
Ein bisschen Bauchweh hatte Werner Kraus, Geschäftsführer des Markt- und Service-Integrationsunternehmens (MSI) schon, als vor sechs Jahren das Main-Café in den Probebetrieb ging. Ob ein solches Café, das von Menschen mit und ohne Handicap betrieben wird, überhaupt angenommen werde, fragte er sich damals, und wer denn wohl abends nach 20 Uhr noch hierher an die Gutermannpromenade komme?
Ursprünglich wollte man ja eine Kaffeerösterei betreiben, erinnert sich der Geschäftsführer, aber dann wurden die Räume der Disharmonie frei und weil man sich mit deren Chef ohnehin gut verstand, lief vor sechs Jahren der Probebetrieb an.
Die Hälfte der Belegschaft besteht aus Menschen ohne, die andere aus Menschen mit Handicap. Dieses gehe von schwerem Diabetes bis zu Anfallsleiden oder psychischen beziehungsweise geistigen Beeinträchtigungen. Nach einem Jahr eröffnete das Main-Café dann offiziell, man hatte seine Mannschaft gefunden.
Steffen Brückner, „Mädchen für alles und der, der die Verantwortung hier trägt“, stellt fest, dass man kaum mehr Fluktuation habe. Hier werde Tarifgehalt gezahlt, alle Stunden werden ordentlich aufgeschrieben, es herrsche halt einfach ein anderes Arbeitsklima, das die Mitarbeiter zu schätzen wüssten.
Was den Betrieb von anderen unterscheide, sei vor allem, dass „vieles spontaner gehen muss“. Da könne es passieren, dass sich früh um neun jemand für diesen einen Tag abmeldet, weil es ihm nicht gut geht. Aber das sei auch kein Problem, meinte Brückner, denn die restlichen Mitarbeiter seien so flexibel, dass man immer jemanden finde, der einspringt.
Ab jetzt auf eigenen Beinen
Zum fünften Geburtstag des Main-Cafés gab es ein kleines Festwochenende, bei dem sich unter anderem die Betriebe der MSI vorstellten. So die beiden CAP-Supermärkte vom Deutschhof und der Friedhofsstraße und die „Grüne Gruppe“, Dienstleister für Gartenbau und Landschaftspflege. Mit der MSI wolle man vor allem Menschen mit Handicap, die sonst keine Chance hätten, in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, erklärt Kraus.
Anfangs wurde das Main-Café von der Aktion Mensch unterstützt. Diese Förderung lief heuer aus. Jetzt müsse man alleine zurechtkommen. „Wir hoffen, dass wir den Betrieb auch mit weniger Zusatzkräften wirtschaftlich betreiben können“, sagt Kraus. Die Zeichen dafür stehen gut. Das Café hat sich in Schweinfurt einen festen Platz erobert.
Im Winterhalbjahr, erzählt Brückner, habe man allein für ZF Services 20 Schlachtschüsseln „richtig original auf dem Holzbrett“ veranstaltet. „Menschen, die zu Abendveranstaltungen in die Disharmonie gehen, treffen sich immer öfter im Café, um vorher noch etwas zu essen“, erzählt Kraus, „oder kommen anschließend noch auf einen Umtrunk rein.“ Bei schönem Wetter lockt die Terrasse vor allem die Radfahrer und Spaziergänger an.
Ein großes Plus des Main-Cafés sieht Kraus vor allem darin, dass sich die Mitarbeiter mit dem Betrieb identifizieren, „sie sind alle sehr zufrieden.“ Das bestätigt auch Laura Endres. Die Servicekraft im Gastgewerbe ist von Anfang an dabei und sicher, dass das Arbeiten in anderen Restaurants schwieriger ist. „Wir haben hier nicht so viel Druck“, meint sie, zwar sei es manchmal stressig, aber man sei halt wie „eine kleine Familie“ und wisse, wie man sich zu nehmen habe.
Die Küchenfee im Main-Café
Sven Pücker ist glücklich, als „Küchenfee“ hier im Main-Café gelandet zu sein. Er schaffte vorher in der Schreinerei der Werkstatt für Behinderte in Sennfeld. „Hier ist es besser“, erklärt er, obwohl es manchmal stressiger sei. Sein „Chef“, Steffen Brückner, hat ihn ausgebildet und stolz erzählt der junge Mann, was er alles kann: „Ich bin in der kalten Küche, für die warme bin ich nicht ausgebildet, und richte Brotzeiten und Salate an.“ Wie sich das Dressing zusammensetzt, ist allerdings sein großes Geheimnis: „Das darf ich nicht verraten.“ Spülen und sauber machen gehört ebenfalls zu seinen Aufgaben. „Er wollte schon immer in die Küche und hatte sogar schon eine Zusatzausbildung“, erzählt Kraus, aber ohne das Main-Café hätte er keine Chance gehabt.
Von den 150 Menschen mit psychischer Beeinträchtigung, die Kraus betreut, haben inzwischen 47 einen Außenarbeitsplatz. Auch bei der Lebenshilfe habe man das Ziel, immer mehr Menschen in solche Arbeitsplätze zu vermitteln. Jetzt wird bald eine Konditorei am Deutschhof eröffnet; die Kuchen und Torten, die dort verkauft werden, kommen aus dem Main-Café, sie werden dort alle selbst gemacht.
„Schön, dass es sowas gibt“, lobt eine Besucherin. Das sei allemal besser, als wenn „die irgendwo nur rumsitzen“. In den Behindertenwerkstätten sei das alles auch so einseitig, meint sie zu wissen. „Ich bewundere das“, sagt sie und lässt sich einen der selbstgebackenen Kuchen schmecken, während die Band „Passion 4 Saxes“ für Unterhaltung sorgt. Zur Hausmesse der MSI-Betriebe am Samstag sang auch der Chor der Lebenshilfe und ein Jongleur trat auf. Am Sonntag wurde zu einem musikalischen Frühschoppen mit Fair-Trade-Frühstück und Weißwurstessen eingeladen. Für die fetzige Live-Musik sorgte „Charles M. Mailer & The Sunhill Palace Band“.