Die Kelten wollten immer hoch hinaus. Und sie wussten, wo es im Land am schönsten ist. Bergrücken, Hochplateaus und Gipfelregionen, das waren ihre bevorzugten Aufenthaltsorte. Die Milseburg in der Hessischen Rhön, ein Berg mit einem unverwechselbaren Profil, gehört dazu. Dieser Keltensitz zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus, die beim Aufstieg und bei einem Rundgang erkundet werden können. Einzige Voraussetzung ist festes Schuhwerk.
Rund 800 Jahre, aber zu unterschiedlichen Zeiten, siedelten die Kelten dort oben: von 1200 bis 800 sowie von 450 vor unserer Zeitrechnung bis Christi Geburt. In diesen Zeiten verwandelten sie den Berg in eine Festung beziehungsweise in eine Ringwallanlage, die zu den größten und höchst gelegenen in Osthessen zählt. Die Milseburg war ein bedeutendes Zentrum, ein Oppidum. So nannten die Römer stadtähnliche, befestigte Siedlungen. Heute ist der Berg ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer und für Menschen, die sich für die Vor- und Frühgeschichte interessieren. Wer wissen möchte, welcher Rund- und Weitblick sich den Kelten dort oben bot, der muss steil hinauf. Wer eine Vorstellung davon haben möchte, wie sie dort lebten, liest beim Aufstieg und Abstieg die 15 Informationstafeln entlang des archäologischen Wanderwegs und schaut seine Umgebung anschließend mit anderen Augen an.
Unverwechselbar präsentiert sich die Milseburg von Westen, wenn man von der Autobahn A 7 kommend über die Bundesstraße 458 anreist. Von Norden steigt der Berg langsam an und fällt steil in Richtung Süden ab. Sein asymmetrisches, aus der Mitte gerücktes Äußere fasziniert – und beflügelte immer wieder die Fantasie. Eine christliche Legende besagt, dass der Riese Mils, der sich mit dem Bösen in Gestalt des Teufels verbündet hat, einst dort in der Gegend lebte. Ein Heiliger – Gangolf – besiegte ihn. Daraufhin starb Mils. Der Teufel errichtete ihm ein Grab aus Steinen, das die Umrisse des toten Riesen nachzeichnete: die Füße im Norden, der Kopf im Süden. Und so soll die trapezförmige Erhebung entstanden sein.
Die Geschichte existiert in mehreren Varianten. Tatsache ist, dass niemand weiß, woher der Name Mils kommt. Bereits in der frühesten schriftlichen Erwähnung in einer Urkunde des römisch-deutschen Kaisers Otto II. aus dem Jahr 980 heißt die Erhebung „Milsiburg“ – und zwar Burg, weil im Mittelalter sich unterhalb des Gipfels auf der Westseite eine kleine Burg befand, von der noch wenige Überreste vorhanden sind. Die Burg wurde allerdings erst 1119 erwähnt, was nicht heißt, dass sie nicht schon länger existierte.
Der Start in die Welt der Kelten beginnt auf dem Parkplatz auf der Nordost-Seite der Milseburg. Dort steht die erste Infotafel mit einer Einführung. Immer steiler steigt der Weg an, bis das erste von drei ehemaligen Zugängen in die Anlage erreicht wird: das Tor am Kälberhutstein. Es war die einzige Öffnung, durch die auch Wagen passieren konnten. Eine Zeichnung auf der Infotafel zeigt eine Rekonstruktion von Tor und Torhaus. Wer die Engstelle heute passiert, sieht zur Rechten Richtung Tal den mächtigen Fels, dahinter öffnet sich der Blick bis nach Fulda. Auf der steil ansteigenden Bergseite liegen noch verstreut Basaltsteine.
Ab jetzt befindet man sich im inneren Bereich der Keltensiedlung, streift den Bereich der einstigen Siedlungsterrassen. Überreste eines Walles markieren eine weitere Grenze: zwischen Bergrücken und Gipfelbereich. Ab hier sind bereits die Montagssänger gut zu hören – wenn man an diesem Wochentag kurz nach der Mittagszeit den Berg erklimmt. Sie treffen sich jeden Montag ab 13 Uhr in der urig-gemütlichen Milseburghütte knapp unterhalb des Gipfels und der Gangolfskapelle.
Dort, wo heute das kleine Gotteshaus steht und sich daneben der höher gelegene runde und mit einer Mauer eingefasste Bereich befindet, wird der Kultplatz der Kelten vermutet. Laut Infotafel gab es im Gipfelbereich noch keine archäologischen Untersuchungen, deshalb steht der Nachweis noch aus. Ein für die Kelten besonderer Bereich gilt jedoch als sicher. Wer die letzten Meter über steiniges Gelände bis zur Kreuzigungsgruppe in 837 Metern Höhe klettert, der wird sich ohnehin nicht gegen die Erhabenheit des Ortes wehren können.
Die Aussicht ist überwältigend – und im Oktober dazu herbstlich bunt eingefärbt. Weit geht der Blick nach Osten in Richtung Lange Rhön, nach Südosten zur Wasserkuppe, nach Süden zur bayerischen Rhön und zum Kreuzberg, nach Westen in Richtung Fulda und nach Norden zur Kuppenrhön – und in unmittelbarer Nähe auf ein Meer aus Basaltsteinen, auch Phonolite genannt, weil sie klingen, wenn man sie anschlägt. Eigentlich will man den schönen Ort, der zwischen Himmel und Erde zu schweben scheint, gar nicht mehr verlassen. Die Kelten wussten einfach, wo es schön ist.
Zu Fuß und mit dem Fahrrad
Der archäologische Rundweg startet auf dem Parkplatz im Norden des Bergmassivs. Tafeln informieren über das Leben der einstigen keltischen Bewohner sowie über die Ausgrabungen auf der Milseburg. Sie zählt zu den größten vorgeschichtlichen Ringwallanlagen Osthessens. Wer sich mit festem Schuhwerk auf den Weg macht, wird mehrfach belohnt: mit einer grandiosen Aussicht und mit einem gemütlichen Plätzchen in der Milseburghütte unterhalb des Gipfelfelsens. Mittwochs und am Wochenende ist sie bis 20 Uhr geöffnet. Montags treffen sich dort ab 13 Uhr die Montagssänger. Info: www.milseburghuette.com
Auch mit dem Rad lässt sich die Milseburg erobern – unterirdisch oder außen herum. Zum 27 Kilometer langen Milseburgradweg gehört der Milseburgtunnel aus dem Jahr 1889. Er ist 1172 Meter lang und von 1. April bis 31. Oktober geöffnet. Wer Tunnels lieber meidet, der fährt auf der vier Kilometer langen Umgehungsstrecke. Der gesamte Verlauf des Radwegs von Hilders bis Petersberg-Götzenhof ist in einem Faltblatt (erhältlich in den Tourist-Informationen) oder im Internet beschrieben: www.milseburgradweg.de