Es war eine Liebeserklärung, die Richard Loibl, Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte, dem Main machte: Der Fluss der Franken als geschichtsträchtiger Verbinder, als Lebensspender in vielfacher Hinsicht. Um das Jahr 1500 Zentrum des größten Weinbaugebiets Europas mit 40 000 Hektar Rebfläche (heute: 6000 Hektar) und bedeutender Zubringer für den damals bedeutendsten Finanzplatz der Welt: Augsburg.
Der Main ist kurvenreich, und er stellt sich quer. Er fließt von Ost nach West und widersetzt sich so dem Süd-Nord-Muster deutscher Flüsse. Was er wiederum mit der Donau gemeinsam hat. Richard Loibl sieht darin eine Art Bindeglied zwischen Altbayern und Franken.
Die Eröffnung der Landesausstellung „Main und Meer“ am Mittwoch in der Kunsthalle Schweinfurt geriet zu einer Verbeugung Altbayerns vor Franken. „Main und Meer“ ist – nach „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“ in Würzburg – die zweite Landesausstellung in Unterfranken in nur vier Jahren. Ministerpräsident Horst Seehofer will das durchaus als Hommage an den Regierungsbezirk verstanden wissen, der – wie Schweinfurt auf seinem Gebiet – zu den dynamischsten im Freistaat zähle.
„Unterfranken konkurriert in Sachen Wirkkraft immer mit Schwaben um Platz eins in Bayern“, sagte Seehofer im voll besetzten Theater der Stadt vor Ministern, Regierungspräsidenten, Parlamentariern, Landräten, Bürgermeistern, Mandatsträgern aller Ebenen und vielen weiteren Vertretern des öffentlichen Lebens.
„Die Nachhaltigkeit ist die Kernfrage Europas schlechthin.“ Erstmals verbinde eine Landesausstellung die Aspekte Kultur und Natur und könne so das Bewusstsein für den Wert von Bayerns einzigartigen landschaftlichen Schätzen schärfen. Die Idee zu „Main und Meer“ hatte Richard Loibl vor ein paar Jahren, als er auf einer Radtour eher zufällig in das frisch zur Kunsthalle umgebaute Ernst-Sachs-Bad in Schweinfurt schneite.
Die Ausstellung schickt den Besucher auf eine bunte, spannende und informative Reise über elf Stationen von den Quellen des Flusses bis zur See. Der Main ist Geheimnisträger und Winzer, Lebensspender und Unheilsbringer, Schiffsführer und Arbeitgeber, Seefahrer und Kunstschaffender. Projektionen, viele Bilder, Hör- und Duftproben, Modelle und Videos machen die Ausstellung interaktiv und multimedial.
In die Ausstellungsarchitektur, die im Verbund mit effektvollem Licht die Kunsthalle vollkommen verändert, sind die Exponate eingefügt, etwa ein historischer Männerbadeanzug, Frankenweine der Jahrgänge 1540, 1728 und 1822, eine mit Flussperlen besetzte Marienkrone oder Fundstücke von der antiken Waffe bis zum verrosteten Fahrrad. Die Ökologie spielt eine große Rolle: In Touchscreen-Aquarien geben Fische Auskunft über ihre Lebensgewohnheiten. Karten zeigen, wie sehr sich die Wasserqualität des Mains seit dem Jahr 1968 verbessert hat. Eine Installation führt vor Augen, wie viel Wasser die Produktion mancher Waren verschlingt – ein Sechserpack Bier: 900 Liter. Ein Pfund Rindfleisch: 7700 Liter. Eine Jeans: 8000 Liter.
Vor allem aber werden unzählige Geschichten erzählt. Von Berufen am und auf dem Fluss, von Erfindern, Spinnern und Visionären. Von Hochwassernöten oder gigantomanischen Projekten wie dem des Herman Sörgel (1885–1952), der den Pegel des Mittelmeers um 100 Meter absenken wollte, um Land zu gewinnen und in riesigen Kraftwerken Strom für ganz Europa zu produzieren. Dieses „Atlantropa“ hatte zu seiner Zeit nicht wenige Anhänger. Aber die Zeit solcher Großprojekte scheint vorbei. Das sieht man in der Ausstellung auch an der durchaus differenzierten und eher nüchternen Würdigung der Vor- und Nachteile des einst so hart umkämpften Main-Donau-Kanals.