
„Der Hersteller hat Lieferschwierigkeiten; die Auslieferung des Impfstoffs verzögert sich“, bestätigt Michael Leonhart, Sprecher der Krankenkassenverbände in Bayern. Nach Aussage des Herstellers, der Pharmafirma Novartis Vaccines, werde der Grippeimpfstoff für Bayerns Kassenpatienten aber Mitte Oktober vorliegen, sagt Leonhart. Damit könne im empfohlenen Impfzeitraum geimpft werden. Grund zur Panik bestehe nicht.
Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Dr. Dieter Geis aus Randersacker, hält indes die Lage für bedenklich. „In meiner Praxis impfe ich jeden Herbst 300 bis 500 Patienten; normalerweise beginne ich damit im September, damit ich durchkomme“, sagt er.
Diesmal aber könne er die Kassenpatienten nicht dann impfen, wenn er dies als Arzt für richtig halte, sondern sei in seinem Impfgebaren von den Produktionsbedingungen der Pharmaindustrie abhängig. „Diese Planwirtschaft verurteile ich aufs Schärfste“, so Geis.
In diesem Jahr hätten sich die Kassen erstmals auf einen einzigen Vertrags-Hersteller für den Grippeimpfstoff festgelegt, der per Ausschreibung ermittelt worden sei. „Da haben die Kassen nicht an ihre Patienten gedacht, sondern nur an ihre Kosten-Einsparungen“, empört sich Geis.
Experten aus der Branche bestätigen, dass die bayerischen Kassen durch die Festlegung auf einen einzigen Impfstoff-Hersteller mehrere Millionen Euro einsparen – bei einem Auftragsvolumen von 22 Millionen Euro. „Zum kostengünstigen Wirtschaften sind wir verpflichtet“, kontert Leonhard.
Die Ausschreibung der Kassen für den Impfstoff ist gesondert für jedes Bundesland erfolgt. Novartis Vaccines hat nicht nur für Bayern, sondern auch für Schleswig-Holstein und Hamburg den Zuschlag erhalten.
Während aus den anderen Bundesländern, für die Konkurrenz-Unternehmen die Impfstoffe produzieren, keine Lieferprobleme bekannt sind, kommt es einem Bericht des Magazins „Stern“ zufolge in Schleswig-Holstein und Hamburg zu noch massiveren Lieferproblemen als in Bayern: In Schleswig-Holstein etwa kann laut „Stern“ der vereinbarte Novartis-Impfstoff Begripal erst zum November ausgeliefert werden.
Dortigen Kassenpatienten werde deshalb demnächst übergangsweise Optaflu verabreicht – ein Mittel, das neu sei, für Kinder ungeeignet und das erst zugelassen werden müsse. Norddeutschen Kassenärzte schlagen laut „Stern“ schon Alarm.
Ob die Lieferprobleme des Pharmakonzerns Novartis für die Kassenpatienten letztlich bedeutungslos sind oder potenziell gefährdend, darüber gehen in Bayern die Meinungen auseinander. „Wenn die Ärzte Mitte Oktober mit dem Impfen anfangen, dauert es zwei Wochen, bis der Impfschutz aufgebaut ist. Mehr als genug Zeit – denn die Grippewelle kommt üblicherweise im Januar“, sagt Leonhart.
„Bis der Impfschutz aufgebaut ist, dauert es drei Wochen. Grippe tritt auch schon im Dezember auf – von daher wird es zeitlich eng und potenziell riskant“, sagt dagegen Geis. Den Bayern-Vorsitzenden der Hausärzte. ärgert, dass die Kassenpatienten beim Grippeschutz gegenüber den Privatpatienten den Kürzeren ziehen. Geis: „Das ist Zwei-Klassen–Medizin!“ Denn Privatpatienten bekämen einen anderen Impfstoff als das Novartis-Produkt; sie könnten sich schon jetzt impfen lassen.
Gefährdet durch Grippe sind insbesondere Asthmatiker sowie Patienten nach Schlaganfall oder mit beeinträchtigten Immunsystem. Risikopatienten könnten, wie die Bayerischen Krankenkassenverbände mitteilen, ab 1. Oktober eine Impfung erhalten, wenn ihr Arzt zustimme.
Der Impfstoff stammt dann nicht von Novartis, sondern von einer anderen Firma. Alle anderen Kassenpatienten müssten die Impfung entweder privat bezahlen oder so lange warten, bis Novartis Vaccines die Impfstoffe ausgeliefert hat.
Nach dem Grund für die Lieferprobleme gefragt, teilte Novartis Vaccines mit, dass die Herstellung von Grippeimpfstoffen ein „komplexer biologischer Prozess“ sei, der jährlichen Schwankungen unterliege.