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Mein Montag: Schwarzwurzeln und Rote Beete
Von holger Welsch holger.welsch@mainpost.de
 |  aktualisiert: 16.12.2020 11:59 Uhr

Was wir diese Woche machen? Wir versuchen einfach mal, nicht müde zu werden. Denn die Wahlmüdigkeit ist ja schon massiv ausgebrochen. Nicht einmal die Hälfte von uns, die ihre Kreuzchen machen dürfen, hat sich zur Urne geschleppt, um den Oberbürgermeister und die ganzen Stadträte zu wählen. Was wir daraus schließen? Zu viele Schnarchnasen und Schlaftabletten. Nein, nicht die Kandidaten, sondern die müden Nichtwähler.

Bei der OB-Stichwahl am Sonntag könnten diese noch viel mehr werden. Denn zur Wahlmüdigkeit kommt jetzt auch noch – nach dem offiziellen Beginn des Frühjahrs vergangene Woche – die Frühjahrsmüdigkeit dazu. Und wie begegnen die beiden Kandidaten unserer Schlaffheit und Bocklosigkeit? Statt unserem Blutdruck vielleicht mit der Einladung zu einer Tasse schwarzen Kaffee oder einem Döschen Red Bull etwas auf die Sprünge zu helfen, schleppt heute Nachmittag der rot-grüne Kandidat Muchtar Al Ghusain seinen Parteifreund Ulrich Maly auf den oberen Markt – mittlerweile auch als die Wählerfangmeile berüchtigt.

Maly wurde gerade wieder einmal zum Nürnberger Oberbürgermeister gewählt. Ein Siegertyp also, dessen Glanz auf Möchtegern-Sieger Al Ghusain abstrahlen soll. Ein cleverer Schachzug der Wahlstrategen – so lange sie Maly nicht erzählen lassen, was er vor seiner Zeit als OB so getrieben hat. Da war der Mann nämlich nicht Kulturreferent – sondern Kämmerer! Gegenkandidat Christian Schuchardt kümmert sich nicht nur um die städtische Kohle, sondern weiß offenbar auch, dass man die Frühjahrsmüdigkeit mit dem Verzehr von Obst und Gemüse bekämpfen kann. Der CSU-FDP-WL Kandidat wirbt mit einem Foto, das ihn im Gespräch mit Hermine, Würzburgs bekanntester Marktfrau, zeigt.

Betrachter rätseln, was Schuchardt der Marktfrau auf dem Foto wohl sagt. Möglicherweise sind Sätze gefallen wie „Die Rote Beete möchte ich aber nicht haben.“ „Wenn Sie mich wählen, wird die Standgebühr garantiert nicht erhöht.“ „Ich mag Gemüse, weil's weder Fisch noch Fleisch ist.“ Oder er fragt die rüstige Marktfrau, ob sie auch junges Gemüse habe. Ist aber alles Spekulation. Fest steht lediglich, dass Hermine bestimmt das letzte Worte hatte. Und eindeutig erkennt der Betrachter: Schuchardt schaut sich die Radieschen von oben an.

Nicht länger anschauen wollte Barbara Stamm, Grand Madame der CSU, dass im Schaufenster eines Bäckerladens an besagter Wählerfangmeile nur Plakate vom Gegenkandidaten Muchtar Al Ghusain hingen, was so verwunderlich nicht ist. Der Mann möchte am Wahlsonntag ja auch was gebacken kriegen.

Frau Stamm indes ärgerte sich schwarz über die einseitige Werbung und soll gleich mal nachdrücklich ein paar Schuchardt-Plakate auf die Ladentheke gelegt haben. Bislang begrüßt dort aber weiterhin nur Al Ghusains Konterfei die Kundschaft. Deshalb könnte es sein, dass die Landtagspräsidentin künftig auf Brötchen verzichtet. Und nur noch Schwarzbrot kaut. Oder Hermines Schwarzwurzeln.

 
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