Als 2010 der Jugendroman „Nichts“ von der dänischen Schriftstellerin Janne Teller auf Deutsch erschien, wurde heftig darüber gestritten. Das Buch gilt als ungewöhnlich, aber auch als schwere Kost. Es wirft viele Fragen auf, doch seine nihilistische Weltsicht ist nicht leicht zu ertragen. Ab 1. Juni ist das Stück nun als Theaterversion in der Werkstattbühne in Würzburg zu sehen. Eine junge Theatergruppe will mit „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ vor allem Jugendliche und junge Erwachsene für Theater begeistern.
Und darum geht es in dem Stück: Ein Schüler schockiert seine Klasse mit der Ansicht, dass sich das Leben nicht lohnt und sinnlos sei. Um ihn vom Gegenteil zu überzeugen, beginnt die Klasse, Gegenstände mit Bedeutung zu sammeln. Doch was mit Alltagsgegenständen wie Fotos und Kuscheltieren beginnt, endet bald in einem Wettstreit, in dem jeder etwas wirklich Wichtiges auf dem Berg der Bedeutung opfern muss. Und so landen hier Gebetsteppiche, Kreuze, Haustiere und die Unschuld einer Schülerin. Aber haben sich diese Opfer wirklich gelohnt?
Inszeniert hat das Stück Christina Strobel. Die 23-Jährige hat in der Schule mit dem Theater angefangen. Seit der 11. Klasse spielte sie in der Theatergruppe an ihrem Gymnasium. Über den Leiter der Gruppe wurde sie nach dem Abi auf die Werkstattbühne aufmerksam. Dann kam eines zum anderen: Neben ihrem Studium hat sie inzwischen bei verschiedenen Regisseuren in mehr als 15 Produktionen mitgewirkt – teils als Schauspielerin, teils als Regieassistentin. Nun führt sie zum ersten Mal selbst Regie und hat die Verantwortung für eine Produktion übernommen. Die Idee war schon länger da und als Thomas Lazarus, der jetzige künstlerische Leiter der Werkstattbühne, ihr einen konkreten Vorschlag machte, traute sie sich.
Zum Lese-Casting hatte Christina Stobel über Facebook und die Homepage des Theaters aufgerufen. Mehr als 20 Interessierte kamen, darunter vor allem Jungs. Jeder durfte es versuchen. Diejenigen, die am Ende die Rollen bekamen, hatten alle noch keine große Theatererfahrung. Die meisten hatten gerade mal bei ein oder zwei Projekten in der Schule mitgewirkt.
Die Schauspieler, die bei „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ mitspielen, sind alle zwischen 18 und 26 Jahre alt. Die Jüngste im Ensemble ist Marie Feiler. „Für mich ist die Arbeit an der Werkstattbühne eine ganz neue Erfahrung, weil ich bis jetzt immer nur Schultheater gespielt habe“, erzählt die 18-Jährige. „Mir gefällt, dass wir uns mehr mit dem Stück und unseren Rollen auseinandersetzten.“
Durch die intensive Probenarbeit an der Werkstattbühne habe sich jeder Einzelne weiterentwickelt, sagt die Regisseurin: „Sie waren wirklich alle neu und haben vielleicht bei zehn Prozent anfangen. Doch sobald die Proben losgingen, haben sie sich schnell schauspielerisch gesteigert.“
Zwei bis drei Mal die Woche probt das Ensemble. Jetzt, kurz vor der Premiere, findet man sie jeden Tag in der Werkstattbühne. Klar, dass da nicht mehr viel Zeit für Freizeit bleibt. Doch trotz der hohen Belastung sind alle engagiert dabei. Die jungen Schauspieler machen selbst Vorschläge und setzen sich gründlich mit ihren Rollen auseinander. Für Christina Strobel ist das ungewohnt: „Das kannte ich in dieser Form bisher nicht. Die alten Hasen sind nicht so engagiert wie die Jungen, die sich auch außerhalb der Proben richtig reinhängen. Sie studieren nicht nur die Texte, sondern beschäftigen sich auch in ihrer Freizeit mit den Charakteren“, erzählt sie.
Die Begeisterung für das Stück ist jedoch nicht nur mit der Liebe zur Schauspielerei zu erklären. Auch das Thema des Stücks beschäftigt alle, die darin mitspielen, sehr. Marie Feiler hat viel über „Nichts“ und ihre Rolle darin nachgedacht. „Das Stück ist für mich besonders, weil es immer wieder zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit dem Thema anregt“, sagt sie. „Es ist schwer vorstellbar, dass sich eine Gruppe 13-Jähriger so schnell zu Extremen anstacheln lässt – aber das macht die Rollen und das Spielen viel spannender.“
Die gute Absicht der Klasse in „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ dem Nihilismus ihres Mitschülers emotionale und gesellschaftliche Werte entgegenzustellen, verkehrt sich unter dem schnell entstehenden Gruppenzwang in etwas äußerst Ungutes. „Das ist schon eine ziemlich heftige Story“, sagt die Regisseurin, die im Laufe der Probenarbeit immer mehr gemerkt hat, dass das Stück auch für Erwachsene sehr spannend ist.
Dennoch hofft das junge Team der Werkstattbühne, mit ihrer Inszenierung vor allem Jugendliche ab 14 Jahren und Schulklassen anzusprechen. Denn „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ ist ein Pilotprojekt der Werkstattbühne, um junge Leute wieder verstärkt ins Theater zu locken und vielleicht sogar als Nachwuchs zu gewinnen.
Christina Strobel kann sich vorstellen, dass diese Art von Projekten ab dem Herbst, wenn die Werkstattbühne in Theaterwerkstatt umbenannt wird, öfter stattfindet: „Bisher sind alle begeistert und haben auch schon gesagt, dass sie Lust hätten, das noch einmal zu machen.“
Das Stück feiert am 1. Juni Premiere. Bis zum 13. Juli sind dann 20 Aufführungen geplant. Mehr Infos unter www.werkstattbuehne.com