Starkbieranstiche haben Tradition in Bayern. Und Politiker bedienen sich gerne dieser Traditionen. Auch in Kürnach. Rund 130 Gäste sind in das Pfarrzentrum gekommen, die Freien Wähler haben eingeladen. Sie locken mit Bier und ihrem Chef Hubert Aiwanger.
Es ist 19.27 Uhr. Die Opferbaumer Musikanten spielen zünftig auf, es riecht deftig nach Sauerkraut und Bratwurst, wie es sich in Franken für einen Starkbierabend gehört. Orangefarbene Frühlingsblüher zieren die Tische, im passenden Farbton dazu die Fähnchen der Freien Wähler.
Auch Würzburgs FW-Elite, Alt-OB Jürgen Weber ist erschienen. Der oberste Freie Wähler Bayerns, Hubert Aiwanger wird laut Navi um 19.44 Uhr eintreffen, heißt es. Gespanntes Warten, das Starkbier funkelt in den Gläsern, die Musik stimmt zum Prosit an. Endlich um 20 Uhr ist Aiwanger da. Im Foyer noch schnell ein Interview, dann schreitet er zum bayerischen Defiliermarsch durch den Saal, schüttelt Hände, lächelt, hinter ihm nur Hans-Jürgen Fahn, der Kollege aus dem Bundestag.
Und dann legt er los. Sachlich, gelassen und mit unverwechselbarem niederbayerischem Akzent arbeitet er sein politisches Programm ab. Politiker mit Visionen brauche das Land. Und starke ländliche Räume, starke Kommunen, mit dem Bürger im Mittelpunkt. Vor allem Nordbayern müsse man in München besser ins Spiel bringen.
„Ihr dürft Euch als Franken nicht länger gefallen lassen, der Hinterhof Bayerns zu sein. Ihr müsst lauter werden Richtung München“, ruft er in den Saal. Der Patriotismus kommt an, die Frankenseele fühlt sich verstanden. Frenetischer Applaus folgt. Unten anfangen mit den Lösungen, lautet sein Motto. Dazu gehören schnelle, flächendeckende Internetleitungen für alle Dörfer, jede Region und jeden Haushalt. Das sei eine Konjunkturbeschleunigungsmaschine ohnegleichen. Dann könnten junge Unternehmer auf dem Land bleiben, und Leerstand in den Dörfern vermeiden.
„Wir müssen alles nur durch die Brille des kleinen Mannes sehen“, sagt er. Applaus. Dann holt er aus zum ersten Seitenhieb. Die Staatsregierung sei schon falsch gewickelt, bevor sie früh aufsteht, um Politik zu verbrechen. Das sitzt. Weniger Größenwahn und mehr gesunden Menschenverstand fordert er deshalb für Bayern. Und einen offenen Politikstil und vernünftige Zusammenarbeit im Landtag.
Weißwurst statt Kugelschreiber
Bayern müsse ab Herbst 2013 besser und demokratischer regiert werden als bisher. „Solange die Regierung so großkotzig mit dem Volk umgeht, gebt ihnen keine Kugelschreiber mehr, sondern in jede Hand eine Weißwurst, dann können sie wenigstens nichts kaputt machen“, spottet er. Die Volksseele kontert mit Lachen.
Eindeutig bekennt er sich zu Europa, aber nicht zum Eurorettungsschirm. „Kein Europa der Lobbyisten, die uns von oben bevormunden. Kein Europa, wo man die kommunale Wasserversorgung an private Spekulanten vergibt, da muss man doch das Volk fragen“, fordert er. Bravo-Rufe ertönen aus den Reihen.
Unverkrampft und frisch nennt er die Art der FW, dieser Wind müsse jetzt auch im Bundestag einziehen. Erneuerbare Energien sinnvoll weiterentwickeln und speicherfähig machen will er. Atomenergie sei zu gefährlich. Er spricht von Strommonopolisten, die die Märkte beherrschen und die Preise in die Höhe treiben.
Auch auf den Pferdefleischskandal geht er ein, verantwortlich dafür seien Großstrukturen und eine internationale Fleischmafia. Deswegen wollen die Freien Wähler sich wieder stark machen für Dorfmetzger und kleine Hofläden. Die habe man alle „weg zertifiziert“. Das aber seien Strukturen, die die Nahrungsmittelsicherheit gewährleisten, meint er. Ein Plädoyer für die bäuerliche Landwirtschaft.
Als er nach einer Stunde und zehn Minuten seinen politischen Rundumschlag beendet, bekommt er tosenden Applaus. Viele Parteifreunde stehen auf und zollen ihm Respekt. „Super“, sagt Hermann Hoch aus Kürnach, „Aiwanger sagt das, was der Bevölkerung am Herzen liegt. Er weiß, wo der Barthel den Most holt.“
Doreen Rall aus Hausen dagegen fühlt sich nicht so angesprochen. Für sie hat er eine ganz wichtige Gruppe in der Bevölkerung vergessen, nämlich die Berufstätigen im mittleren Alter, die zehn Stunden am Tag arbeiten und gar keine Zeit mehr hätten, sich mit all diesen politischen Themen auseinander zu setzen.
Gegen 22 Uhr verlässt Aiwanger den Saal, allein, ohne großen politischen Tross. Gute drei Stunden hat er noch zu fahren, bis er wieder zuhause ist auf seinem 20 Hektar großen Biohof im niederbayerischen Rahstorf bei Rottenburg.