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RANDERSACKER
Mit behutsamen Biss zum Genuss
Mit liebevollem Blick: Jürgen Hammers tiefe Liebe gehört dem Käse – vor allem Rohmilchkäse. Der gebürtige Theilheimer ist der erste Käse-Sommelier Unterfrankens und eine Quelle unerschöpflichen Wissens rund um das veredelte Milchprodukt.
Foto: Traudl Baumeister | Mit liebevollem Blick: Jürgen Hammers tiefe Liebe gehört dem Käse – vor allem Rohmilchkäse. Der gebürtige Theilheimer ist der erste Käse-Sommelier Unterfrankens und eine Quelle unerschöpflichen Wissens rund um ...
trab
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:47 Uhr

Freitagnachmittag, 14 Uhr. Vor dem kleinen Laden in der Klosterstraße 3a mitten im Altort steht das Schild schon auf der Straße. Zwar öffnen sie freitags offiziell erst um 15 Uhr. Aber Anneliese und Jürgen Hammer sind heute schon früher da. Also sind auch Kunden herzlich willkommen.

Das ist einer der Grundsätze des Paares. Der Kunde soll hier wirklich König sein – oder besser ausgedrückt: Jeder, der zur Tür hereinkommt wird behandelt wie einer, der einen Familienbesuch macht. Denn für Jürgen Hammer sind seine Käseangebote viel mehr als Stücke veredelter Milch. Käseprodukte gehören für ihn und seine Frau fast schon zur Familie, sind fast wie Kinder, die er mit den Augen sanft streichelt, liebevoll begutachtet, manchmal sogar verhätschelt und mit besonderer Zuneigung überschüttet. Jürgen Hammer kennt die Laibe, Ecken, Dreiecke und Scheiben in seiner Theke in- und auswendig, weiß wie sie duften, mit wem sie harmonieren.

„Das Geheimnis heißt Rohmilch.“
Jürgen Hammer Käse-Sommelier

Seine tiefe Liebe zum Käse drängt der eher still und bescheiden wirkende Mann aber niemandem auf. Wer ihm allerdings signalisiert, mehr erfahren zu wollen über Herkunft, Produktion und Herstellung, dem wird der erste Käse-Sommelier Unterfrankens zur sprudelnden Quelle unerschöpflichen Wissens. Dann vergisst der gebürtige Theilheimer alle Scheu, wird beredt, verwendet Worte und Redewendungen, die den Zuhörer verführen, locken, das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.

Er schwärmt, beschreibt, und preist die Vorzüge. Die Schmeicheleien des Käsekenners sensibilisieren schon vor dem Probieren alle Geschmacksnerven, regen an, sich dem versprochenen Genuss hinzugeben – vorbehaltlos, mit behutsamem Biss.

„Das Geheimnis heißt Rohmilch“, sagt Jürgen Hammer. Denn es sind nahezu ausschließlich Rohmilchkäse, die er und seine Gattin anbieten. Rohmilchkäse, erklärt der Experte, das bedeute nicht nur, dass die Milch nicht erhitzt wird. Das Geheimnis dahinter sei die Aufzucht von Kuh, Schaf oder Ziege mit Gras auf der Weide als Futter oder selbst geschrotetem Weizen – kein Kraftfutter, keine Silage. Milch von Tieren, die sofort nach dem Melken weiterverarbeitet wird und maximal auf 38° erwärmt werden darf. „Diese Rohmilch kostet ungefähr doppelt so viel wie herkömmliche Milch“, sagt Hammer. Was auch den Preis des veredelten Endproduktes erhöht. „Aber dafür ist der Genuss unvergleichlich höher“, ist sich Hammer sicher.

Zudem, fügt der Fachmann mit leisen Lachen hinzu, sei Rohmilchkäse sozusagen Diätkäse. Weil er nicht pasteurisiert, also nicht erhitzt wurde, enthalte er lebende Moleküle. „Diese regen die Darmtätigkeit an und der menschliche Körper reagiert nicht auf den Fettgehalt darin.“

Reich werden die Eheleute mit dem kleinen Laden nicht, den sie nach 25 Jahren in Theilheim und erst seit März 2013 in Randersacker betreiben. Fürs Einkommen arbeiten beide anderswo. Der Käseladen, der nur am Wochenende geöffnete ist, ist ein Hobby, das beide lieben und dem sie viel Zeit opfern. Gerne und aus Leidenschaft, sagen sie.

Nach den Anfängen, als die Kunden vor allem französische und italienische Produkte suchten, kommt heute zwei Drittel der Ware – zu der auch Wurst und Fleisch-Produkte der ersten EU-zertifizierten Metzgerei in Unterfranken gehören – aus deutschen Landen. Das Kundeninteresse fokussiere sich immer mehr vor allem auf regionale Produkte.

Seine Liebe zum Käse entdeckt hat Jürgen Hammer bei einer kleinen Käserei auf einer Insel in Italien, in seiner Zeit als Zeitsoldat. So ist es wohl kein Zufall, dass die Milch seiner Lieblingsstücke oft von kleinen Inseln kommt – veredelt nicht selten vom so genannten „Milch-Goldschmied“ Hans Baumgartner aus Vahrn in Brixen. „Er kauft aus ganz Europa hochwertigen Rohmilchkäse von kleinen Käsereien und Sennereien und zaubert daraus neue Sorten mit einzigartigen Geschmacksnuancen“, schwärmt Hammer.

Zum Beweis reicht er Unwissenden etwa einen mit etwas Ziegenmilch verfeinerten Pecorino aus Sardinien, würzigen Heu-Käse, salzig-fruchtigen Rohmilchkäse von der Insel Sylt oder den „Lord“, der seine besondere Note der Reife im Whiskyfass verdankt.

Ladenöffnungszeiten: freitags, 15 bis 18 Uhr; samstags, 9 bis 13 Uhr.

Tipps zu Rohmilchkäse

• Ins Gemüsefach legen: Weichkäse in atmungsaktive und lebensmittelechte Folie wickeln, Luftblasen dabei herausdrücken; Hartkäse in ein feuchtes Leinentuch schlagen.

• Orangenen Belag auf Hartkäse mit warmen Salzwasser und sauberer Bürste abschrubben, hinterher kann der Käse eingewickelt weiter reifen.

• Weißschimmelschicht am Anschnitt etwa bei Brie oder Camenbert ist völlig natürlich und ebenso essbar, wie die Schicht oben und unten.

• Wenn ein Käse einen bitteren Abgang hat, ist er überreif – ungenießbar!

 
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