Die Klavierstunden, gibt Michael Kubatko zu, habe er als Kind meistens geschwänzt. „Ich wollte immer lieber raus an die Luft. Ball und Bewegung, das liegt mir im Blut.“ Da hat er sich wohl auf das richtige Bauchgefühl verlassen, denn der 35-jährige Priester mit Gemeindesitz in Bad Bocklet (Lkr. Bad Kissingen) hat sportlich eine nicht alltägliche Karriere gemacht: Als offensiver Mittelfeldspieler ist er seit Jahren schon ein echter Leistungsträger in der deutschen Pfarrernationalmannschaft. Sein Spitzname: Pferdelunge.
Womöglich hat Kubatko das Talent von seinem Opa Friedel geerbt: Winfried Podeschwa war in den 50er Jahren polnischer Nationalspieler und kickte beim Erstligaverein Polonia Beuthen. Ende der 80er Jahre kam Enkel Michael mit seiner Familie als Spätaussiedler von Oberschlesien nach Deutschland und wurde in Unterfranken sesshaft. Gegen den Ball getreten hat er, wo immer sich ein Verein fand. Heute läuft Kubatko für die DJK Burghausen/Windheim in der Kreisklasse Rhön 2 auf, wann immer es seine Zeit erlaubt.
„Fußball ist der perfekte Ausgleich zu meiner sonst sehr geistigen Arbeit“, sagt Kubatko, der 2006 in Würzburg zum Priester geweiht wurde. „Da kann ich mich austoben und bleibe gleichzeitig fit.“ Dieser Tage trainiert und fiebert er schon auf ein Match der besonderen Art hin: Am 6. November spielt die Pfarrernationalmannschaft nämlich in Berlin Prenzlauer Berg gegen eine Auswahl des Deutschen Bundestages. Vielleicht trifft Kubatko dann sogar auf Bundestagspräsident Norbert Lammert, der als einer der prominentesten von 42 Kickern aller Fraktionen im aktuellen Kader geführt wird.
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin, jetzt kann ich das auch mal singen“, sagt der 35-Jährige mit Vorfreude. Es sind ausschließlich Benefizspiele, die die Pfarrernationalmannschaft mehrmals im Jahr bestreitet. Der Erlös aus dem Spiel gegen die Bundestagskicker kommt einem Frauen-Projekt im Senegal zugute, das das Katholische Hilfswerk Missio ins Leben gerufen hat. „Wir treten gegen den Ball, damit die Rechte der Frauen nicht mit Füßen getreten werden“, bringt Pfarrer Kubatko das Motto des Spiels auf den Punkt. Trainiert wird die Pfarrerauswahl vom ehemaligen Nürnberger Bundesligaprofi Hans-Jürgen Heidenreich. Ab und an gibt es eine Trainingseinheit in Würzburg oder auch mal ein Trainingslager. „Ansonsten haben Pfarrer halt wenig Zeit“, räumt Kubatko ein. Was aber nicht heiße, dass die Kleriker nicht Vollgas auf dem Platz gäben: „Wir sind sogar besonders ehrgeizig, wir wollen immer gewinnen“, stellt er klar. Und fügt an: „Selbstverständlich spielen wir auch Fouls.“ Und über Hochwürdens Gesicht huscht ein spitzbübisches Lächeln.
Zwangsläufig muss man einem kickenden Priester die Frage nach dem Fußball-Gott stellen. „Ich bete vor jedem Spiel. Aber nicht für den Sieg, sondern dafür, dass sich niemand verletzt.“ Gewinnen solle die bessere Mannschaft, sagt er, der wie Lukas Podolski in Gleiwitz zur Welt gekommen ist.
Michael Kubatko, Pfarrer in Bad Bocklet und Spieler der Pfarrernationalmannschaft
Der 35-Jährige weiß durchaus, dass dem Fußball auch eine religiöse Faszination innewohnt. „Die Rituale, die Fangesänge, die Emotionen, das alles hat schon auch etwas Liturgisches.“ Und auch ein Priester muss sportliche Enttäuschungen erst einmal verarbeiten. „Nach einer Niederlage bin ich fertig wie jeder andere auch.“ Dass die deutschen Profikicker heuer wieder den begehrten Titel nicht geholt haben, daran hatte auch der 35-Jährige zu knabbern. „Die Zeit wäre wirklich reif gewesen.“ Aber wer im Glauben verwurzelt sei, ist Kubatko überzeugt, der könne Enttäuschungen besser wegstecken. „Dann kommt dann eben die Erkenntnis, dass es letztlich nur ein Spiel ist und dass es Wichtigeres im Leben gibt.“