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Mit Wut im Bauch zum Tor des Monats
Das Gespräch führte HANS-PETER BREUNIG
 |  aktualisiert: 16.12.2020 13:47 Uhr
Heute wird in der ARD-Sportschau ab 1810 Uhr das "Tor der Woche" gewählt. Zur Auswahl der schönsten Fußball-Treffer steht auch ein sehenswertes Tor von Sascha Goebel, Innenverteidiger des Bayernligisten Würzburger FV. Goebel ist freilich nicht der einzige Würzburger, der für diese traditionelle Fernsehrubrik ausgewählt wurde. Vor beinahe 30 Jahren schoss Heribert Müller sogar das "Tor des Monats". Müller, ein Eigengewächs des FV 04 Würzburg, erzielte in 78 Zweitligaspielen vier Tore, wurde in die Bayernauswahl berufen und spielte zusammen mit Uli Stielike, Hansi Müller und Hans-Peter Briegel in der damaligen Amateur-Nationalmannschaft in Dänemark. Heute ist der 52-Jährige, der weitere Stationen bei Schloss-Neuhaus und beim SV Heidingsfeld hatte, Hausmeister in der Max-Dauthendey-Schule in der Sanderau. Mit dem Ur-Würzburger sprechen wir im Samstalk über seinen Treffer, über seinen Würzburger Nachfolger Sascha Goebel und über die Zeit nach

FRAGE: Schauen Sie sich am Samstag die Sportschau an?

HERIBERT MÜLLER: Normalerweise nicht, aber heute natürlich. Ich habe ja schließlich mitgekriegt, dass Sascha Goebel vom Würzburger FV so ein tolles Tor geschossen hat . . .

. . . das in die Auswahl zum Tor der Woche in der ARD gekommen ist.

MÜLLER: Als ich das erfahren habe, habe ich mich wirklich gefreut.

Sie haben das Tor nicht live gesehen?

MÜLLER: Nein. Ich schaue mir nur ganz selten Fußballspiele an.

Wie das denn? Sie haben schließlich über 30 Jahre lang gekickt. Keine Lust mehr auf Fußball?

MÜLLER: Doch, doch, die Fußball-Weltmeisterschaft, Länderspiele oder Europacup-Partien - sowas schau ich mir schon an. Aber ich habe viele Hobbys, die mir gar nicht so viel Zeit lassen.

Welche denn?

MÜLLER: Angeln. Damit hab ich angefangen, als ich mit 37 Jahren zum Würzburger FV zurückgekehrt bin. Danach kam Tennis in Heidingsfeld und im Klub Am Stein. Anschließend bin ich lange Zeit Marathon gelaufen - und jetzt radl ich gerne. Mit meinem Ex-Mitspieler Paul Hupp und anderen Freunden treffe ich mich häufig zu Touren. Da fehlt einfach die Zeit für etwas anderes.

Fehlt Ihnen denn der Fußball nicht?

MÜLLER: Nein, wirklich nicht. Ab und zu schaue ich meinem Sohn Frank zu, der ja jetzt vom Würzburger FV zum Post SV Sieboldshöhe gewechselt ist. Aber auch wenn ich nicht zu den Spielen gehe, heißt das nicht, dass ich Fußball nicht mehr mag.

Erinnern Sie sich eigentlich an Ihr "Tor des Monats"?

MÜLLER: Klar, ich habe ja auch noch die Kassette. Auch wenn ich sie mir erst drei-, viermal angeschaut habe. Aber so was vergisst man nicht.

Können Sie beschreiben, wie es war an jenem 21. Januar 1978?

MÜLLER: Es war das Zweitliga-Heimspiel im Stadion an der Frankfurter Straße gegen der Karlsruher SC. Ich habe bis zum Tor ziemlichen Mist zusammengespielt. Ein paar Leute haben draußen schon laut gemeckert. Ich war deshalb auch recht angefressen. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit - es stand 0:0 - kam ein weiter Pass von Jens Johansen an die Strafraumgrenze. Klaus Sterz verlängerte den Ball gerade noch mit einem Seitfallzieher in den Strafraum. Dort stand ich mit dem Rücken zum Tor und hab das Ding mit einem Fallrückzieher richtig gut erwischt. Wir haben 2:0 gewonnen, das zweite Tor hat Erich Schmitt geschossen. Nach dem Spiel haben mir dann die Leute auf die Schulter geklopft und vom "Tor des Monats" gesprochen. Ich habe aber erst daran geglaubt, als ich die Einladung nach Köln erhielt.

Dann kam der Fernsehauftritt . . .

MÜLLER: Oh je, das war was. Ich fuhr zusammen mit meinem Stiefvater Hansi Stöcker mit dem Zug nach Köln und war schon ein bisschen aufgeregt. Im Fernsehstudio traf ich dann den Moderator Klaus Schwarze (Anmerkung der Red.: 1971 der Erfinder des "Tor des Monats"), der sich mit mir ganz nett unterhielt. Aber in diesem Vorgespräch stellte er mir völlig andere Fragen als später in der Sendung. Ich war froh, als die Sache vorbei war.

Hat sich das "Tor des Monats" wenigstens finanziell gelohnt?

MÜLLER: Quatsch. Wir haben die Zugfahrkarte bekommen und ein Mittagessen in der ARD-Kantine in Köln. Das war's. Ach so, die Plakette gab es auch noch.

Und wo hängt die heute?

MÜLLER: Sie lag jahrelang irgendwo im Keller. Vor etwa fünf Jahren hat sie meine Frau ins Wohnzimmer gebracht und jetzt steht sie neben ein paar Tennis-Pokalen und anderen Medaillen auf dem Wohnzimmerschrank.

Kriegen Sie eigentlich die Mannschaftsaufstellung von damals noch zusammen?

MÜLLER: Die exakte Aufstellung nicht mehr, aber die meisten Spieler: Da waren Scherzer, Groppe, Szaule, Hiestermann, Johansen, Obenhuber, Sterz, Borngäber, Hayer, Erich Schmitt, Eckstein - und Trainer war Rudi Kröner.

Und was sagen Sie zum heutigen Würzburger FV?

MÜLLER: Es wäre schön, wenn die Jungs es schaffen würden, auch mal hochklassig zu spielen. Es wäre aber genauso schön, wenn sie mal mehr Zuschauer bekämen. Wenn ich heute sehe, wieviele Leute auf die Sportplätze gehen. Bei so genannten Spitzenspielen gerade einmal 500 Fans. Die hatten wir ja schon fast bei jedem A-Jugendspiel.

Woran das wohl liegen mag?

MÜLLER: Zum Thema höherklassig: Du hast im engeren Umkreis nicht mehr so viele Talente. Wir haben früher jeden Tag sechs Stunden lang geroxt und hatten schon mit elf, zwölf Jahren glänzende Techniker. Heute sollen das die Kinder bei zwei, drei Trainingseinheiten pro Woche lernen. Und zum Thema Zuschauer: Nun, die Menschen haben heute eine ganz anders Auswahl an Angeboten. Die können sich aussuchen, was sie anschauen wollen. Aber ohne Zuschauer hast Du nicht das Geld, um Talente von außerhalb zu holen.

Drücken Sie Sascha Goebel bei der Wahl zum "Tor der Woche" die Daumen?

MÜLLER: Natürlich. Und wenn er gewinnt, treffe ich mich mit ihm mal nach einem Bayernliga-Spiel des WFV in der Mainaustraße und trink mit ihm ein Bierchen.

 
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