„Ich hab immer schon gern genescht.“ Was Barbara Model gerne nascht, ist nicht etwa Schokolade, nein. Wenn sie so über die Felder geht, dann kaut sie Kräuter, und das seit Kindertagen. Zuhause setzt sie gerne ihre eigenen Kräutertinkturen an, aber die Heilpflanzen „in ihrer Ursprungsform“ sind ihr am liebsten.
Model ist eine der Schülerinnen von Sara Götz, der Phytotherapeutin, die zu ihrem ersten Seminar „Heilkräuter einmal anders“ eingeladen hat. Die Referentin bringt ihre eigene Geschichte mit ins Seminar. Vor acht Jahren kam sie aus Eritrea nach Deutschland, machte hier die Ausbildung zur Heilpraktikerin und spezialisierte sich auf die Pflanzenheilkunde.
Ihre Oma hat „sowas auch schon getan“, erinnert sich Götz, aber das habe sie damals als Kind nicht interessiert. „Schade“, sagt sie jetzt bedauernd. Aber andererseits, sagt sie: Hier in Deutschland würde ihr dieses Wissen ohnehin nicht so viel nutzen, denn Sara Götz arbeitet nur mit den Kräutern, die vor Ort wachsen. „Früher ging jeder zum Arzt, heute gehen die Menschen mit ihrer Gesundheit bewusster um und wollen was anderes ausprobieren“, erklärt die Heilpraktikerin.
Das bestätigen im Grund alle ihre Seminarteilnehmer. „Ich mag verordnete Antibiotika gar nicht“, sagt Ursula Weidinger. So sucht sie immer neue Wege und hat „damit schon gute Erfolge erzielt“. Auch Barbara Wehner will „nicht gleich zur chemischen Keule greifen.“ Weil's zurzeit überall grünt und blüht, dachte sie: „Daraus muss man doch etwas machen können“ und hat sich zum Kurs angemeldet. „Aber ich bin gleich am ersten Abend schon gewarnt worden“, erzählt sie. Die Kräuter am Wegesrand sind oft zu sehr belastet, man müsse schon in den Wald oder über die Felder, um die richtigen Kräuter pflücken zu können.
Sara Götz schiebt derweil die Kleeblüten in den Herd. „Wenn wir den Klee im Ofen trocknen, darf er keine Metallberührung haben“, warnt sie. Und erklärt dann, dass Isoflavone pflanzliche Östrogene sind, die besonders bei Frauenleiden Linderung versprechen.
Das ist für den einzigen Mann in der Runde, Richard Geiling, weniger interessant, aber er hatte sein Erfolgserlebnis schon, gleich nach dem ersten Kursabend. Seine Enkelin reagiere so empfindlich auf Insektenstiche, erzählt er. Bei der ersten Seminareinheit wurden Spitzwegerichblätter klein geschnitten und im Mörser mit Öl verrieben. Mit dieser Masse behandelte er den verstochenen Hals seiner Enkelin – mit Erfolg. „Das war super“, freute sich Geiling und stellte fest: „Den Ärzten muss man nicht alles hintragen, die Natur ist besser.“
Sarah Köhl und Malinka Helle sind die jüngsten in der Runde. Köhl studiert Geoökologie, Botanik steht auf ihrem Stundenplan. Aber sie hat auch vorher schon Kräuteröle angesetzt und noch viel mehr selbst gemacht. In letzter Zeit sind diese Aktivitäten ein bisschen eingeschlafen denn „macht braucht sehr viel Zeit dafür“, erklärt sie. Helle hat sich bei einer der Kräuterwanderungen, die Bürgermeister Hans Fischer regelmäßig anbietet, für die Heilpflanzen begeistern lassen. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, nach dem Abitur Heilpraktikerin zu werden. Aber nach praktischen Überlegungen – für diese Ausbildung gibt‘s kein BAföG – entschied sie sich doch für ein Studium der Innenarchitektur. Jetzt bleiben die Kräuter halt ihr Hobby. „Ich mag Kräuter, mag auch den Geschmack und will mehr wissen“, sagt sie.
„Kann ich Ihre Aufmerksamkeit haben?“, ruft Sara Götz in di Runde. Ihre Seminarteilnehmer sind mit Hacken und Schneiden, Zermahlen und Sieben beschäftigt. Dazu werden jede Menge eigene Erfahrungen ausgetauscht, so dass sich die Seminarleiterin ab und zu Gehör verschaffen muss. Sie erklärt die Wirkung der Beinwellsalbe und macht klar, dass auch Naturheilmittel bei unwissender Anwendung ihre Gefahren haben. „Beinwell ist gut für den Bewegungsapparat, aber sie dürfen ihn nicht als Tee trinken“, schärft sie ihren Zuhörern ein. „Die darin enthaltenen Alkaloide können tödlich sein.“
Petra Kiesel sieht ihren eigenen Garten seit Besuch des Seminars mit neuen Augen. „Beinwell hab ich auch im Garten, hab ich jetzt festgestellt“, erklärt sie, und auch Spitzwegerich kann sie vor der eigenen Haustür ernten. Barbara Wehner kennt diese Entdeckergefühle und lacht: „Ich frag da immer die Oma.“
„Uh, das war heiß“, beim Ausdrücken der Ringelblumensalbe verbrennt sich die Seminarleiterin fast die Finger. Sie bläst, und eine Teilnehmerin verkündet stolz, was sie schon gelernt hat. „Die Ringelblumensalbe hilft ja auch bei Verbrennungen ersten Grades“, tröstet sie Sara Götz. Alle lachen herzhaft.
Auf die Frage, ob es noch weitere Seminare dieser Art geben werde, zögert Götz nicht lange. Erstens will sie es nicht so machen wie ihre eigene Oma, sondern ihr Wissen weitergeben, und zweitens meint sie: „Wenn ich in diese Gesichter sehe, dann weiß ich, es hat Spaß gemacht.“ Und was motiviert mehr als zufriedene Seminarteilnehmer. Gesagt, getan: diese Woche läuft der zweite Kurs an.



