Herr Ilgner, Sie rücken am 1. März bei der Deutschen Sporthilfe auf den neu geschaffenen Posten des Vorsitzenden der Geschäftsführung. Was verändert sich noch in der Führungsstruktur?
Michael Ilgner: Der Vorstand hatte bislang 18 Mitglieder und fokussiert sich zunächst auf sechs Mitglieder. Vorsitzender bleibt Hans-Wilhelm Gäb. Dazu kommen als Stellvertreter der Münchner Architekt und
Bernd Rauch, Schatzmeister Horst Müller, ehemaliges Vorstandsmitglied von Allianz und Dresdner Bank, NOK-Präsident Klaus Steinbach, DSB-Vize Präsident Ulrich Feldhoff sowie meine Person.
Was geschieht mit den Vorstandsmitgliedern, die nun nicht mehr in dem Gremium vertreten sind?
Ilgner: Sie bilden den Aufsichtsrat, der vom ehemaligen Mercedes-Benz-Chef Jürgen Hubbert, der auch Vorsitzender des Stiftungsrates bleibt, geleitet wird.
Welche Hoffnungen können junge Talente haben, die sich für den Leistungssport entschieden haben?
Ilgner: Grundsätzlich einmal die materielle Unterstützung. In manchen Sportarten ist sie vielleicht nur ein kleiner Faktor, für andere aber sind die Leistungen der Sporthilfe eine entscheidende Komponente.
Was noch?
Ilgner: Ich habe mir vorgenommen, das Prinzip der dualen Karriere weiter zu forcieren. Sportlern in Deutschland sollen gerade zwischen Ende der Ausbildung und dem Start in den Beruf eine Perspektive aufgezeigt bekommen. Es ist eine der wesentlichen Aufgaben, Toptalente bei der Stange zu halten und ihnen parallel die Basis für eine berufliche Karriere zu ermöglichen.
Wie könnte solch ein Modell aussehen? Fordern Sie beispielsweise mehr Engagement der Universitäten?
Ilgner: Zunächst möchte ich betonen, dass Institutionen wie die Bundeswehr oder auch Polizei mit ihren Sportfördergruppen Unglaubliches leisten. Es wird aber kein Modell für alle Athleten geben können, weil die Begabungen einfach zu verschieden sind. Minimale Bürokratie und viel Verständnis für den Einzelfall ist das, was wir brauchen, um Spitzenathleten im beruflichen Umfeld und der Ausbildung zu unterstützen. Wir müssen beispielsweise bei Universitäten das Verständnis für den Sport wecken und erreichen, dass Prüfungen auch mal zwei Wochen später ablegt werden dürfen, ohne aber eine grundsätzliche Bevorzugung zu fordern. Damit ist keinem ein Gefallen getan. Flexibilität ist also entscheidend.
Wie kam der Kontakt zur Deutschen Sporthilfe zustande?
Ilgner: "Booz Allen Hamilton" hat die Stiftung in den letzten Jahren betreut und beraten, dadurch ist im wesentlichen der Kontakt zustande gekommen.
Wie schwer fiel Ihnen der Entschluss, den Job als Unternehmensberater und Mitglied der Geschäftsführung aufzugeben?
Ilgner: Auf der einen Seite sehr schwer, weil ich mich bei "Booz Allen Hamilton" sehr wohl fühle. Auf der anderen Seite bin ich von den Möglichkeiten der neuen Aufgabe begeistert, die für einen ehemaligen Sportler auch eine ganz besondere Faszination ausmacht. Ich habe öfters gesagt, dass ich irgendwann dem Sport auf meine Art etwas zurückgeben möchte. Das alles macht mir den Abschied sehr viel leichter.
"Ich möchte dem Sport auf meine Art etwas zurückgeben"
Michael Ilgner
War die harte Wirtschaft nicht die Welt des leidenschaftlichen Sportlers?
Ilgner: Das sehe ich eher genau anders herum: Ich verwende gerne den Vergleich, dass Leistungssport Leben in hochkonzentrierter Form ist. Die Regeln im Sport gelten im Prinzip auch für Prozesse und Abläufe in der Wirtschaft bzw. Industrie. Im Sport bedeutet das: Wer schneller ist oder mehr Tore geschossen hat, hat gewonnen. Bei einer Niederlage muss man anders bzw. mehr trainieren oder an seiner Technik etwas ändern und bei nächster Gelegenheit den Gegner wieder herausfordern. Es gibt kein Pardon, wer nicht vorbereitet und trainiert ist, wird wieder verlieren. Analog und vereinfacht kann man umgekehrt für die Wirtschaft sagen: wer bessere Produkte als der Wettbewerb hat und die Abläufe dazu im Griff, wird im Markt erfolgreich sein. Ansonsten müssen Produkte oder Prozesse verbessert werden, dabei orientiert man sich zwangsläufig am Marktführer, der bisher "gewonnen" hat.
Hatten Sie in Ihrem Beruf moralische Probleme? Schließlich war oft die Konsequenz Ihrer Empfehlungen die Rationalisierung von Arbeitsplätzen.
Ilgner: Ganz im Gegenteil. Die Aufgabe besteht ja oft genau in der langfristigen Erhaltung von Arbeitsplätzen. Natürlich sind dafür manchmal schwierige Entscheidungen notwendig. Aber meistens sind gerade die schwierigsten Entscheidungen die wichtigsten. Darüber hinaus ist - vereinfacht ausgedrückt - unsere Aufgabe, einer Firma zu helfen, eine wichtige Entscheidung rechtzeitig, objektiv und auf Fakten und Fachwissen basierend zu treffen. Stets muss das Management eines Unternehmens selber entscheiden, was es aus unseren Lösungsvorschlägen macht. Das ist übrigens auch ein wesentlicher Grund für mich, warum ich mich auf die neue Aufgabe bei der Sporthilfe so freue: selber noch ein wenig mehr in der Verantwortung zu stehen.
Jetzt holt Sie also Ihr altes Leben ein. Wie wichtig sind Ihnen Vorbilder?
Ilgner: Sie sind unglaublich wichtig. Gerade der Sport hat eine gesellschaftliche Funktion. Denn Sportler akzeptieren das Leistungsprinzip, mit Niederlagen zu leben, sie zu verarbeiten , wieder aufzustehen und an sich zu arbeiten. Außerdem sind sie dem Gegner gegenüber tolerant, fair und grenzen nicht aus. Das ist vorbildlich, und daraus lässt sich viel ziehen für alle Bereiche des Lebens. Ich fordere nicht, dass der Sport allem und jedem seine Werte oktroyiert. Aber wenn die erwähnten Grundwerte des Sports in unserer Gesellschaft noch stärker verankert wären, würden wir alle davon profitieren.
In Deutschland gibt es Sport und Fußball. Wie kann die Sporthilfe vom Milliarden-Geschäft auf dem Rasen profitieren?
Ilgner: Wir wollen in der Gesellschaft das Bewusstsein weiter fördern, dass es sinnvoll ist, sich für die Sporthilfe zu engagieren. Da könnte natürlich der Fußball einen wichtigen Beitrag leisten. Aber man darf nicht einfach etwas fordern nach dem Motto: ,Ihr habt Geld, also gebt uns davon ab!' Wir müssen auch etwas anbieten, denn das ist das Grundprinzip der Leistungsgesellschaft und auch des Sports. Warum ist der FC Bayern München denn so erfolgreich? Weil er sich sehr leistungsorientiert über Jahre nach oben gearbeitet hat. Wenn ich also über einen Partner wie Bayern München spreche, dann muss auch er einen Mehrwert von der Zusammenarbeit haben.
Stehen Sie als junger, hauptamtlicher Geschäftsführer für so etwas wie einen Generationswechsel im trägen, deutschen Funktionärswesen?
Ilgner: Eines vorneweg: Der deutsche Sport lebt vom Ehrenamt und dem Engagement der Funktionäre. Dafür gilt es Dank zu sagen. Es ist immer leicht über jemanden zu schimpfen, ohne zu versuchen, es selber besser zu machen. Deshalb habe ich auch diese Chance ergriffen. Ich würde mich freuen, wenn das ein Vorbild für andere sein könnte, sich selber zu engagieren. Zur Frage: Ja, ich denke, es ist an der Zeit, dass sich im deutschen Sport eine neue Generation von jungen Entscheidern engagiert.
Das Stichwort
Deutsche Sporthilfe
Die Deutsche Sporthilfe wurde
1967 gegründet, erster Vorsitzen-
der war der Unternehmer und
Olympiasieger im Dressurreiten,
Josef Neckermann. Stiftungszweck
ist die ideelle und materielle
Unterstützung von Sportlern. In
mittlerweile fast 39 Jahren hat die
Sporthilfe 38 000 Athleten mit fast
335 Millionen Euro unterstützt.
Informationen im Internet:
www.sporthilfe.de