„Na, dös mochi ned.“ Obwohl Dominik Gruber einen der höchsten Arbeitsplätze in der Stadt hat, plagen ihn Höhenängste. Deshalb lehnt sich der Österreicher mit seinem Waldhorn auch nicht aus der Türmerstube im Grafeneckart, wenn er den Würzburgern den Marsch bläst. Gruber sowie seine Kommilitonen Sören Fries und Florian Leuschner sorgen für die neueste Attraktion in der Stadt: Sie beleben seit Anfang September die Tradition des Turmbläsers und kündigen jeweils am Freitag- und Samstagabend den Auftritt des Würzburger Nachtwächters an.
Dieser hatte in der Person von Wolfgang Mainka auch die Idee zum Turmblasen: „Das ist doch für die Würzburger und ihre Gäste eine schöne Sache.“ Diese Aussage bestätigte der Beifall bei den ersten Auftritten. Mitte Juli startete Mainka – wie berichtet – die Suche nach einem geeigneten Kandidaten. Fündig wurde sein Nachtwächterkollege Günter Stock – und das gleich mehrfach. Stock bekam Kontakt zu Sören Fries. Der 23-jährige Student an der Hochschule für Musik fand den Studentenjob als Turmbläser „absolut reizvoll“, und zwar so, dass er auch gelich seine Studienkollegen an der Musikhochschule, Dominik Gruber und Florian Leuschner, für die Wochenendbeschäftigung begeistern konnte.
„So können wir uns die Wochenendtermine gut teilen“ sagen die Drei und sorgen gleichzeitig für musikalische Abwechslung. Dominik Gruber spielt auf seinem Waldhorn jeweils das Allegro aus Mozarts Hornkonzert. Der 26-Jährige kommt aus Ostermiething in der Nähe von Salzburg, wo er schon in jungen Jahren im Turm blies – „an Weihnachten in der Kirche.“ Das sei aber nicht ganz so weit oben gewesen, wie im Grafeneckart, sagt der junge Türmer mit der Höhenangst. Gruber hilft bisweilen auch im Orchester des Mainfranken Theaters aus.
Mit dem Klassiker „Tuxedo junction“ steuert Florian Leuschner jazzige Töne vom Rathausturm bei. Der 23-jährige Saxophonist spielt in diversen Big bands sowie seiner eigenen Truppe, dem Florian Leuschner Sextett, mit dem er erst am Donnerstag in der Studentenkneipe „Standard“ zu hören war. Am gestrigen Freitag hatte Leuschner seine Turm-Premiere. Er ist gebürtiger Nürnberger und damit der einzige Franke im Türmer-Trio. Dass alle drei kaum fränkische Mundart sprechen, wie sich Nachwächter Mainka das ursprünglich vorgestellt hatte, ist kein Problem: „Das hört man beim Blasen ja nicht.“
Den „Banana Boat Song“ hatte einst Harry Belafonte bekannt gemacht. Nun rundet Sören Fries mit den Calypso-Klängen auf der Posaune das musikalische Spektrum der Turmbläser ab. Und Nachtwächter Mainka, der einst Liedgut wie „Der Wächter auf dem Turme saß“ für den Türmer in Sinn hatte, freut sich – „da ist für jeden was dabei“ – über die „zeitgenössische Turmbläserei“
Die Zuhörer tun das auch. „Ein schönes Gefühl, wenn von unten der Applaus kommt“, sagt Musikstudent Fries. Auch Kulturreferent Muchtar Al Ghusain hält das Turmblasen für „eine charmante Idee.“ Indes: Der Beifall allein ist nicht des Künstlers Lohn. Die Turmbläser bekommen für ihren jeweils zwei- bis dreiminütigen Einsatz „ein paar Euro“ und von Ratskeller-Wirt Kurt Schubert ein Abendessen. Das verdienen sie sich nicht nur mit der Bläserei. Auch der Weg zum Arbeitsplatz ist harte Arbeit. „189 Stufen bis in die Türmerstufe hab ich gezählt“, berichtet Florian Leuschner. Bemerkenswert, dass die drei hinterher noch Luft zum Blasen haben.
Über die Tradition des Türmers ist in Würzburg nicht viel bekannt. Nach Aufzeichnungen aus dem Stadtarchiv soll er bereits 1456 „zum Stundenschlag und als Feuersignal“ die Glocke im Grafeneckart geschlagen haben.
Wer die Bläser hören will: Die Turmbläser kündigen immer am Freitag und Samstag, jeweils um 20 und um 21 Uhr, den Beginn der Nachtwächterführungen am Vierröhrenbrunnen an.