Die neuesten Zahlen aus dem Bundesgesundheitsministerium zeigen, dass Deutschland noch weit vom Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Masern bis 2015 weltweit auszurotten, entfernt ist. Bis zum ersten September dieses Jahres hat es mit 1542 Fällen zehnmal so viele Masern-erkrankungen gegeben wie im gesamten vergangenen Jahr, da waren es 165.
„Dass die Zahlen jährlich stark schwanken, ist nicht ungewöhnlich“, sagt Pressesprecherin Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut in Berlin (RKI) auf Anfrage dieser Zeitung. Aber es zeige eben auch, dass bundesweit große Impflücken bestehen. „Vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind die eklatant.“ Die notwendige zweite Impfung sei es, die bei vielen zwischen 1973 und 1991 Geborenen bislang nicht erfolgt sei. Damals wusste man nicht, dass es einer Wiederholungsimpfung bedürfe, um einen vollständigen Schutz vor der hochansteckenden und gefährlichen Infektionskrankheit zu garantieren. Diesbezüglich unterscheiden sich die Zahlen hier bundesweit nur wenig.
Wo die Masern ausbrechen, so Glasmacher, sei dann eben auch immer ein Stück weit Zufall. „Es kommt darauf an, wo die Masern eingeschleppt wurden. Das kann dann rasant schnell gehen, so als laufe man mit einer brennenden Fackel durch die Scheune.“ In Bayern und Baden-Württemberg sind die Masern-Impflücken besonders groß.
Mit 711 Fällen steht Bayern an der Spitze. Im Großraum München leben überdurchschnittlich viele Impfgegner. Je wohlhabender die Menschen in einer Region sind, desto schlechter ist die Impfquote“, sagt Glasmacher.
Der Anspruch, eigenverantwortlich zu handeln und allem mit Skepsis zu begegnen, sei groß. „Das Problem ist die Recherche im Internet. Wer einmal auf einer Seite war, auf der ein Kind im Rollstuhl abgebildet ist und in diesem Zusammenhang von Impfschäden gelesen hat, ist nur schwer wieder von wissenschaftlich belegten Argumenten zu überzeugen.“ Umgekehrt sei bei den sozial unteren Schichten eine Impf-Gleichgültigkeit zu beobachten.
Auch anthroposophische Weltansichten spielen in der Impfdiskussion eine Rolle. In Waldorfschulen etwa ist oft nur ein Drittel der Schüler gegen Masern geimpft, Ausbrüche sind dort häufiger zu beobachten. Masern werden als wichtiger Reifungsprozess gesehen, Impfen als Gift für Körper und Geist verstanden.
Die Bayerische Staatsregierung hat eine Aufklärungskampagne in den Kindertagesstätten gestartet. Die Eltern haben ein Schreiben bekommen, das sie über Masern informiert und das sie unterschreiben müssen. 450 000 Euro investiert der Freistaat bis 2015. Ziel: eine Impfquote von 95 Prozent.