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Mit Silber gegen den geilen Geiz
Würzburg Silberschmiede arbeiten mit einem faszinierenden Material und stellen sich mit hochwertigen Produkten gegen seelenlose Massenware.
Poliertes Silber glänzt wie das ...       -  ... Mondlicht, meint der Würzburger Edelmetall-Schmied Matthias Engert (im Bild eine Szene aus dem Trickfilm "Back to Gaya").
Foto: FOTO CINETEXT | ... Mondlicht, meint der Würzburger Edelmetall-Schmied Matthias Engert (im Bild eine Szene aus dem Trickfilm "Back to Gaya").
Von Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 16.12.2020 14:20 Uhr
"Wir sind von lauter wertlosen Dingen umgeben", klagt Matthias Engert. Massenprodukte bestimmen unser Leben, "Geiz ist geil" heißt der Slogan unserer Zeit. Nicht gut, findet Engert. Was beinahe selbstverständlich ist: Der 44-jährige Würzburger ist Gold- und Silberschmied und schon von daher kein Billigheimer. Nicht unbedingt selbstverständlich ist aber Engerts privater Hang zum Hochwertigen, speziell zum Silber. "Es macht einfach Spaß, eine Pfeffermühle aus diesem Metall zu benutzen oder sich am Morgen den Tee aus einer silbernen Kanne einzugießen." Der Kunsthandwerker kommt nahezu ins Schwärmen: "Ich freu' mich jeden Tag drauf." Engert weiß, wovon er spricht, wenn er - in leicht abfälligem Ton - von dem Wertlosen spricht, das unseren Alltag prägt.

Es geht ihm dabei nicht nur um das billige Porzellan-Service, das Discounter massenweise verramschen. Er weiß auch, dass vermeintlich Hochwertiges oft kaum mehr wert ist als das Milchkännchen aus dem Souvenirshop an der Riviera: Geschmeide-Schmied Engert, der auch an der Nürnberger Kunstakademie studierte, hat früher Entwürfe für die Industrie gezeichnet. "Ich bin über die Preiskalkulationen erschrocken." Da sei eine von ihm entworfene Dose (nicht aus Silber) für 1,50 Dollar in Indien gefertigt worden. "Die wurde hier für 80 Euro verkauft."

Hochwertigkeit und Freude am Schönen im Alltag hat für Engert seitdem nicht nur mit dem Werkstoff zu tun, sondern vor allem mit einem: mit dem Unikat, mit dem Schälchen, dem Becher oder dem Leuchter, den es nur ein einziges Mal gibt. So ein Einzelstück aus Silber, glänzend wie das Mondlicht, hat natürlich seinen Preis. Für diverse Tee- oder Kaffeekannen zahlt der Silber-Liebhaber zwischen 2000 und 5000 Euro. Engert wischt Bedenken beiseite: "Was kriegen Sie denn heute für 4000 Euro? Einen Fernseher mit Flachbildschirm." Der sei nach ein paar Jahren hinüber oder veraltet. "Silber hält Jahrhunderte."

"Das können Sie noch vererben", wirbt auch Josephine Lützel für die Wertbeständigkeit ihrer silbernen Becher, Obstmesser, Mokkalöffel und Teekannen - alles Unikate, versteht sich. Die Winterhäuserin umgibt sich, ebenso wie Kollege Engert, auch privat gerne mit schönen Dingen. Noch nach Jahrzehnten täglicher Beschäftigung mit dem edlen Werkstoff wird die Silberschmiedin nicht müde, sich über dessen "weißen, lichten Glanz" zu freuen.

Silber, erklärt sie, sei ein gut formbares Material. Verarbeitet wird eine Legierung. "925er Silber", so genanntes Sterling-Silber, ist das Material, das Engert und Lützel überwiegend verwenden. Es hat einen Silberanteil von 92,5 Prozent. Der Rest ist Kupfer, was das Material, das millimeterdünn verarbeitet wird, widerstandsfähiger macht. Mit reinem Silber würde niemand arbeiten: Das wäre viel zu weich und für Gebrauchsgegenstände nicht geeignet.

Hämmern und löten und walzen

Josephine Lützel legt ein kreis-rundes Blech aus Sterling-Silber über eine Mulde in dem massiven Eichenblock, der mitten in der Werkstatt steht. Dann wählt sie aus einem guten Dutzend Hämmern den passenden aus und beginnt mit dem Schmieden. Das Material wird dazu nicht erhitzt, es wird "kalt geschmiedet". Die Schmiedin schlägt das Blech in die Mulde. So entsteht eine Art Schale als Zwischenform. Dann wird mit dem "Aufziehhammer" auf dem passenden Eisen weiter gearbeitet, bis das Silber so "hochgezogen" ist, dass die Becher-Form erreicht ist.

Die 42-Jährige hämmert, lötet, walzt und gießt mit Vorliebe silberne Alltagsgegenstände. Und sie möchte, dass die Stücke dann auch benutzt werden. Eine Kanne ist eine Kanne ist eine Kanne, mag sie in Design und Material auch wie ein Kunstgegenstand wirken: "So etwas sollte nicht nur in einer Vitrine stehen." Matthias Engert teilt diese Meinung. Er gibt sich Mühe mit dem Design. Was schön aussieht, soll auch gut funktionieren. Und wenn's funktioniert, sollte es auch verwendet werden, meint der Würzburger.

In die Vitrine gehören Engert- oder Lützel-Arbeiten also nicht. Aber, so meinen beide, in den Haushalt eines jeden, der Wert auf Individualität und Lebensqualität legt. Nach Matthias Engerts Erfahrungen sind das übrigens nicht irgendwelche Superreiche, sondern Leute aus dem Mittelstand. Meist solche, die schon im Elternhaus den Umgang mit hochwertigem Material gewöhnt waren.

Josephine Lützel ist vom 29. Okto-
ber bis 1. November bei der Fine
A.R.T.S im Würzburger Kulturspei-
cher dabei. Matthias Engert stellt
vom 24. Oktober bis 21. November
im Würzburger Spitäle aus.

Matthias Engert.       -  Matthias Engert.
Foto: FOTOS HELE | Matthias Engert.
Josephine Lützel.
       -  Josephine Lützel.
| Josephine Lützel.
 
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