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OBBACH
Mittendrin und idyllisch am Bach

Von unserer Mitarbeiterin

Silvia Eidel

 |  aktualisiert: 16.12.2020 12:05 Uhr

Es geht doch. Mit Geduld, Hartnäckigkeit, Ideenreichtum und (finanzieller) Hilfestellung ist mitten in Obbach der Beweis erbracht: Wiederbelebung des Ortskerns ist möglich, Innenentwicklung muss keine Worthülse sein.

Auf dem Bauhüttengelände, dem bayernweiten Modellprojekt in Sachen lebendige Dorfkerne, wurde jetzt der dritte und letzte Teil des Vorhabens realisiert: der Neubau eines Wohnhauses in zweiter Reihe.

Ein zerfallender Doppel-Hof bestimmte einst das Grundstück an der Schweinfurter Straße, „ein Schandfleck“, wie es Manfred Stadler formuliert. Der Mitarbeiter des Amts für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken sitzt der Dorferneuerung Obbach vor, die das gesamte Gelände zunächst erwarb. Das Ziel hieß, an einem echten Beispiel zu zeigen, „wie Innenentwicklung geht, wie vernünftig und dorfgerecht saniert und gebaut werden kann“. Damit Ortskerne nicht weiter aussterben.

Zunächst mussten alte Gebäude abgerissen werden, eine Hürde, die viele Bauwillige im Dorfinneren abschreckt. Hier, beim Pilotprojekt, förderte das der Freistaat Bayern, ansonsten aber hält er sich zurück. Daher müssen kommunale Förderprogramme solche Kosten abmildern, um hier voranzukommen, sagt Euerbachs Bürgermeister Arthur Arnold (siehe Text rechts).

Vernünftiger Preis

Er legte in seiner Gemeinde beispielsweise ein Leerstandsprogramm auf. Denn seine Erkenntnis lautet: Der Gestehungspreis – Kaufpreis plus Abriss – muss „vernünftig“ sein, um in den Ortskern zu locken.

Erstes Projekt auf dem Obbacher Modell-Grundstück war die Erstellung der eigentlichen Bauhütte: ein Demonstrationsgebäude, das seit 2009 als Informationsquelle dient. Dann folgte 2009/2010 die Sanierung des ehemaligen Bauernhauses, das von einem neuen Besitzer beispielhaft bewohnbar gemacht wurde. Mittlerweile lebt dort seine Tochter mit Familie.

Der freigeräumte, hintere Anteil des Modellgrundstücks direkt am Mühlbach, 500 Quadratmeter groß, sollte einem neuen Wohnhaus dienen. Damit kein neuer Bauplatz draußen am Ortsrand Fläche versiegelt. Dafür fertigte das ALE einen Bauplan im Stil einer Scheune, verbunden mit einer Förderung von 30 000 Euro. Aber trotz Lock-Angebots tat sich lange nichts. Weil bei einem Dorferneuerungs- oder Flurbereinigungsverfahren der Eigentumsübergang der neu zugeteilten oder vermessenen Grundstücke erst nach deren Abschluss erfolgen kann, so Stadler, erwarb die Gemeinde Euerbach die Baufläche, um sie schnell weiter an Privatpersonen zu veräußern.

Im Juli 2013 griffen Anja Haag und ihr Lebensgefährte Volker Keß von Poppenhausen aus zu: Sie kauften das günstige Grundstück – 25 Euro der Quadratmeter – in zweiter Reihe sowie eine Gemeinschaftsfläche mit 45 Quadratmetern. Gratis dazu gab es einen alten, von der Dorferneuerung sanierten Gewölbekeller samt neu errichtetem Schuppen darüber. „Die Lage ist wunderschön, richtig idyllisch hier am Bach. Und ruhig ist es, der Straßenlärm ist kaum zu hören“, urteilt die Bauherrin. „Und es ist bezahlbar“, pflichtet der Partner bei.

Weitere Fördermöglichkeiten im Obbacher Altort aufgrund gemeindlichen Engagements erläuterte Euerbachs „Innenentwicklungslotse“ Klaus Wolf: kostenlose Bauberatung, städtebauliches Sanierungsgebiet und damit steuerlich höhere Absetzung der Baukosten, Vorteile der Dorferneuerung, auch beim beginnenden Bau der Staatsstraße 2290 durch Obbach.

Weil der Scheunencharakter des ALE-Bauplans dem Paar nicht zusagte, genehmigte die Gemeinde Euerbach dessen eigene Vorstellung: ein „normales“ Wohnhaus mit Satteldach sowie einer Flachdach-Gaube zur Hofseite. „Wir hatten keine Schwierigkeiten mit dem Plan“, blicken die Bauherren zurück. Jetzt steht der Rohbau mit 140 Quadratmetern Wohnfläche, eine Garage fehlt noch und im September wollen sie mit Sohn Julian einziehen.

„Wir sind sehr froh, dass sich dort jemand engagiert“, äußert sich der Bürgermeister. „Das Gebäude ist eine brauchbare Lösung, es passt ins Dorf“, sagt er. „Ein Beispiel, das man gut präsentieren kann.“

Die Erschließung des Baugrundstücks mit Wasser- und Abwasserkanal war bereits vorhanden, die Bauherren mussten nur einen Graben für Strom- und Telekom-Leitung zur Straße graben. Zwar muss noch manches zwischen den Anliegern geklärt werden: etwa die Gestaltung der Zufahrt, zumal diese Gemeinschaftsfläche ist. Denn auch ein weiterer, ebenfalls im hinteren Teil liegender kleiner Hof ist nur über die gemeinsame Zufahrt erreichbar. Aber: „Das wird schon klappen mit den Nachbarn“, sind sich die Bauherren sicher. Auch die Entwässerung der Nachbarflächen über ihr Grundstück muss noch geregelt werden.

Die jungen Leute sind in Obbach bereits vernetzt, haben Bekannte dort. Auch solche „weichen“ Faktoren bei der Wahl des Wohnstandortes zählen, weiß ALE-Mitarbeiter Stadler. „Der Ruf eines Ortes ist wichtig oder wie die Leute dort miteinander umgehen“, sagt er. Anja Haag und Volker Keß sind sicher, dass ihre Entscheidung richtig war. Auch wenn in Obbachs Mitte noch viele Häuser und Höfe zu erneuern sind.

 
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