Der Sänger, Gitarrist und Songwriter Markus Rill ist ein Main-Post-Journalist; das muss wissen, wer hier etwas über seine neue CD lesen will. Um eine Gefälligkeitskritik auszuschließen, hat sich mit dem Autor dieser Zeilen einer um die Geschichte gekümmert, der erklärtermaßen wenig mit der aktuellen Folkmusik und ihren Attitüden anfangen kann. Also denn.
Der Musiker Rill liefert auf „My Rocket Ship“ 14 Songs in angenehmen, eingängigen, meistenteils melancholischen Harmonien und Melodien. Seine Band „The Troublemakers“ spielt auf mit akustischen und elektrischen Gitarren, Bass, Schlagzeug, Mundharmonika und Fiedel.
Für die Freunde komplexer Musik und dissonanter Klänge ist diese CD kein Spaß. Rill steht dazu; die musikalische Struktur der Folkmusik sei nun mal simpel. Ein Album aus Friede, Frust und Eierkuchen will er sich dennoch nicht nachsagen lassen. „Way down“, meint er, eine Nummer mit einer Anmutung von Tom Waits, sei durchaus etwas Schrägeres. Damit hat er – verglichen mit den anderen Titeln – auch Recht: knackiger Riff, knackiger Text, ein mutmaßlicher Zündler kündigt Unheil an.
Dieser Krawallo aber ist ein Außenseiter auf „My Rocket Ship”. Rill erzählt von Figuren, die das Schicksal geschlagen hat, von Einsamen, Traurigen, Suchenden vor allem. Wie der hier, der erzählt, „I've learned to live without what I desire and with what I got / that don't mean that I'm satisfied and it don't mean I'm not”. Der hätte gerne mehr vom Leben, aber in seinem „reach for the stars” singt der Kleinmut schon mit: „they slip farther away every day“. Er sucht noch nicht mal etwas Großes, nur nach „something to strive for, something to stay alive for“.
In Rills Welt kommen postmoderne Ironie und Verspieltheit nicht vor. Seine Songs sind erdenschwer, mit Ausreißern. Da ist etwa „The facts about my life“, das musikalisch an „Mandela Day“ von den Simple Minds erinnert. Die Geschichte ist eine der traurigsten und hoffnungslosesten überhaupt auf dem Album, aber siehe: Es mündet unvermutet in e-gitarrenlärmender Ekstase; Rill und The Troublemakers kontern Melancholie mit Lebenslust, als gäbe es doch Sinn und Hoffnung.
So lockert er das musikalische Einerlei einer Folk-CD doch mit kleinen und größeren Überraschungen auf.
Auf „My Rocket Ship“ bewahren die Verlierer Haltung und Würde. Da hat einer einen wirklich miesen Lauf und auch noch ein Kind beerdigt, ist müde und fertig und gibt doch nicht auf: „I'll soon act like I'm better / won't be too long a while / I'll pretend like it don't matter / and I'll put on a braver smile”. Das sind Typen, die versuchen, koste, was es wolle, ihr Leben im Griff zu behalten.
Rill erzählt, Ernest Hemingway sei als Autor für ihn der Größte. Und etwas von der frappanten Lakonie der Hemingwayschen Figuren scheint tatsächlich in Rills Gestalten und Geschichten auf.
Musik fürs texanische Roadhouse
Musikalisch ist „My Rocket Ship“ eine Mischung aus Folk und Country, Blues, Rock und einer Prise Soul, Rill gewinnt damit kundige Fans selbst im Mutterland des Genres. Der US-amerikanische Musikkritiker Baron Lane etwa schreibt in seinem Blog auf der Seite der Grammy-Foundation, Rills Spielart des Singer-/Songwriter-Handwerks passe bequem in ein texanisches Roadhouse.
Die Geschichten, die der amerikanisierte Würzburger erzählt, und die Haltung, die er einnimmt, fallen nicht aus dem Rahmen. Bemerkenswert aber ist, wie er erzählt: mit einer ganz eigenen Sprachmelodie, leicht, fließend, elegant, bildhaft. Und so findet dann doch das eine zum anderen und zu einer atmosphärischen Dichte, die selbst dem folkphoben Schreiber dieser Rezension gefallen kann.
Konzert: Am Samstag, 9. Februar, stellen Rill und The Troublemaker „My Rocket Ship“ live in der Kellerperle unter dem Studentenhaus am Exerzierplatz vor. Um 20 Uhr legen sie los. Unter markusrill.bandcamp.com findet man alle Songs zum Anhören und Kaufen, die Texte zum Schmökern inklusive.