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ALTENBUCH
Auf dem letzten Weg der Toten
Altenbucher Kirchweg Früher ging ihn niemand zum Spaß. Heute informieren sechs Tafeln über seine historische Bedeutung.
Die Altenbucher Kirche: Bevor der Ort eine eigene Pfarrei wurde, mussten die Altenbucher zum Kirchgang ins sieben Kilometer entfernte Dorfprozelten laufen.
Foto: Joachim Schwamberger | Die Altenbucher Kirche: Bevor der Ort eine eigene Pfarrei wurde, mussten die Altenbucher zum Kirchgang ins sieben Kilometer entfernte Dorfprozelten laufen.
Von unserem Mitarbeiter Joachim Schwamberger
 |  aktualisiert: 10.11.2021 14:06 Uhr

Früher ging man diesen Weg nicht aus Freude am Wandern. Es befand sich nämlich immer ein Sarg mitten unter ihnen, wenn sich Menschen aus Altenbuch auf den Weg nach Dorfprozelten machten. Der Altenbucher Kirchweg war früher auch der Totenweg. Er führt vom Spessart hinab ins südliche Maintal.

Am Wegesrand findet der Wanderer sechs Tafeln, die über historisch bedeutsame Sachverhalte informieren. Er ist sieben Kilometer lang und der 78. Kulturwanderweg, den das Archäologische Spessartprojekt ausgewiesen hat.

Der Weg verläuft größtenteils durch Buchen- und Fichtenwälder. Bisweilen ist er nicht befestigt, also weder rad- noch kinderwagentauglich.

Die Historie dieses Kirchwegs ist durchaus interessant. Bei der Besiedlung der Spessarttäler im Mittelalter erhielten die wenigsten der neuen Dörfer eine eigene Pfarrei. Wenn jemand gestorben war, musste man zur nächsten Kirche mit einem Friedhof gehen. Viele Hundert Jahre lang mussten die Altenbucher einen beschwerlichen Weg von rund sieben Kilometern für Gottesdienstbesuche, Taufen und Hochzeiten nach Dorfprozelten auf sich nehmen und bis etwa ins Jahr 1700 ihre Toten zur Beerdigung zum dortigen Friedhof bringen.

Nach dem Bau der jetzigen Kirche (1770) wurde der Weg ab 1783 vor allem von den Kaplänen aus Dorfprozelten benutzt, um in Altenbuch seelsorgerische Aufgaben wahrzunehmen. Als Altenbuch 1810 eigene Pfarrei wurde, verlor der Weg an Bedeutung und verschwand nach und nach. Die Strecke wurde nun freigelegt und ist nach 200 Jahren wieder als Kulturwanderweg voll begehbar. Entlang des Weges trifft man auf Bildstöcke, eine Kapelle und eine Mariengrotte – Zeichen für die überwiegend katholische Bevölkerung. Der Weg ist zu Fuß gut begehbar und führt meist durch Wald.

Altenbuch ist ein im 12. Jahrhundert angelegtes Waldhufendorf, das aus Oberaltenbuch (Grafschaft Rieneck) und Unteraltenbuch (Erzstift Mainz) bestand. Erst 1938 vereinigten sich beide. Die St.-Wolfgang-Kirche wurde 1770 gebaut.

Am Waldrand wurden die Toten, die nach Dorfprozelten gebracht werden mussten, von den Dorfbewohnern verabschiedet, von da an begleiteten nur engste Familienangehörige den Sarg. Die Kapelle dort entstand im 20. Jahrhundert aufgrund eines Gelübdes.

Dem Namen nach wurde Neuenbuch später besiedelt als Altenbuch. Beide Dörfer entstanden als Rodungsdörfer. Am Sohl oberhalb Neuenbuchs finden die Wanderer einen Bildstock, einen Spielplatz und die Schutzhütte des Wandervereins.

Der kleine Sellbach fließt an der Gemarkungsgrenze zwischen Stadt- und Dorfprozelten. Dass es an einer Grenze immer wieder Anlass für Streit gab, ist im alten Dorfprozeltener Gerichtsbuch zu lesen. Am Abhang zum Sellgrund legten die Hofthiergärtner Bauern Steinbrüche an. In einem befindet sich heute eine Mariengrotte.

Weinbau dominierte in Dorfprozelten seit dem Mittelalter. Früher verdienten die Menschen vor Ort ihr tägliches Brot vorrangig als Steinbrecher, Steinhauer und Steinmetze. Der Buntsandstein war die Grundlage für die aufblühende Schifffahrt. Heute ist am Bahnhof noch die Endstation der Seilbahn zu sehen, mit der die Loren vom Berg ins Tal transportiert wurden.

„Bratselden daz dorf“ wurde etwa um 1000 nach Christus gegründet. Die St.-Vitus-Kirche wurde um 1900 abgerissen und gegenüber das heutige neoromanische Gotteshaus errichtet. Der damalige Ortspfarrer Leopold Becker gewann die bekannte Künstlerfamilie Schiestl für die Ausschmückung.

Der Nachteil der Wanderung: es handelt sich nicht um einen Rundwanderweg, was die Anfahrt mit zwei Fahrzeugen notwendig macht – oder man wählt einen alternativen Rückweg. Dafür empfiehlt sich der parallel zum Main verlaufende Radweg bis etwa zur Ortsmitte von Stadtprozelten. Von dort nimmt man den Anstieg zur Henneburg in Kauf. Nachdem man die stattliche Burg besichtigt hat, folgt der Wanderer dem Spessart-Fernwanderweg, der als Markierung einen roten Querbalken auf weißem Grund hat. Nach knapp 30 Minuten erreicht man Neuenbuch und marschiert durch den Wald zum Ausgangspunkt nach Altenbuch.

Aber auch mit dem Bus (VAB-Linie 91) kann man an den Werktagen fast stündlich sowie Samstag/Sonntag beinahe alle zwei Stunden ab Altenbuch nach Faulbach und dort mit der Westfrankenbahn zurück nach Dorfprozelten – und umgekehrt – fahren.

Auf dem Kirchweg findet man die Kirche in Dorfprozelten (6), anschließend geht es über den Bichlberg (5) in den Sellgrund (4). Durch den Totengraben wird die Höhe über Neuenbuch, der Sohl (3), erreicht. Durch den Forst geht es bergab zur Station Altenbucher Wald mit Kapelle (2) und dann durch die Leichgasse in den Ort zur Altenbucher Kirche (1).

Ein Höhenunterschied von rund 150 Höhenmetern ist auf der Strecke insgesamt zu überwinden. Die Wanderer folgen auf einer Länge von etwa sieben Kilometern der Markierung des gelben EU-Schiffchens auf blauem Grund, auf dem alternativen Rückweg ab der Henneburg dem roten Querbalken auf weißem Grund.

Altenbucher Kirchweg

Ausgangspunkt/Endpunkt: Main bei Dorfprozelten, Kirche in Altenbuch Parkmöglichkeiten: jeweils am Ausgangs-/Endpunkt Wanderzeit: einfach knapp zwei Stunden, bei Rückweg auf anderer Route fünf Stunden Einkehrmöglichkeiten: auf dem Weg keine, dafür in Altenbuch und in Stadtprozelten solide Gasthäuser Öffentliche Verkehrsmittel: Westfrankenbahn ab Dorfprozelten bis Faulbach und umgekehrt, dann VAB-Buslinie 91 zwischen Faulbach und Altenbuch und umgekehrt (werktags fast im Stundentakt, Samstag und Sonntag fast alle zwei Stunden) Aussichtspunkt: zwischen Sohl und Hofthiergarten Blick über den Spessart und Maintal, auf dem Rückweg Henneburg Blick ins Maintal Sehenswürdigkeiten: Steinbruch-Seilbahn-Endstation und St.-Vitus-Kirche in Dorfprozelten, Henneburg auf dem Rückweg, Kirche in Altenbuch

Historisch: die Loren-Seilbahn
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Kühle Wälder, sonnige Auenwiesen: Der Altenbucher Kirchweg ist abwechslungsreich.
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Auf dem letzten Weg der Toten       -
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