadurch entspannt, dass Olafs Mutter heute weiß, wie sie mit ihrem Sohn umgehen soll. Lange, so Seifert, hatte sie ihn unterfordert. Sie nahm ihm Dinge ab, die der Junge selbstständig hätte tun können: „Er war sehr hilflos, als er zu uns kam.“ Intensive Gespräche mit den Eltern sind dem Oberarzt zufolge in jedem Fall elementar für das Behandlungskonzept am Greinberg.
Dass Menschen mit Behinderung in der neuen Bezirksklinik gesondert behandelt werden, stößt in der Öffentlichkeit mitunter auf Kritik. Inwieweit passt dies denn in die Ära der Inklusion? Eigentlich sollte doch von nun an alles gemeinsam geschehen. Menschen mit massiven Handicaps gesondert zu therapieren, hält Seifert jedoch für sinnvoll, gleichwohl auch er voll und ganz hinter der Idee „Inklusion“ steht. „Wir haben Patienten mit schweren Intelligenzminderungen. Ein Teil kann nicht sprechen“, erklärt er.
Viele der Kranken sind Rollstuhlfahrer. Einige verhalten sich höchst aggressiv zu sich selbst und zu anderen. Nicht wenige haben immense Probleme, mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Um all diese Patienten mit ihren Handicaps adäquat zu behandeln, braucht es Seifert zufolge spezielles Know-how und vor allem auch eine spezielle Ausstattung. Beides sei in der Klinik am Greinberg gegeben.