Er ist Weltrekordhalter, Künstler und Handwerker: Pfeifenschnitzer Norbert Riemer aus Uettingen. Im Jahr 2000 fertigte er die kleinste rauchfähige Pfeife der Welt. Sie steht bis heute im Guinnessbuch der Rekorde. Seitdem kann er sich über mangelnde Aufträge nicht beschweren. Denn jedes seiner Schnitzwerke ist ein Unikat.
Kleinere Modelle, so genannte Zwischendurchpfeifen mit ein bis zwei Zigarettenlängen, seien auf dem Markt kaum verfügbar, erklärt der gelernte Schauwerbegestalter. „Es ist etwas Außergewöhnliches; die Menschen können ihre eigenen Wünsche anbringen.“ So wird jede Pfeife für den Künstler zu einer Herausforderung.
Die Möbel in seinem Atelier hat Riemer selbst geschreinert, restauriert und gepolstert. Dort stellt er die verrücktesten Motive aus: Tiere wie Steinbock, Qualle und Skorpion über Enziane bis hin zu Espressotassen – der Pfeifenschnitzer stellt sich jeder Herausforderung.
Dank seiner Frau Gudrun kam Riemer zum Schnitzen. Sie machte ihm vor 35 Jahren mit einem Stück Pfeifenholz eine Freude. „Ich bin glücklich, dass sie mir das Klötzchen geschenkt hat“, sagt er heute.
Für den Weltrekordler, Jahrgang 1955, hat jede Pfeife eine eigene Geschichte. Die Ideen entwickle er selbst, Anregungen bekomme er aber häufig durch seine Kunden, erzählt er. Kommt ihm ein Vorschlag über die Lippen, dann will er diesen auch sofort umsetzen. Am spannendsten sei für ihn zu sehen, „ob ich's wieder schaffe“.
Denn seine Modelle stellen schwierige Motive dar. Riemer, der auch andere Kunstwerke schnitzt und Bilder malt, stellt deshalb für jedes Unikat eine detaillierte Zeichnung her. Er präsentiert eine Pfeife, die aus zwei Karpfen-Köpfen besteht, die voneinander wegblicken. Selbst die Kiemen der Fische sind im Detail zu erkennen. Ein Miniatur-Oldtimer ist das nächste Kunstwerk. Die Details des kleinen Wagens wurden mit Hand geformt und gebogen. Stolz präsentiert Riemer, dass sein Pfeifenauto sogar fahren kann.
Rohlinge für seine Werke bezieht er über einen älteren Pfeifenmacher. Riemer verwendet ausschließlich Bruyere-Holz, die Wurzelknolle der Baumheide, die im Mittelmeerraum wächst. „Das hat keinen Eigengeschmack und hält Temperaturen über 700 Grad stand.“ Die Pfeifen werden gewachst und nicht lackiert, sonst kann das Holz nicht atmen.
So ergeben sich verschiedene Farben, die Riemer an der „Kunterbunten“ aufzeigt. „Die ist mir selbst eingefallen“, erzählt der Künstler, „die ging so schnell weg, dass ich sie noch mal machen musste.“
Doch diese Pfeife ist nicht seine gefragteste, sondern die Herzchenpfeife. Diese entstand für ein Nichtraucher-Ehepaar, erklärt Riemer. Immer wieder bestellen auch Nichtraucher Pfeifen beim Uettinger Künstler, weil „die Arbeiten einfach so faszinierend sind“.
Riemer bekommt auch Spezialaufträge. „Man wird von den Kunden gefordert“, sagt der Pfeifenschnitzer. Für einen Zigarrenraucher fertigte er eine Pfeife in Zigarrenoptik an, mit Banderole und Handbemalung. Selbst Gesichter verewigt Riemer in Holz: Zum 50. Geburtstag bestellte eine Abteilung für den Kollegen dessen Profil als Pfeife. „Der hat sich riesig gefreut – über die Pfeife und dass es solche Verrückte gibt, die so etwas machen.“
Manchmal muss Riemer zur Fräse greifen: Auf Wunsch eines Meeresbiologen verzierte er dessen Pfeife – in Form einer Krebszange – mit einem kleinen Krebs. Auch polstern musste er schon einmal: bei einer Pfeife, die aussah wie ein kleiner Sessel, der detailgetreu ein Sitzpolster bekam. Größe: 15x15 Millimeter. Besonders stolz ist der Schnitzer auf eine Doppelpfeife: ein Ying und Yang, das mit einem Magneten zusammengehalten wird.
Der Künstler liebt alle seine Werke, deshalb hört seine Arbeit nie auf. Momentan schnitzt er an einem Wildsaukopf und ist gespannt, ob er auch diese Idee in eine funktionsfähige Pfeife umwandeln kann.
Seine Unikate präsentiert Riemer nicht nur zu Hause. Auf Märkten und Ausstellungen ist er in 30er-Jahre-Kleidung und mit einem NSU-Fahrrad unterwegs. Auch Reparaturarbeiten für seine Kunden führt er gerne aus.
Wie es mit einem neuen Rekord aussieht? Darüber will Riemer noch nicht reden. „Ich hätte zwar eine Idee im Kopf“, so der Künstler, aber auf deren Umsetzung müsse man noch ein bisschen warten.