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WÜRZBURG
OB zwischen Kante und Kompromiss
Manuela Göbel
 und  Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:31 Uhr

Heute vor einem Jahr ist Christian Schuchardt als neuer Würzburger Oberbürgermeister vereidigt worden. Im Interview erläutert der 46-Jährige seinen Politikstil und erklärt, wann ein OB Kante zeigen und wann er Kompromisse eingehen sollte.

Frage: Ein Jahr im Amt als Oberbürgermeister. Macht es Ihnen Spaß?

Christian Schuchardt: Auf jeden Fall. Ich habe eine aufregend vielseitige Aufgabe übernommen, die sehr befriedigend ist. Auch wenn nicht jeder Termin angenehm ist.

Welche sind denn unangenehm?

Schuchardt: Die, bei denen man Bürgern oder Mitarbeitern nicht das geben kann, was sie möchten.

Zum Beispiel?

Schuchardt: Zum Beispiel Einfahrtserlaubnisse in Fußgängerzonen, Verzicht auf Straßenausbaubeiträge oder Beförderungen.

Haben Sie sich in diesem Jahr verändert?

Schuchardt: Ich glaube nicht. Ich bin jedenfalls nicht härter geworden oder so, sondern an bestimmten Stellen eher weicher unterwegs. Denn in meiner jetzigen Position muss ich mich ja vor allem um Ausgleich bemühen.

Hat sich das Verhalten der Menschen um Sie herum geändert? Kritisiert Sie auch mal jemand?

Schuchardt: Darum bitte ich. Man muss die eigene Position immer wieder hinterfragen, denn niemand ist perfekt. Es gibt verschiedene Mitarbeiter und auch Bürger, die mir aufzeigen, was sie gut und schlecht finden. Wesentlich ist für mich natürlich das Feedback meiner Frau.

Deutliche Kritik an Ihrer Amtsführung übt die SPD-Fraktion, die Ihnen vorwirft, bei Nautiland, Theatersanierung oder dem Mozart-Areal keine nennenswerten Fortschritte gemacht zu haben.

Schuchardt: Viele der Großprojekte sind auf einem guten Weg. Wir kommen bei jedem dieser Schlagworte voran. Bei einem Stadtrat ohne klare Mehrheit müssen Sie geeignete Kompromisse finden und erfolgreich dafür werben. Interessant ist an dieser Stelle aber vielleicht auch, was die anderen Fraktionen sagen. Die Grünen tragen ja zum Beispiel die Vorgehensweise am Moz positiv mit.

Sind Sie ein Mann der Kompromisse?

Schuchardt: Die Fragestellung suggeriert das Bild des faulen Kompromisses. Meine Aufgabe ist es aber doch, Menschen zusammenzuführen und im Dialog Lösungen zu erarbeiten. Wäre es denn sinnvoller, rabiat einen Weg vorzugeben, für den ich dann im Stadtrat keine Mehrheit finde? Ich begreife mein Amt als ein Amt des Gesprächs, um dadurch zu Entscheidungen zu kommen. Das ist die Basis dafür, Verwaltungshandlung in Politik zu überführen und umgekehrt. Politik muss verständlich und nachvollziehbar gemacht werden. Deshalb ist es wichtig, dass Bürger – wenn es möglich ist – mitentscheiden oder mitgestalten.

Wie jetzt am Mozart-Areal, wo nach 20 Jahren vergeblicher Kompromiss-Suche jetzt die Bürger für Klarheit sorgen sollen. Machen Sie sich keine Sorgen, dass die Mehrheit für den Erhalt der Mozartschule stimmt und so Ihre Pläne für eine attraktive Neugestaltung des Moz-Areals zunichte machen könnte?

Schuchardt: Auch das wäre eine Verbesserung der heutigen Situation. Denn zumindest wird eine Aussage zur Zukunft des Gebäudes getroffen und dem Stadtrat eine Handlungsvorgabe gegeben. Ohne den Bürgerentscheid ginge das Hü und Hott im Stadtrat doch ewig weiter. Einen Bürgerentscheid könnte ich mir zum Beispiel auch bei der Linie 6 vorstellen.

Wie ist denn Ihre persönliche Haltung zur Hubland-Straßenbahn?

Schuchardt: Nach wie vor halte ich die Kostenfrage bei diesem an und für sich wünschenswerten Projekt für elementar: Wenn der städtische Haushalt mit Kosten für die Linie 6 belastet würde, müsste man andere wichtige Zukunftsaufgaben streichen. Wenn diese Zahlen fortgeschrieben auf dem Tisch liegen und Baurecht da ist, könnte ein Bürgerentscheid für Klarheit sorgen.

Noch mehr Klarheit brächte eine verlässliche Mehrheit im Stadtrat. Die haben Sie, wie schon Ihre Vorgänger, aber nicht. Deshalb brauchen Sie zusätzlich zu den Stimmen von CSU, WL, FDP-Bürgerforum die Unterstützung anderer Fraktionen. Die SPD verweigert diese momentan häufig. Warum mögen die Genossen Sie nicht?

Schuchardt (nach langer Pause): Ich finde es bedauerlich, dass die SPD Kontur zu gewinnen versucht, indem sie im Stadtrat als Selbstzweck die jeweils abweichende Position vertritt, also sofort dagegen ist. Sie will offensichtlich keine konstruktive Politik mitgestalten, wie es zum Beispiel die CSU unter Rosenthal in den ersten Jahren seiner Amtszeit getan hat. Dabei gab es meinerseits dazu genügend Einladungen und Gespräche. Vor vier Wochen war ich erst mit Fraktion- und Parteispitze zusammen gesessen.

Vorsitzender der Würzburger SPD ist Kulturreferent Muchtar Al Ghusain, der die OB-Wahl gegen Sie verloren hat. Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen?

Schuchardt: Ich behandle ihn so, wie ich behandelt werden wollte, wenn er die Wahl gewonnen hätte: kollegial und fair.

Und wie sehen Sie seine neue Doppelrolle als Referent und SPD-Vorsitzender?

Schuchardt: Ausgesprochen schwierig. Vor allem, wenn Wahlen nahen, wird es für ihn eine große Herausforderung, dem Dienstherrn gegenüber loyal zu sein und gleichzeitig politisch zu agieren. Man bekommt im Amt ja Insider-Informationen, damit muss man umgehen.

Gelobt werden Sie von der SPD für Ihre Haltung in der Flüchtlingspolitik. Auch für ihre deutlichen Worte gegen Wügida bekommen Sie von linker Seite Zustimmung. Was sagt denn Ihre CSU dazu?

Schuchardt: Die trägt das mit. Das sind Themen, die einer klaren Haltung bedürfen. Hier darf man als Oberbürgermeister keine Kompromisse machen.

Was sagen Sie dann zur Aussage „Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt“ von CSU-Chef Horst Seehofer?

Schuchardt: Urbajuwarische Vereinfachungen und Leitsätze finde ich gerade für den städtischen Raum nicht so glücklich.

Sind Sie insofern froh, CDU-Mann und kein CSU-ler zu sein?

Schuchardt: Wichtig ist doch, dass ich einen breiten Querschnitt der Bevölkerung vertrete. Mit Positionen, die auch von der WL, der FDP und anderen geteilt werden.

Doch als größte Fraktion will die CSU Sie doch bestimmt auf Linie bringen.

Schuchardt: Nicht mehr als die Würzburger Liste das auch will.

Das glauben wir jetzt nicht...

Schuchardt: Ich bin den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Es gab ja auch schon Beschlüsse, wo ich mit der SPD gestimmt habe.

Und wie reagiert CSU-Fraktionschefin Christine Bötsch dann?

Schuchardt: Natürlich gibt es Gespräche. Ich versuche, meine Beweggründe immer transparent zu machen. Aber Rechenschaft bin ich jedoch ausschließlich den Bürgerinnen und Bürgern schuldig.



Christian Schuchardt

• verheiratet, ein Sohn

• seit 1985 Mitglied in der CDU

• geb. 1969 in Frankfurt/Main als Sohn einer Ärztin/eines Chemikers

• Lehre als Bankkaufmann (Hessische Landesbank), Studium der Verwaltungswissenschaft (Diplom)

• 1995 - 2004 Referent bei der Landesbank Hessen-Thüringen

• 2004 - 2007: Beigeordneter und Stadtkämmerer in Schwerte/Westfalen

• 2007 - 2014 Finanz-/Personal-/Liegenschaftsreferent der Stadt Würzburg

• seit 1. April 2014 Oberbürgermeister Würzburgs (55,73 Prozent in der Stichwahl gegen Muchtar Al Ghusain)

 
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